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Hilfe - richtig Helfen (Angehörige)

Micha @, Donnerstag, 15.08.2002, 20:04 (vor 7919 Tagen)

Wechselseitiges Helfen wird bei allen Kooperationen wichtig sein, aber man sollte auch bedenken, dass es beim Helfen zu schwerwiegenden, ja gefährlichen Problemsituationen kommen kann. Vor allem, wenn die folgenden Erkenntnisse nicht beachtet werden:

Helfen ist ein massiver Eingriff in die Selbstbestimmung eines Menschen. Hilfe ist deshalb nicht immer erwünscht.

In Japan wird man einem Menschen, der ohnmächtig wird, nicht ohne weiteres beistehen. Anstatt zu dem niedersinkenden Menschen zu sehen, wird man eher wegsehen oder weggehen, damit dieser Schwächeanfall nicht zum Gesichtsverlust führt.

Im Reisekapitel weise ich noch darauf hin, wie unser Drang zu helfen als Touristenfalle benutzt wird. Es ist kein Zeichen von Nächstenliebe, sondern von Dummheit, in jedem Fall helfen zu wollen und nicht die nötige Vorsicht für sich selbst walten zu lassen.

Mein Vater hat einige Selbstmörder aus der Donau gerettet. Er hat dabei ausschließlich, auch nach längerer Zeit nach dem Selbstmordversuch, nur harsche Schelte von den Kandidaten bekommen.

Wer Hilfe anbietet, sollte fragen, ob die Hilfe erwünscht ist ('Soll ich helfen?'). Natürlich wird man in extremen Notfällen sofort zu handeln haben (zum Beispiel wenn jemand erstickt), aber in den vielen anderen Fällen fragt man einfach. So gibt man dem Notleidenden die Chance die Hilfe entweder bewußt zu akzeptieren oder auch abzulehnen.

Die nächste Frage ist, 'wie kann man helfen'? Sehr oft unterscheiden sich die verschiedenen Erwartungen. Der Helfende weiß oft gar nicht, wie er helfen kann, weil er das Problem noch gar nicht verstanden hat. Wer agiert, ohne zu verstehen, schafft immer Probleme. Das Geringste ist, dass er als arrogant oder Besserwisser eingestuft wird und deshalb abgelehnt wird.

Ein Mensch kommt zu einer Gruppe, die ein Problem löst. Sofort gibt er seine Meinung mit einer Lösung zum Besten. Die Gruppe wird diese Meinung immer ablehnen, selbst wenn sie richtig ist, oder zumindest einen guten Gedanken enthält. Erst wenn er sich das Problem von der Gruppe erklären läßt, wird diese seinen Rat übernehmen.

Nicht immer muß Hilfe als Hilfe 'verpackt' sein. Hilfe wird viel besser akzeptiert, wenn sie in anderer Verpackung kommt. Im Firmenumfeld zum Beispiel als 'Training'. Der Unterschied ist, dass Hilfe auf Wohlwollen beruht, aber Training etwas ist, auf das man als Neuer einen Anspruch hat.

Genauso kann man Ratschläge in verschiedener Form geben. Entweder als Belehrungen (die wird man nicht gerne annehmen) oder auch als Erinnerungen. Ich mache gerne im persönlichen Gespräch aus Ratschlägen Episoden, das heißt kleine Geschichten, die anderen passiert sind und erzähle, was diese dabei aus dem Schaden gelernt haben.

Viele Menschen lehnen Ratschläge und Tipps ab. Ein Freund meinte, Tipps seien nur zum Weitergeben, das heißt, sie sind etwas, was bei einem Ohr rein und beim anderen Ohr raus geht.

Sehr oft wird von Hilfe zur Selbsthilfe gesprochen. Das heißt, Hilfe soll wie ein Katalysator sein. Kurzfristig etwas bewirken oder verändern soll diese Hilfe, aber es soll keine dauernde Abhängigkeit dabei entstehen. Denn die Abhängigkeit verleitet zur Machtausübung, die von den Geholfenen im Normalfall nicht erwünscht ist.

