Inneres Altes (Off Topic)

Lauke, Mittwoch, 16.09.2020, 16:15 (vor 1317 Tagen)

Meine Mutter hasst meinen Vater - bis heute

Mein Vater verabscheut Eigenschaften meiner Mutter - bis heute

War so ein Gefühl als würden jeweils 50 % von mir abgelehnt

das "Falsche" des anderen wurde vor mir geäußert

mein Bemühen ging dahin nicht auseinanderzureißen

später habe ich verdrängt
viel mit viel lernen und viel arbeiten zugeschüttet
auch mit vielen Aktivitäten: Sport, Chor, Freunden, Bekannten, Treffen...

später hat es mich doch wieder eingeholt

wie so ein Loch im Inneren,
das eigentlich mit Anerkennung und Liebe aus der Kindheit im Idealfall ausgefüllt sein sollte

das hab ich versucht zu stopfen, mit Essen, wenig Essen, gesund essen, Lesen, TV, Klamotten, Deko, Kram, Internet....

war nicht das Richtige

die Ablenkungen gelingen nicht mehr

ganz im Gegenteil

bei vielem, was ich tue, auch wenn es schöne Sachen sind, stehe ich wie neben mir
und frage mich, was mache ich hier eigentlich
auch und gerade im Kontakt mit Menschen
als wäre ich nicht richtig da,
sondern im Inneren beschäftigt, das Loch nicht noch mehr einreißen zu lassen, oder nach außen sichtbar werden zu lassen

Dieses Gedankenkarussel muss ich auflösen.

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Äußeres Frisches ?

Ruth @, Mittwoch, 16.09.2020, 17:20 (vor 1317 Tagen) @ Lauke

Hallo, Lauke,

Sprich, was hast heute schon geräumt , bb't oder so ?

Mir sind heute wieder dutzendweise Fläschchen umgefallen , aber alles gut, sie waren ja zu.

Ich glaube, wenn Du Chats möchtest, ähnlich wie gestern, mußt Du es uns nur rechtzeitig / frühzeitig ansagen.

Bis das dann durchsickert an jedeN und ob dann auch jedeR Zeit hat kann dann ja peu-a-peu Tag für Tag entschieden werden.
So die sachliche Art von Lucy hat mir gut gefallen gestern:
Loslegen, bevor man sich festschwatzt .

LG,Ruth

Frisches

Lauke, Mittwoch, 16.09.2020, 17:55 (vor 1317 Tagen) @ Ruth

Hallo Ruth,

bei mir heute BB unten
BB Keller
ein bißchen BB in meinem Zimmer

Stimmt Lucy war gestern sehr zupackend, sehr positiv, nicht lange rumreden, anfangen.

Dir einen schönen Abend wünscht
Lauke

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✴ ❄ ❉ ❋ Great ! ❋❉❄ ✴

Ruth @, Donnerstag, 17.09.2020, 10:28 (vor 1317 Tagen) @ Lauke


bei mir heute BB unten
BB Keller
ein bißchen BB in meinem Zimmer

Die vier Buchstaben hochbekommen und etwas tun, je nach Tagesform mehr oder weniger, ist dranbleiben.

Leider geht es das Verschwinden vom Clutter nicht immer so schnell, wie mensch es sich ungeduldig wünscht. In meiner alten SHG war der Spruch :

"Der Clutterberg ist nicht in einem Tag entstanden,
der wird auch nicht in einem Tag abzutragen sein."

für mich immer auch eine kleine Absolution "Ich tu was ich kann, ich hatte Zeit das So einzurichten und ich gebe mir ebenso Zeit das so wieder abzubauen."
Und das muß nicht perfekt sein, daas soll garnicht perfekt sein!
Paretoprinzip ist eine richtig feine Sache und ich habe rumgeschaut : "Die guten Hausfrauen" arbeiten ständig damit :-D

Wenn jemand etwas lernt, dann kann er es auch nicht von heute auf morgen und
ein Meister fällt nicht vom Himmel:
Erst ist da jemand , der jeden Tag übt und übt und übt ...oo
Diese betrachtungsweise hat auch geholfen, alles Können anderer mit neuen Augen zu sehen :

Wenn ich jetzt jemanden sehe, der etwas richtig gut kann oder bewältigt hat, kann ich dahinter Stunden, Tage, Jahre , Jahrzehnte des immer wieder Übens und Dranbleibens "sehen" und mein Respekt wächst !

