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ein Text von Susi Sauber ... Nun zu einem andern Thema : Messie. (Angehörige)

Micha @, Freitag, 16.04.2004, 10:03 (vor 7325 Tagen)

Auch im deutschsprachigen Gebiet hat sich dieser Begriff mittlerweile durchgesetzt.
Er stammt vom englischen Verb " to mess" - Unordnung machen.


Ein Messie zu sein ein bedeutet, unter dem massiven Problemen mit der
Organisation der räumlichen Umgebung und Zeit zu leiden.
Ein Messie - ist ein Mensch,
dessen Alltag von Unordnung, Durcheinander und Desorganisation bestimmt wird.

"Jede Kleinigkeit verlangt von mir eine riesige Anstrengung,
obwohl ich mich doch zusammennehmen möchte. Ich schäme mich vor
meinem Mann, der doch Verständnis für mich hat.
Ich kann es einfach nicht.
Das Geschirr spülen? Schon das geht über meine Kräfte. Ich soll
kochen und möchte es auch gern tun. Aber auch das kann ich nicht.
Hunderte von kleinen Gedanken beschäftigen mich, ohne dass ich
sie in Zusammenhang bringen kann. Ich lasse alles laufen, und
mir ist dabei todlangweilig ... Irgendwann lasse ich alles
fallen und ergreife unter irgendeinem Vorwand die Flucht."

Wenn in den Medien vom Messie-Syndrom die Rede ist,
steht die spektakuläre Darstellung von Wohnungen im Vordergrund,
die bis an die Decke vollgestopft sind.

Messies haben das Gefühl, dass die Energie nicht ausreicht,
um ganz normale Arbeiten zu verrichten.
Situationen, die ein Handeln erfordern,
schrecken ab und werden vermieden. Sie haben grössere
Schwierigkeiten als andere mit dem Sortieren und mit der
organisatorischen, planerischen und zeitlichen Einschätzung von
Handlungen, die eigentlich Routinetätigkeiten sein sollten.

Diese Unzulänglichkeit macht sich vor allem beim Umsetzen von
Gedanken in Handlungen bemerkbar. Messies planen, etwas zu tun;
der Wunsch oder die Idee kann sehr stark sein. Dann kommt eine
andere Idee oder ein anderer Wunsch und noch eine ...
- doch die Verwirklichung bleibt aus.

"Dieses mache ich später ... Jenes mache ich morgen ..."
Weder später noch morgen werden aber die Ideen in Handlungen umgesetzt.
Stattdessen kommt es immer nur zu begrenzten, zusammenhanglosen Handlungen.
Wie der ganz normale Alltag einer Messie aussehen kann,
beschreibt der Artikel: krank? http://www.susisauber.ch/krank.php

Schätzungsweise zahn bis fünfzehn Prozent der Bevölkerung kennen
Anteile des Messie-Erlebens. Zur krankhaften Ausprägung des
Messie-Syndroms mit seinen typischen Verhaltenssymptomen kommt
es bei etwa zwei Prozent der
erwachsenen Bevölkerung. Das Leid des Messie-Erlebens, die
Auswirkung auf die engere Umgebung sowie die Folgen für die
Angehörigen können dramatisch sein. ( Mahnungen, Betreibungen,
Schulden, Gesundheitsamt ,
Verwahrlosung, Abbruch aller sozialen Kontakte, Eheprobleme usw)

Warum ist es für Messies so schwer, dauerhaften Erfolg bei der
Bewältigung ihrer häuslichen Probleme zu haben?


Ich erzähle hier die Geschichte von Lucia.
Lucia war eine junge Frau und Mutter von 3 Kindern.
In der Küche stapelte sich das Geschirr der letzten 3 Tage.
Da es im Kühlschrank nichts als verdorbene Lebensmittel hatte,
rief sie beim Pizzakurier an:
So konnte sie sich auch gleich das Abwaschen ersparen.

Sie sah ein, dass es so nicht weitergehen konnte und beschloss,
ihr altes Verhalten aufzugeben. Sie nahm sich fest vor, alle
anfallenden Arbeiten sofort und zügig zu erledigen, also z. B.
gleich morgens die Betten zu machen
oder sofort nach dem Essen zu spülen.

Tatsächlich gelang es ihr drei Tage lang,
ihrem Vorsatz treu zu bleiben.
Doch am vierten Tage merkte sie, dass sie wieder nicht den Tisch
abgeräumt und gespült hatte. Sie war erschrocken darüber, dass
sie hatte rückfällig werden können.