Wer hilft, erwartet meist eine Gegenleistung, zumindest Dankbarkeit. Diese Erwartungen werden oft nicht erfüllt. Es ist daher klug, sich gar keine Gegenleistungen bei Hilfe zu versprechen. Wenn sie aber doch sein sollen, dann sind diese vertraglich abzusichern. In einer Welt voll Egoisten mit kurzem Gedächtnis ist so ein Vertrag mehr wert, als das Vertrauen auf Hilfe in der Zukunft.

Viele Menschen helfen, indem sie professionelle Helfer bezahlen. Man sollte dann genau darauf achten, wieviel Geld dabei wirklich ankommt und ob die vorgegeben Interessen, die man unterstützen will, auch wirklich umgesetzt werden. Wird man bei diesen Deals betrogen, ist nur konsequenter moralischer und vor allem finanzieller Boykott der richtige Ausweg. Denn über das Geld ist viel zu erreichen.

Ich unterstütze seit der Shell Brent Spar Affäre nicht mehr Greenpeace. Greenpeace hat in meinen Augen mit gelogenen Argumenten publikumswirksam Macht ausgeübt. Dies tue ich kein zweites mal.

Es ist hier wichtig wirklich, nicht zu verzeihen. Die Organisationen müssen wissen, dass schon ein Fehler oder eine Lüge ihr Ende bedeutet, nur so werden sie sorgsam genug mit fremdem Geld umgehen.

Es ist eine Illusion anzunehmen, dass alle Menschen gerne helfen wollen. Es gibt viele Menschen, die nicht helfen, selbst dann, wenn sie diese Hilfe gar nichts kostet. Manchmal ist die Ablehnung ideologisch begründet ('die werden nie was von mir bekommen'), oft aber ist nur Dummheit oder Faulheit der Grund der Ablehnung der Hilfe.

Bei Dummheit kann man versuchen aufzuklären, bei Faulheit muß man motivieren, unter Umständen mit Androhung von Konsequenzen (unterlassene Hilfeleistung). Die beste Motivation ist in meinen Augen aber immer noch dem Helfenden den Nutzen, den er dabei gewinnt, klar zu machen.

Im beruflichen Umfeld ist die beste Art Hilfe zu fördern, jene Menschen öffentlich zu loben, die gute, prompte und seriöse Hilfe geleistet haben. So wird ein Klima erzeugt, in dem gegenseitige Unterstützung möglich wird, ohne Gesichtsverlust, ohne dauernde Abhängigkeiten und zum Nutzen aller Beteiligten, letzten Endes zum Nutzen der ganzen Firma. Und dieses Lob darf ruhig auch mit Geld verbunden sein.

Ich bin nämlich nach wie vor überzeugt, dass auf die Dauer ein Belobungssystem mehr bringt, als ein Bestrafungssystem. Ich schreibe deshalb in der Servicewüste Deutschland gerne Lobesschreiben, wenn ich von dienstbaren Geistern gut behandelt wurde.

Es ist interessant, wie Firmen und andere Institutionen auf Lob reagieren. Ausnahmslos bedanken sie sich, was bei Beschwerden nicht immer der Fall ist. Und fast immer wird dabei erklärt, dass Lobesschreiben ganz selten vorkommen. Wer also wirklich Eindruck schinden will, der muß nur kräftig loben, an ihn wird man sich lange erinnern!

<small>Leider gibt es immer wieder Kriminelle, die verzweifelten Menschen, die Hilfe suchen und die diese auch bitter nötig hätten, dann noch das allerletzte Geld wegnehmen. Die 0190-Nummern für Arbeits- oder Wohnungssuchende, wo nur geneppt wird, aber man keine wirkliche und brauchbare Hilfe bekommt, gehören für mich auch diese Kategorie!</small>


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