Bleib dran !

Einen schönen Tag !

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Spruch (war bzw ist Great)

Micha @, Donnerstag, 17.09.2020, 11:40 (vor 1316 Tagen) @ Ruth

Die vier Buchstaben hochbekommen und etwas tun,
je nach Tagesform mehr oder weniger, ist dranbleiben.

Leider geht es, das Verschwinden vom Clutter, nicht immer so schnell,
wie mensch es sich ungeduldig wünscht. In meiner alten SHG war der Spruch ...

:-D Your home did not get trashed overnight and it is not going to be clean in a day :-)

für mich immer auch eine kleine Absolution "Ich tu was ich kann ... ich gebe mir .. Zeit ...

[image]

Tägliches Üben

Lauke, Mittwoch, 23.09.2020, 10:42 (vor 1311 Tagen) @ Ruth

Hallo Ruth und Micha,

das ist der Punkt:

Täglich üben, praktizieren, tun,

die kleinen Schritte, die ich machen möchte.

Dranbleiben.

Bis es zur Routine wird.

Das ist neu: Kleine Schritte, sich damit zufrieden geben.

Mit der Zeit werden es dann ja mehr.

Was tue ich bloß, wenn ich es oft anders mache?

Gibt es für mich dann einen anderen Weg?

Nö, ich glaube einen Mischweg.

Einen, mit den kleinen Schritten, langsam beständig, die hoffentllich irgendwann eine Routine sind, über die ich nicht mehr wirklich nachdenken muss.

LG von Lauke

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Tägliches Üben

Micha @, Mittwoch, 23.09.2020, 11:11 (vor 1311 Tagen) @ Lauke

Hallo Lauke,

*ähm* mir fällt jetzt erst auf, du hattest diesen Thread in der Kategorie "Off Topic" geschrieben, wieso?! Was macht dein Beitrag für dich dazu? Für mich ist er VOLL UND GANZ passend zum Thema des Forums ...

Was tue ich bloß, wenn ich es oft anders mache?

Gibt es für mich dann einen anderen Weg?

Nö, ich glaube einen Mischweg.

Es gibt deinen Weg *imo*

Einen, mit den kleinen Schritten, langsam beständig, die hoffentllich irgendwann eine Routine sind, über die ich nicht mehr wirklich nachdenken muss.

Und diesen gehst du (genauso wie du es schriebst) Schritt für Schritt, manchmal stehend bleiben, vielleicht auch mal zurückgehend und an der letzten Kreuzung dich doch für die andere Abzweigung entscheidend.

M i c h a

--
Du kannst die Brandung nicht aufhalten, aber du kannst surfen lernen.

Warum off topic

Lauke, Mittwoch, 23.09.2020, 11:23 (vor 1310 Tagen) @ Micha

Hallo Micha,

für mich war das off topic, weil das mein inneres schon altes trotzdem leider immer noch wieder vorhandenes Thema ist. Weil das ist für andere ja eher off topic, weil es bei denen eher etwas anderes ist....

Stimmt, der eigene Weg ist es.
Auf dem zu sein und zu bleiben...
habe ich über die Jahre glaube ich ziemlich verlernt.
Es gab wahrscheinlich immer mal Strecken, da war ich da drauf, aber öfter die Zeiten, in denen ich daneben her gestolpert bin.

Jetzt führt mein Weg ins Bad.

Liebe Grüße
von
Lauke

Tägliches Üben – ungefähr 90 Tage

Uschi @, Mittwoch, 23.09.2020, 12:35 (vor 1310 Tagen) @ Lauke

Hallo Lauke und alle anderen,

das ist der Punkt:
Täglich üben, praktizieren, tun,
die kleinen Schritte, die ich machen möchte.
Dranbleiben.
Bis es zur Routine wird.

auf ”SWR1BW Leute“ waren vor einiger Zeit, wenn ich mich richtig erinnere, zwei Neurologinnen im Studio.
Es ging um die täglichen Gewohnheiten und Umgewöhnung.

Ergebnis: es braucht ungefähr 90 Tage bis sich eine Routine gefestigt hat.