Das solle in Zukunft anders werden. Sie meinte, sie habe es sich
noch nicht genug vorgenommen, sich zu bessern und ihrem Vorsatz
habe es an Entschiedenheit gemangelt. Sie beschloss, nach einem
festen Ordnungssystem vorzugehen und sich strikt daran zu halten.

die daraus resultierende Enttäuschung führte zu einer
Verfestigung des Vorsatzes und zur weiteren Erhöhung der an sich
selbst gestellten Ansprüche.

Diesmal stellte sie bereits am zweiten Tag nach dem erneuten und
verstärkten Vorsatz fest, dass sie Arbeiten verschob und es sie
grosse Überwindung kostete, überhaupt etwas zu tun.

Lucia erschrak noch heftiger und beschimpfte sich, indem sie
sich willensschwach und inkonsequent nannte. Sie kam zu dem
Schluss, dass sie
eben nichts tauge und dass es für sie gar keinen Zweck habe,
sich Änderungen und Besserung ihres Verhaltens vorzunehmen:
"Ich schaffe es ja doch nicht."


Am nächsten Tag sah sie die Dinge wieder etwas rosiger:
"lm Wohnzimmer stört am meisten der Stapel mit den Zeitschriften.
Sobald ich sie gelesen habe, gebe ich sie zum Altpapier.
Dann sieht es wieder etwas wohnlicher aus."

Als sie gerade dabei war, das Altpapier zusammen zu legen, kam
ihr ein langgesuchtes Bastelheft in die Hände.
Oh ja... das habe ich soo lange gesucht...
das Bastelheft mit den Ostersachen.
Wunderbar, es ist ja erst Oktober
und die Weihnachtsbasteleien bringe ich sowieso
nicht bis Weihnachten fertig.
Sie fing mitten im Oktober mit Osterbasteleien an.
Und liess das Altpapier liegen.
Nicht nur das: Auch die Wäsche blieb liegen,
und gekocht wurde nur noch Dosenfutter.

Sie lud ihre Freundinnen nicht mehr zum Kaffeekränzchen ein, ihr
Partner traf sich mit seinen Freunden lieber in einer Kneipe und
fing an, zu joggen.
Ihre Kinder durften keine Kameraden mit nach Hause bringen.
Lucia schämte sich, dass sie den Haushalt nicht im Griff hatte.
Die Wäsche lag in der Badewanne. Wenn jemand ins Bad wollte,
musste er die ganze Wäsche herausnehmen, um sie dann nach dem
Duschen wieder hinein zu legen.
Bald fehlten im Kasten die Unterwäschevorräte
- gebügelte Hemden hatte es auch keine mehr.
Lucia ging und kaufte neue Kleider für die ganze Familie.

Das Chaos wurde grösser und grösser, die sozialen Kontakte weniger

Irgendwann vertraute Lucia sich einigen Freundinnen an,
die sie nur per Mail kannte.
Diese Freundinnen beschlossen spontan, ihr zu helfen.
Zusammen räumten sie einen Tag lang das ganze Haus auf. Nun war
eine Grundordnung da, die es erleichterte, jeden Tag in kleinen
Schritten dafür zu sorgen, dass das Chaos nicht wieder neu
entstehen kann.
Zudem hilft eine der Freundinnen regelmässig, die chaotischen
Stellen im Haushalt auf zu spüren und zu analysieren. Lucia hat
einen "Coach" bekommen- und genau das ist es,was sie braucht.
Menschen wie Lucia brauchen einen "Trainer" . Eine Person, der
ihr sagen und zeigen kann, wie sie trainieren muss. Einer, der
für sie da ist- und der ihr nicht einfach die ganze Arbeit abnimmt.

Lucia geht es heute gut.
Eine lange Leidenszeit ging zu Ende.

Jahrelang wollte sie etwas ändern durch einen blossen Willensakt,
ohne zu wissen, wo und wie der Hebel anzusetzen war.
Sie hatte sich nicht nur in Bezug auf die zeitliche Verwirklichung
ihres Vorsatzes Undurchführbares vorgenommen und zugemutet.
Sie hat nicht eine Minute darüber nachgedacht,
woher ihre Verhaltensweisen denn stammen.

Gerade Messies stellen an sich selbst zu hohe Forderungen und
Erwartungen und sind bei ihrer Nichterfüllung verzweifelt,
fühlen sich wertlos bis zum Selbsthass.
Wer Unmögliches, wer Über- menschliches von sich verlangt,
bringt überhaupt nichts zustande - auch das Menschenmögliche nicht.

Statt auf die wundersame Wandlung von heute auf morgen zu setzen
(Ich muss nur genug wollen), kann sich eine dauerhafte Umstellung und
Wandlung nur in kleinen Schritten vollziehen.


Es gibt Hilfe!

http://www.homemanagement.ch

Dieser Text war in der heutigen Mail : SusiSauber

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