Meine Mutter ist ein Messie (Angehörige)

Mario, Montag, 17.02.2003, 17:11 (vor 7732 Tagen)

Liebes Forum!

Ich bin erst vor Kurzem auf die Idee gekommen mal im Internet nach einem Forum dieser Art zu suchen. Ich habe erst erfahren daß es viele Betroffene gibt, nachdem ich Messies im Fernsehen gesehen habe. Es tut gut zu hören daß man doch nicht so alleine mit diesem Problem ist!!!

Meine Mutter ist ein Messie. Das Ganze muß etwa 1975 angefangen haben als ich ganz klein war. Soweit ich vermute war meine Mutter damals mit mir und meiner älteren Schwester überfordert, dazu noch die Schwiegermutter, Haushalt, Eheprobleme und was weiß ich was.
Ich (Jahrgang 73) kann mich noch gaaaaanz dunkel daran erinnern, daß die Wohnung mal "so gut" aussah, daß wir Besuch von unserem Pastor haben konnten, vielleicht 1976. Seitdem habe ich einmal einen Freund in die Wohnung geschmuggelt (wir waren damals etwa 8 und mein Freund war entsetzt), und es waren in der Zwischenzeit diverse Handwerker da (die sich natürlich nicht mit Kommentaren zurückhielten).

Ich bin also von klein auf im Dreck großgeworden. Es gibt in der 90qm-Wohnung meiner Eltern kaum einen Meter freie Fläche, das Wohnzimmer ist unbewohnbar seit ich denken kann, Wäscheberge bis zur Decke. Größtenteils alte Baby- und Kinderwäsche von mir und meinen beiden Schwestern, von denen sich meine Mutter nicht trennen kann. Die Ehebetten im Schlafzimmer kann man kaum erreichen, erst mal die Tür aufkriegen mit den Wäschebergen dahinter, und dann über die Wäscheberge ins Bett klettern. Tagsüber werden auf dem Bett Wäscheberge gestapelt, die meine Mutter jeden Abend in die Küchen-Eßecke schleppt und morgens zurück aufs Bett.
In den Schränken hängen nur alte Kleider von ca. 1960 - 1970, die natürlich nicht weggegeben werden dürfen. Alle "aktuellen" Klamotten sind im Wohnzimmer oder Schlafzimmer gestapelt.
In Küche und Kinderzimmer kann man sich nur auf Pfaden bewegen, die links und rechts mit Kisten und verstaubten Tüten von Annopief gesäumt sind. Die Küchenschränke kann man größtenteils nicht mehr öffnen weil alte Tüten und Kartons davorstehen, also werden Geschirr und Töpfe in die Staubflusen links und rechts gestellt. Die Hälfte des Küchentisches ist gesäht voll alter Grundschulmitteilungen und Einkaufszettel, viele noch von 1980!

Als Kind wurde mir manchmal von meiner Mutter gesagt daß ich das alles schuld bin, weil ich als Baby sehr oft krank war und meine Mutter für nichts mehr Zeit hatte.
Ich weiß nicht wann ich verstanden habe daß etwas nicht bei uns stimmt und wirklich alle anderen Kinder die ich kannte ordentliche Wohnungen hatten. Ich habe dann meine Freunde angelogen und gesagt daß meine Eltern keinen Besuch in der Wohnung möchten, ich habe meine ehemalige Freundin vier Jahre lang angelogen wenn sie mich mal zu Hause bei meinen Eltern besuchen wollte und ich lüge auch meine heutige Partnerin an, sie ahnt nichts von dem Problem ihrer Schwiegermutter.

Ich wollte mich als Kind umbringen, weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe. Nachbarn haben natürlich angefangen zu reden, irgendwann kriegt man ja mal einen Blick in die Wohnung mit. Andere Kinder haben gefragt und als Kind gibt man halt ehrliche AntwortenEs war mir immer so entsetzlich peinlich wenn jemand zum Heizungablesen kam und sich erst mal durch den Müll schieben mußte. Meine Mutter machte immer das normalste Gesicht der Welt, so schlimm ist das ja gar nicht, aber ich hätte im Boden versinken können. Ich hatte als Kind oft Angst daß so ein Handwerker das alles den Nachbarn weitererzählt und alle über uns reden. Es war mir einfach unbeschreiblich peinlich, aber ich konnte nichts daran ändern!