LG Uschi

Tägliches Üben – Routinen

Donna @, Donnerstag, 24.09.2020, 12:16 (vor 1309 Tagen) @ Uschi
bearbeitet von Donna, Donnerstag, 24.09.2020, 13:09

Also ich bin ein bisschen skeptisch, ob Routinen wirklich das "Allheilmittel" sind.
Oft höre ich Menschen klagen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Dann denke ich, ob das vielleicht daran liegt, dass jeder Tag ähnlich abgespult wird mit eingefahrenen Routinen.

Mir gefällt es besser, Dinge zu tun, die mich lebendig machen.

LG
Donna

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Welche "Routinen" sind gemeint ?

Ruth @, Donnerstag, 24.09.2020, 15:45 (vor 1309 Tagen) @ Donna

Hallo, Donna,

Also ich bin ein bisschen skeptisch, ob Routinen wirklich das "Allheilmittel" sind.
Oft höre ich Menschen klagen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Dann denke ich, ob das vielleicht daran liegt, dass jeder Tag ähnlich abgespult wird mit eingefahrenen Routinen.

Mir gefällt es besser, Dinge zu tun, die mich lebendig machen.

Ich glaube, Du meinst mit Routinen etwas ganz anderes , als in Bezug auf 'Messie' gemeint ist .

Das Du Mittwochs nach Möglichkeit einen Ausflug machst, ist eine Routine. Das macht Dich nicht unlebendiger, Du genießt das.

Gehen wir doch mal Micha's Weg und schauen im Synonymwörterbuch:

Aus dem Duden:

Synonyme: Erfahrung / Fertigkeit / Geübtheit / Gewandtheit / Know-how / Praxis /Technik /Übung /Vertrautheit /Automatismus /[blinde] Gewohnheit


Bedeutungen (3)

① durch längere Erfahrung erworbene Fähigkeit, eine bestimmte Tätigkeit sehr sicher, schnell und überlegen auszuführen

Beispiele
ihm fehlt noch die Routine
große, keine Routine haben
Routine zeigen
etwas mit Routine erledigen
über langjährige Routine verfügen

② abwertend:
[technisch perfekte] Ausführung einer Tätigkeit, die zur Gewohnheit geworden ist und jedes Engagement vermissen lässt


Beispiele
sein Spiel ist in Routine erstarrt
etwas ist zur [reinen] Routine geworden

③ Zeiteinteilung für den Dienst an Bord


EDV: meist kleineres Programm / oder Teil eines Programms
mit einer bestimmten, gewöhnlich häufiger benötigten Funktion

Sieht ein bisschen besser aus, oder ? :-D

Meine täglichen Putzroutinen schreibe ich auf.
Beispiel:
Es ist für alle und auch mich angenehmer auf eine saubere Toilette zu gehen.

Das erreiche ich durch eine tägliche Zehn-Sekunden-Routine - die ist angenehmer als nichts zu tun, denn dann wird die Toi schnell eklig und ich muß Urinstein und anderes mit dem Presslufthammer entfernen.
Und die Routine des Bettenmachens erfreut mich nach wieviel Minuten ?
Tägliches Spülen sorgt dafür, daß meine Lieblingstasse verfügbar ist und ich nicht innerlich gedemütigt für meine Gäste erstmal verschimmelte Tassen spülen muss.
Und einmal die Woche eine WaMa anmachen, läßt mich Unterwäsche und Socken verfügbar haben...


Um unsere ureigenen Strukturen finden zu können, sind Routinen dieser Art sehr hilfreich und manche Arbeiten werden dadurch schneller erledigt sein.

Dadurch habe ich viel mehr Zeit fürs Lebendigsein gewonnen.

Nach einer täglichen Stechuhr leben und mein ganzes Leben jeden Tag zur selben Uhrzeit auf die selbe Weise abzuspulen , möchte ich natürlich auch nicht. Ein paar Routinen hat /braucht jeder Mensch, sogar die, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren möchten.


Aber hey, die Zeit fliegt auch so ;-)


Liebe Grüße , Ruth

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Erich Mühsam "Das Lebensprogramm" ( Nur Anfang )

Ruth @, Donnerstag, 24.09.2020, 16:37 (vor 1309 Tagen) @ Ruth

Erich Mühsam, Das Lebensprogramm

Als Samuel Ehrenmann dreiundzwanzig Jahre alt war, beschloß er, seinen leichtsinnigen Lebenswandel aufzugeben und einen geregelten und gesitteten zu beginnen.

Sein Onkel Isaak, ein frommer und gescheiter Mann, hatte ihn auf dem Totenbett beschworen: „Samuel ! Samuel ! Laß ab von deinem sündigen Tun ! Siehe, ich trete vor unseren Herren; und wenn der mich fragt: und was macht Samuel, dein Neffe, den ich dir anvertraut hab, daß du, mein Knecht, ihn erziehst zu einem brauchbaren Mitglied, nu und so weiter, und so weiter – sag selbst, was soll ich antworten, da du doch nicht tust nach Gottes und meinen Worten, da du doch schwelgst eine Nacht wie die andere in Wirtshäusern und mit unmoralischen Freunden und Freundinnen und das Geld verprassest, wie es deinen Väter taten. Samuel, ich sage dir, werde moralisch ! Samuel, ich sage dir, werde regelmäßig !“

Samuel nahm sich diese Worte zu Herzen und versprach zu halten, was gute Sitte und praktischer Sinn verlangten. Als er das gelobt hatte, sank Onkel Isaak in die Kissen zurück und schloß befriedigt die Augen. Samuel Ehrenmann begrub seinen Onkel Isaak mit aller Feierlichkeit und in dankbarer Ehrfurcht. Darauf setzte er sich an seinen Schreibtisch und entwarf einen Plan, nach dem er in Zukunft zu leben gedachte.


Er schrieb auf, wann er des Morgens aufstehen wollte, setzte seine Frühstücks-, Mittags- und Abendbrotzeit fest, sogar für einen täglichen Spaziergang ins nahe Gehölz, überschlug, wieviel Arbeit er in der vorgesehenen Zeit jeden Tag leisten könnte, bestimmte danach den Arbeitsplan für sein Leben, berechnete aus den Zinsen seines Vermögens und den Einnahmen seines Arbeitsverdienstes seine Ansprüche an die Welt, verfügte anhand dieser Berechnungen seinen letzten Willen und dachte an alles, was zu einem behaglichen, friedlichen, regelmäßigen und moralischen Lebenswandel gehört.

Mit siebenundzwanzig Jahren wollte er heiraten. Genau setzte er das Datum der Verlobung und der Hochzeit fest, beschloß, vier Kinder zu zeugen, entwarf einen detaillierten Erziehungsplan für sie, bestimmte auch das Festprogramm für seine silberne und goldene Hochzeit und gedachte schließlich am 27. Oktober des Jahres zu sterben, in dem er am 5. Juni sein fünfundachtzigstes Lebensjahr vollendet haben würde, ergeben in Gottes Willen, beweint von Gattin, Kindern und Enkeln, insgesamt zweiundzwanzig Hinterbliebenen.....



Erich Mühsam

"Das Lebensprogramm" - Bin gespannt auf die Fortsetzung! -:)

Donna @, Donnerstag, 24.09.2020, 16:48 (vor 1309 Tagen) @ Ruth

- kein Text -

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Erich Mühsam "Das Lebensprogramm" ( 2)

Ruth @, Donnerstag, 24.09.2020, 17:49 (vor 1309 Tagen) @ Ruth

Das Programm umfaßte eng geschrieben einen Band von 1743 Seiten, die sich Samuel in Schweinsleder binden ließ. Als der Buchbinder seine Arbeit getan hatte, begann jener nach dem Programm zu leben, und er sah, daß er nichts zu bestimmen vergessen hatte. Das Buch gab ihm, wenn es nötig war, die Erlaubnis, sich einen neuen Rock zu kaufen, es wußte, wie oft sein Hut des Bügelns bedurfte, wann das Schuhwerk besohlt und das Hemd gewaschen werden mußte. Alles, bis ins kleinste alles war vorgemerkt. Denn der Geist Onkel Isaaks hatte Samuel die Feder geführt.


Ein Jahr nach dem anderen schwand dahin, und an jedem Neujahrstage – für diesen Tag hatte ihn das Programm von allen anderen Arbeiten dispensiert – prüfte Samuel Ehrenmann, ob er getan, wie es geschrieben stand. Und an jedem Neujahrstage kam er zu dem Ergebnis, daß er mit sich zufrieden sein dürfe und daß ihn sein Lebensprogramm niemals im Stiche gelassen habe. So wurde er alt und grau und lebte programmgetreu weiter an der Seite seiner lieben Frau, die sich den Bestimmungen des Schweinslederbandes verständ-nisvoll angepaßt hatte, umringt von seinen vorschriftsmäßig erzeugten und erzogenen Kindern und Enkeln.