Als meine kleine Schwester 1982 in das Chaos hineingeboren wurde, wollte ich sogar mal beim Jugendamt anrufen. Einfach damit mal einer kommt und meiner Mutter sagt daß das alles nicht normal ist. Ich habe mich aber nicht getraut weil ich dachte daß die uns Kinder sofort ins Heim stecken und die Katzen ins Tierheim und dann habe ich die Familie kaputt gemacht.

Mittlerweile ist meine große Schwester per Studium in eine weit entfernte Stadt abgehauen, ich bin ebenfalls mit 20 mit der "Erstbesten" zusammengezogen, und meine kleine Schwester ist jetzt seit ein paar Monaten zu Hause raus.

Ich habe mittlerweile Abstand zum Messie-Problem meiner Mutter gewinnen können, da ich ja nicht mehr damit leben muß. Meine Partnerin kennt mich jetzt fast 10 Jahre und wir leben schon einige Jahre zusammen. Mittlerweile könnte ich mir fast vorstellen ihr zu sagen was wirklich los ist.
Aber dann denke ich immer daran daß sie eigentlich gut mit meiner Mutter klarkommt, und ich möchte nicht daß sie jetzt in ihren Augen zur Mega-Schlampe wird. Aber das ist sie ja eigentlich!

Ich habe Angst daß es Ärger gibt, wenn ich mal Kinder habe. Ehrlich gesagt möchte ich nicht, daß sie in die Wohnung meiner Eltern kommen. Das würde ich keinem Lebewesen zumuten! Vor allem soll ich meine Partnerin dann draußen im Treppenhaus warten lassen weil es zu peinlich ist? Und die Kinder werden auch größer. Ich weiß ja noch welche Belastung es für mich war, dieses schlimme Geheimnis nie mit irgendjemand teilen zu können.
Aber wie soll ich das meiner Partnerin und vor allem ihrer Familie erklären? Ihre Mutter ist die Super-Hausfrau, da wird zweimal täglich mit Sagrotan geputzt. Und bei meiner Mutter kriegen die Kinder dann Allergien und Staubmilben... Das möchte ich nicht.

Ich würde ja auch meinen Eltern wünschen daß sie ihren Lebensabend in vernünftigen Verhältnissen leben können. Mein Vater ist gerade in Rente gegangen und meine Mutter war sowieso Hausfrau seit dem ersten Kind. Die beiden hätten also spätestens jetzt die Zeit, sich mit den Chaos auseinanderzusetzen.
Mein Vater redet auch immer davon, aber wenn er irgendeinen Karton durchsehen will macht meine Mutter nur Theater, heult und schimpft. Ich glaube er hat das schon vor langer Zeit aufgegeben.
Meine beiden Schwestern haben natürlich auch sehr unter der Situation gelitten, aber sie haben sich örtlich entfernt und damit eh´ weniger Kontakt zu unseren Eltern. Ich weiß nicht wie die die Sache mit den Enkelchen sehen.

Wie kann ich meiner Mutter helfen? Sie selbst sieht ihre Situation als total normal an, zumindest redet sie sich das ein. Sie sagt heute noch, daß das ja nur an den kleinen Kindern lag und der vielen Arbeit damals. Aber "damals" war vor über 20 Jahren!!!!
Sie ist nicht in der Lage, irgendeine Aufgabe im Haushalt gezielt durchzuführen. Sie fängt hundert Dinge an, läßt alles liegen, kommt in Streß und das war´s dann.
Ich kann mir nicht vorstellen daß man sie zu einem Gespräch mit einem Therapeuten kriegen könnte, das würde sie als Quatsch abtun, außerdem hat sie ja keine Zeit. Und es gibt ja auch kein ProblemEine Selbsthilfegruppe wäre auch nichts, da sie ja nicht einsieht daß man etwas ändern muß.
Gibt es gute Bücher oder Videos? Ich möchte sie ja nicht damit quälen sich mit ihrem Problem auseinanderzusetzen, aber sie muß erkennen daß es eines ist! Und vor allem daß es Hilfe gibt!!!

Dieser Beitrag ist doch um einiges länger geworden als gedacht, aber ich schreibe mir hier gerade zum ersten Mal im Leben diesen riesigen Klotz von der Seele. Dieses Forum hat mir Mut gemacht, doch nochmal zu kämpfen.
Ich freue mich über jede Rückmeldung von Euch, eigene Erfahrungsberichte oder Tipps. Zum Beispiel, wie bringt man sowas seinem Partner bei???