Allgemach fühlte Samuel die Zeit nahen, da er sterben mußte.
Er durfte schon die Gicht bekommen, denn er war vierundachzigeinhalb Jahre alt. Aber das Reißen stellte sich nicht ein, und Samuel, der gar nicht in Erwägung zog, daß sein Programm sich etwa irren könnte, nahm an, daß bei ihm die Gicht schmerzlos und knötchenfrei aufträte, rieb also morgens und abends Knie und Schultern mit Opudeldok und Ameisenspiritus ein – wie es geschrieben stand.


An seinem fünfundachtzigsten Geburtstage schlug er den Leitfaden seines Lebens auf, berief nach dessen Maßgabe alle Familienmitglieder um sich und las mit lauter, etwas zitternder Stimme – so wurde es darin verlangt – diese Ansprache vor:

„Geliebte Gattin, treue Kinder, gute Kindeskinder! Seht, heute am 5. Juni dieses gesegneten Lenzes vollende ich mein fünfundachtzigstes Lebensjahr, und da ich am 27. Oktober dieses gleichen Jahres zu meinen Vätern und zu unserem in Gott ruhenden Onkel Isaak heimgehen muß, so könnt ihr ausrechnen, daß die Frist, die der Himmel mir noch gesetzt hat, heute genau vier Monate, drei Wochen und einen Tag beträgt. Diese Zeit ist mir bestimmt, um mich zum Tode vorzubereiten.

Dazu habe ich vor allen Dingen meine finanziellen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und jedem von euch zuzuteilen, was ihm aus meinem Nachlasse zufallen soll. So überreiche ich euch hier je eine spezielle Berechnung seines Erbschaftsanteils.“

Damit entnahm Samuel gemäß der Programmordnung diese zweiundzwanzig Scheine und verteilte sie unter dem Umstehenden. „Mir selbst“ fuhr er fort, „reserviere ich nun soviel, wie ich für den Rest des Lebens gebrauche. Das macht täglich 1 Mark 65 Pfennige, für die 144 Tage also, welche mir noch beschieden sind, 237 Mark und 60 Pfennige. Wenn diese Summe aufgebraucht sein wird, werde ich mich auf meine Chaiselongue legen und alsbald einschlafen. Um 5 Uhr 42 nachmittags wird ein durch Altersschwächen verursachter Herzschlag meinem Dasein ein Ende setzten.

Du, meine heiß-geliebte Gattin, treue Lebensgefährtin, Mutter meiner Kinder und Ahne meiner Enkel, wirst mich auffinden und an den Folgen des Schreckens, der dir in einem Alter nicht mehr zuträglich ist, in 2 Monaten, einer Woche und 5 Tagen, demnach am 8. Januar des kommenden Jahres, mir in die ewige Seligkeit folgen; dein Erbschaftsanteil ist dementsprechend bemessen worden.

Über die Begräbnisfeierlichkeiten findet ihr alles Nähere auf Seite 1698 bis 1727 dieses Programms. Das herrlichste Vermächtnis aber, das ich euch zu hinterlassen habe, ist der Hinweis auf meine Erdenlaufbahn, die ich glaube geführt zu haben im Sinne unseres seligen Onkels, Großonkels und Urgroßonkels Isaak.

Nehmt euch sein und mein Vorbild zu Beispiel und geht jetzt an eure Beschäftigung, wie ich an die meinige zu gehen gedenke, die ich mir vor zweiundsechzig Jahren in diesem Schweinslederbande vorgezeichnet habe.“

Der Alte schwieg, und in tiefer Rührung ging die Familie auseinander. Die Teilung der Erbschaft wurde in den hierzu im Programm bestimmten Stunden vorgenommen, und Samuel Ehrenmann sah ruhig und gefaßt, bei einem Geldverbrauch von 1 Mark 65 Pfennigen, seiner Auflösung entgegen. Die Geschichte verlief weiterhin schmerzlos und ohne sichtbare Merkmale.

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Erich Mühsam "Das Lebensprogramm" ( 3)

Ruth @, Donnerstag, 24.09.2020, 17:50 (vor 1309 Tagen) @ Ruth

Der 27.Oktober war da. Um 4 Uhr 55 Minuten kehrte Samuel vom Postamt heim, wo er für die letzten 20 Pfennig seiner 237 Mark 60 eine Briefmarke gekauft und auf das seit seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr versandfertige Schreiben geklebt hatte, das sein Ableben dem Standesamt kundtat.


Rüstig erhobenen Hauptes begab er sich in sein Zimmer und legte sich auf die Chaiselongue. Um 5 Uhr 16, ganz nach Vorschrift, schlief er ein, und seine kräftig schnarchenden Atemzüge kündeten der im Nebenraum harrenden Frau Ehrenmann, daß die Stunde gekommen sei, da ihr Gatte ins Jenseits hinüberschlummerte. Sie sah nach dem Regulator. Punkt 5 Uhr 43, eine Minute nach dem planmäßigen Abgang mit Tode, erhob sie sich zu dem hoffnungslosen Versuch, den Schläfer zu wecken.

Langgezogene sängende Töne schwollen ihr schon an der Tür entgegen, und tränenden Auges, tief gebeugt blieb Frau Ehrenmann vor dem Schlummernden stehen, ihr Los beklagend, sich im nächsten Augenblick als seine Witwe erkennen zu müssen.

„Samuelchen“, hauchte sie bewegt, und als er keine Antwort gab, sondern, den Atem laut durch die Nase ziehend, sich auf die andere Seite warf, da schrie sie vor Schmerz überwältigt auf: „Samuel! Mein Geliebter! Du bist tot ! Oh, ich Ärmste! Ich unglückselige Witwe !“


Jammernd und schluchzend war sie sich über ihn, von dem teuren Toten auf ewig Abschied zu nehmen. Da schlug Samuel die Augen auf.


Entsetzt starrte die Gattin ihn an. „Samuel!“ kreischte sie. „Aber Samuel ! Bist du denn noch nicht tot?! Und dein Programm - ?! Samuel !!“


Ratlos blickte der Erwachte in die verweinten Augen seiner Frau. Da betrat auch schon verstört und bleich, wie es befohlen war, und bereits schwarz gekleidet, die ganze Familie das Sterbezimmer.


„Denkt euch nur“, klagte Samuel, „ich bin gar nicht gestorben !“
„Nicht ?“ fragten Kinder und Enkel schauernd. „Und das Programm?
„Nein, nein – trotzdem! “ Ungläubig umstanden die Hinterbliebenen das Sterbelager.


Da erhob sich Samuel Ehrenmann von der Chaiselongue, hob gewaltig die Arme in die Höhe und rief: „Gebt mir mein Geld zurück, ihr Erbschleicher !“

Da Samuels Programm eine Programmwidrigkeit nicht vorgesehen hatte, war die friedliche Eintracht, die so lange über der Familie Ehrenmann gewaltet hatte, vernichtet. Frau Ehrenmann und Samuels zweiundzwanzig Hinterbliebene warfen den Alten aus dem Hause, das ihm nicht mehr gehörte. Mit Hilfe eines Rechtsanwalts und der Besatzung der nächstgelegenen Polizeiwache warf alsdann Samuel Ehrenmann seine Erben aus dem Hause, das ihnen noch nicht gehörte.

Am 8. Januar, ihrem programmgemäßen Todestage, schloß sich Frau Ehrenmann der Prozeßpartei ihres Gatten an. Der Staatsanwalt seinerseits schritt gegen Samuel ein wegen einer Falschmeldung beim Standesamt. Die gesamte Erbmasse verschwand allmählich in den Kassenschränken der prozessierenden Advokaten, die heute noch um den Ertrag des inzwischen subhastierten Ehrenmannschen Hauses untereinander prozessierten. Der Umfang der in Sachen Ehrenmann contra Ehrenmanns Erben angehäuften Akten übersteigt längst den des Schweinslederbandes, dessen Versagen in einem einzigen Punkte all die Verwirrung hervorgerufen hat.

Nachdem Samuel Ehrenmann seine Gefängnisstrafe wegen Irreführung einer staatlichen Behörde abgesessen hatte, fand er Aufnahme in einem Asyl für schwachsinnige Greise, wo er an einem wissenschaftlichen Werk über die Gicht als betrügerische Vorspiegelung von Erbschleichern arbeitet. Was Frau Ehrenmann betrifft, so wurde ihr auf dem Vergleichswege die Chaiselongue zugesprochen, auf welcher sie ihr Samuel nicht zur Witwe werden ließ.