Es tut gut zu wissen daß dieses Problem nicht so einmalig ist. Das hätte ich als Kind wissen müssen, ich war oft total verzweifelt.

So, das wars jetzt erst mal mit meinem Roman. Weitere Fragen beantworte ich gerne.
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit und auch für alle Antworten und Ratschläge!

Gruss Mario

Re: Danke für den offenen Bericht, ...

Frieda, Montag, 17.02.2003, 23:52 (vor 7732 Tagen) @ Mario

lieber Mario. Leider schaffe ich es im moment nicht, dir auf deine Gedanken und Fragen zu antworten.

Liebe Grüße Frieda

Re: Meine Mutter ist ein Messie

rutzi, Dienstag, 18.02.2003, 21:18 (vor 7731 Tagen) @ Mario

Hallo Mario,

eigentlich ist dies ja nur ein Forum für Angehörige, ich bin selber Betroffene; aber ich möchte Dir dennoch eine kurze Rückmeldung aus meiner Sicht geben.

Dein Bericht hat mich wirklich ganz betroffen und beschämt gemacht !!! Man merkt, wie sehr Du als Kind gelitten hast und offensichtlich auch heute noch leidest. Aber Du brauchst Dich doch nicht vor Deiner Partnerin wegen Deiner Mutter zu schämen; Du kannst doch nichts für Deine Mutter !!! Vielleicht reagiert Deine Partnerin ja auch ganz anders als Du erwartest ?

Die Reaktion Deiner Mutter auf das Verhalten Deines Vaters (der ja wohl versucht, die Wohnung aufzuräumen) kenne ich nur zu gut. Ähnliche "Kämpfe" hat es - und gibt es auch noch - zwischen mir und meinem Lebensgefährten gegeben. Aber mein Therapeut (ich habe mich seinerzeit zu einer ambulanten Verhaltenstherapie entschieden), hat mir deutlich gemacht, dass die Konfrontation in meinem Fall der einzige Weg ist. Für mich war dieser "Kontrollverlust" insbesondere zu Anfang der blanke Horror. Ich hatte Heulkrämpfe, Panikattacken, zitterte am ganzen Körper und habe gedacht, ich müsste sterben. Mein Therapeut hat immer gesagt, ich müsste da durch und würde feststellen, dass ich eben doch nicht sterben müsste (zumindest nicht deswegen). Und siehe da - ich habe tatsächlich jedesmal überlebt. Ganz so einfach ist es zwar nicht - es bleibt ein ständiger Kampf - aber mit jedem Müllbeutel, der weggeht, sinkt auch die Angst.

Problematisch ist allerdings, dass bei Deiner Mutter - zumindest nach außen - jegliche Einsicht zu fehlen scheint. Vielleicht druckst Du ihr einfach mal Deinen Bericht aus, den Du ins Forum gestellt hast; vielleicht ahnt sie ja gar nicht, wie sehr sie andere durch ihr Tun (oder Nichttun) belastet.
Und vielleicht hilft es ihr ja auch, wenn sie erfährt, dass sie nicht alleine mit ihrem "Zeitmangel" da steht.

Vielleicht "versprichst" Du ihr ja auch ein Enkelchen, wenn sie ihre Wohnung in den Griff bekommt ? Das wäre doch sicherlich ein "lohnender" Anreiz für Deine Mutter. In diesem Sinne - toi, toi, toi - ;-)

Es wäre schön, wieder von Dir zu hören
LG, Rutzi

Re: Meine Mutter ist ein Messie

Ulla, Donnerstag, 20.02.2003, 18:22 (vor 7729 Tagen) @ Mario

Hallo Mario,

mir ging es wie Dir, als ich zum ersten Mal auf diese Seiten kam, es tat mir gut zu merken, dass es auch andere Betroffene gibt.

Ich kann mir Deinen Ärger, Deine Wut und Deine Hilflosigkeit als Kind und auch jetzt gut vorstellen. Wir Angehörigen fühlen uns den Verhaltensweisen eines Messie gegenüber oft ohnmächtig. Bitten, Appelle, Forderungen, Streit ändern am Verhalten des Messie nicht wirklich etwas, das musste ich im Laufe der Jahre mit meinem Mann feststellen. Die Probleme haben ihre Ursache in der Seele, und die erreichen wir mit unseren Appellen nicht, im Gegenteil.

Aber mir drängte sich sofort die Frage auf: Wie konnte Dein Vater all die Jahre in dieser Umgebung leben? Wollte er sich nie von Deiner Mutter trennen?

"Als Kind wurde mir manchmal von meiner Mutter gesagt daß ich das alles schuld bin, weil ich als Baby sehr oft krank war und meine Mutter für nichts mehr Zeit hatte."

Das ist natürlich Quatsch. Messies neigen oft dazu, anderen die Schuld für ihre Probleme zu geben, sie wollen ihren eigenen Anteil einfach nicht sehen. Für Angehörige ist das schon ein starkes Stück...Erst recht für ein Kind. Sicher warst Du als Kind hin- hergerissen zwischen Liebe zu Deiner Mutter und Verzweiflung über die Umgebung, die sie Euch zumutete. Du musstest alles aushalten, um die Familie nicht kaputt zu machen.

Es ist schlimm, wenn man sich seines Elternhauses oder seiner Wohnung schämen muss. Aber mit einem gewissen Abstand, den Du ja jetzt hast, wird es Dir immer leichter fallen, mit Außenstehenden über das Problem Deiner Mutter zu sprechen. Ihr Verhalten ist ja nicht "Schlamperei" oder "Faulheit", sondern eine Krankheit, für die sie ja erst mal nichts kann. Wenn Du Deiner Partnerin oder auch anderen Freunden erklärst, dass Deine Mutter eine Krankheit hat, unter der Du als Kind sehr gelitten hast, für die Du aber nicht mehr zuständig bist, werden sie sicher Verständnis haben. Je mehr Du selbst über diese Krankheit weißt, umso besser kannst Du andere informieren.

Unter www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/SUCHT/Messie.shtml und www.femmessies.de findest Du Informationen über diese Krankheit. Mir haben diese Seiten sehr geholfen. Ich habe sie auch meinem Mann zu lesen gegeben (auch er wollte lange nicht wahrhaben, dass etwas nicht stimmt, er habe nur zu wenig Zeit aufzuräumen etc, etc) und er erkannte sich in vielen beschriebenen Merkmalen wieder. Der erste Schritt war getan. Das Problem in den Griff zu kriegen, braucht allerdings einen langen Atem
Vielleicht reagiert Deine Mutter doch nicht so ablehnend, wenn Du sie auf die Möglichkeit einer Therapie ansprichst. ("Stell Dir vor, wie schön Ihr es haben könntet...") Und wenn sie doch ablehnt, darf Dich das nicht zu sehr belasten. Natürlich sollst Du ihr helfen, aber sie selbst ist zuständig für ihr Leben und außerdem noch Dein Vater, aber nicht die Kinder. Das machte mir mal ein Familientherapeut klar. Er meinte, natürlich seien unsere Kinder vom Messie-Problem ihres Vaters betroffen (beide sehen es mittlerweile auch sehr kritisch), für die Lösung können und dürfen sie aber keine Verantwortung tragen. Die kommt nur den Eltern zu. Also - Du kannst Deine Hilfe anbieten, vielleicht hat Dein Vater nur auf so einen Anstoß gewartet - aber verantwortlich bist Du nicht. So sehe ich das jedenfalls.

Ich hoffe, Du kommst für Dich und auch für Deine Eltern einen Schritt weiter!