Sie verbringt ihren Lebensabend in einem Heim für verlassene Matronen und klöppelt dort für das gerettete Möbelstück eine moderne schwarzumränderte Chaiselonguedecke.

Erich Mühsam

Erich Mühsam "Das Lebensprogramm" ( 3)

Donna @, Donnerstag, 24.09.2020, 21:08 (vor 1309 Tagen) @ Ruth

Ja ja, so kann's gehen mit den Programmen.


Ist das ganze Stück von 1 Autor?

Bis

Jammernd und schluchzend war sie sich über ihn, von dem teuren Toten auf ewig Abschied zu nehmen. Da schlug Samuel die Augen auf.

ist es ein Duktus, aber der Rest ab

Entsetzt starrte die Gattin ihn an. „Samuel!“ kreischte sie. „Aber Samuel ! Bist du denn noch nicht tot?! Und dein Programm - ?! Samuel !!“

klingt ganz anders.

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Erich Mühsam

Ruth @, Freitag, 25.09.2020, 04:29 (vor 1309 Tagen) @ Donna

Am 6. April 1878 wurde Erich Mühsam in Berlin geboren.
Im KZ Oranienburg in der Nacht zum 10 Juli 1934 von der Nazi-SS brutal ermordet.


Wenn Du Dir die Jahreszahlen anschaust, kannst Du erkennen, warum Dich der Text wahrscheinlich stilistisch etwas irritiert.
Zum einen ist die Geschichte ja schon sehr 'abgehoben', satirisch geschrieben.
Zum anderen war die Sprachbenutzung vor rund 100 Jahren eine ganz andere als heute.


Du kannst Texte von ihm im Projekt Gutenberg nachlesen:

Appell an den Geist. Texte und Geschichten
Briefe
Die Psychologie der Erbtante
Gedichte
Judas (Auszüge)
Kalender für 1913 (Gedicht)
Schüttelreime
Tagebücher 1910-1924
Unpolitische Erinnerungen
Namen und Menschen. Unpolitische Erinnerungen (andere Quelle)

Welche "Routinen" sind gemeint ?

Donna @, Donnerstag, 24.09.2020, 16:45 (vor 1309 Tagen) @ Ruth

Hallo Ruth,

jetzt bringst du mich etwas ins Schleudern mit deiner Frage ... ;-)
Ich glaube, es war die von Uschi zitierte Neurologin mit ihren 90 Tagen, die eine neue Routine brauche. Das klingt für mich so verzwungen.

Klar brauchen wir Routinen, um nicht jeden Tag und jede Woche das Rad bzw. das Leben neu zu erfinden; deine Beispiele zeigen das. Aber haben sich diese Routinen nicht einfach sinnvoll entwickelt, indem wir sie gemacht haben und weiterhin machen?

Schon so oft habe ich eine neue Routine einüben wollen: jeden Tag 10 Min. Post - jeden Tag eine 10-Min.-Challenge - jeden Abend spülen usw. Das ging einige Tage oder sogar Wochen gut, aber dann habe ich es nur noch als Zwang empfunden. Nichts von neuer Freiheit.
Deshalb meine Skepsis.

Danke fürs Nachfragen und mich nochmal zum Nachdenken Bringen!

LG
Donna

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;) Gerne , LG Ruth

Ruth @, Donnerstag, 24.09.2020, 17:52 (vor 1309 Tagen) @ Donna

- kein Text -

Tägliches Üben – Routinen – Abwechslung (@Donna)

Uschi @, Freitag, 25.09.2020, 09:38 (vor 1309 Tagen) @ Donna

Guten Morgen liebe Donna,

Also ich bin ein bisschen skeptisch, ob Routinen wirklich das "Allheilmittel" sind.
Oft höre ich Menschen klagen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Dann denke ich, ob das vielleicht daran liegt, dass jeder Tag ähnlich abgespult wird mit eingefahrenen Routinen.

Mir gefällt es besser, Dinge zu tun, die mich lebendig machen.

spontan meine Gedanken dazu. Ich denke, eine gute Mischung aus Routine und Abwechslung – das ist das Leben.

Die Morgenrunde ist Routine. Ob ich anschließend einen Termin habe, oder Arbeit (egal welche) zu erledigen ist, ist meiner Planung überlassen. Ich putze nicht täglich die Fenster, wechsle nicht täglich die Bettwäsche, fahre nicht täglich zum Einkaufen oder oder oder …

LG von Uschi :-)

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