Herzliche Grüße Ulla

Re: Meine Mutter ist ein Messie

Christian, Samstag, 22.02.2003, 00:19 (vor 7728 Tagen) @ Mario

Lieber Mario,

ich stoße zufällig auf diese Seite, aber es sollte vielleicht so sein. Ich bin Jahrgang 60 und in einer ebensolchen Situation wie du aufgewachsen. Immer eine Lüge, warum es nicht mit den Freunden rein gehen könne. Ein schwacher Vater, der es aufgegeben hatte, sich durchzusetzen. Die Erklärung, daß das alles von den Bombenangriffen und der verbrannten Puppe käme und was weiß ich. Hysterische Anfälle, dann wieder erdrückende Liebe.
Immerhin aber eine Familie, wenn auch unter komischen, belastenden Umständen. In anderen Familien wird gesoffen, in anderen geschlagen, in anderen ist der Krebs zu Hause. Viele Familien zerbrechen ganz - nur weil es so häufig ist, muß man es nicht als normal abtun, es ist für diese Kinder sicher ne schlimme Erkenntnis, daß Mama oder Papa jetzt nen anderen/ ne andere fickt und daher sich nicht mehr für einen interessiert. Uns hat es halt so erwischt. Schicksal.
Heute lebt meine Mutter alleine in dem recht großen Haus, auch noch das letzte Zimmer ( unsere Individualzimmer hatte sie zum Glück nie geschaft, so daß man wenigstens sein eigenes ordentliche Reich hatte... ) ist zugemüllt und jetzt lasse ich sie drin "verfaulen". Sie will so leben...soll sie! Nicht mehr mein Bier.
Soviel dazu, nun zu dir: Ich weiß nicht, ob wir - also die Kinder - auch nen Hau haben, aber einen Rat will ich dir geben: Mach dich von der Lügerei frei, mach dich heute, da du nicht mehr in der Wohnung gefangen bist, nicht noch immer zum Mitspieler. Es muß völlig selbstverständlich sein, daß du mit deiner Partnerin darüber redest. Hey, das ist die Frau, die deine Furzerei erträgt, warum soll sie nicht auch noch das ertragen.
Und, Mario, fang nicht das Jammern an, sei ein Mann und löse dich von deiner Mutter, wende dich DEINEM Leben und DEINER Frau zu. Sei ein Vater für DEINE Kinder. Deine Mutter ist Vergangenheit. Ehre sie, aber sieh nach vorne. Jedenfalls bist du nicht der einzige Mensch, der das erlebt hat, da mach dir mal keine Sorge.
Schönen Gruß

Christian

Re: Meine Mutter ist ein Messie

Mario, Montag, 24.02.2003, 15:02 (vor 7726 Tagen) @ Mario

Hallo liebes Forum!

Erst mal vielen Dank für Eure Antworten und Gedanken bezüglich meinem Postings!!!
Ich kann leider nicht häufig ganz in Ruhe schreiben da mein PC so im Wohnzimmer steht daß jeder mitlesen kann, deshalb die Verspätung.

Dafür wird mein Beitrag diesmal wieder besonders lang!!!
Ich habe mir in den letzten Tagen viele Gedanken um das Thema gemacht und versinke zum ersten Mal nicht mehr in Depressionen. Obwohl ich niemandem ein Leben als Messie oder Angehöriger wünschen möchte, tut es gut zu hören daß andere aus eigener Erfahrung verstehen können was los ist. Hier versucht niemand eine krasse „Story“ zu hören, sondern ich habe viel Verständnis und Zuspruch von Euch bekommen. Vielen lieben Dank erst mal dafür!!!

Ich habe einige Links verfolgt und vieles über das Messietum gelesen. Viele Sachen kann ich bestätigen. Zum Beispiel lese ich immer wieder daß Messies meist Menschen sind, die sehr intelligent und auch in gewisser Weise sehr ordentlich und perfekt sind. Und das sie aufgrund dieses Perfektionismus einfach überfordert sind in der Erkenntnis, daß nicht alles perfekt zu erledigen ist.
Genau diese Feststellung habe ich an meiner Mutter gemacht. Sie war eine äußerst gute Schülerin, hat die ordentlichste Handschrift der Welt, und Joghurtbecher und Kiwischalen absolut perfekt und restlos zu leeren gehört zu ihren ausgeprägtesten Fähigkeiten. Sie konzentriert aber ihre Aufmerksamkeit aber nur noch auf Nebensächlichkeiten wie die obengenannten Joghurtbecher und sorgfältig geschriebene Einkaufszettel. Mit sowas kann sie sich wirklich stundenlang intensiv beschäftigen, statt einfach mal eine Ladung Wäsche in die Maschine zu schmeißen oder eine Tüte Altpapier wegzubringen.

Sehr interessant fand ich eine Beschreibung eines „Denknetzes“ (ich weiß schon gar nicht mehr wo ich das gelesen habe). Jede kleine Aufgabe zieht für einen Messie einen unüberschaubaren Wust an zusammenhängenden Aufgaben mit sich, und in Anbetracht dieser Überforderung ist es gar nicht mehr möglich, überhaupt irgendetwas zu tun.

Genauso kann ich mir das Denken meiner Mutter vorstellen. Ich glaube daß ich mich ziemlich gut in sie hineinversetzen kann, weil ich es ja schon immer so erlebe.
Ich selbst bin zwar nicht der Ordentlichste, aber ich habe Gott sei Dank keine Messie-Tendenzen. Im Gegenteil, wie ich auch schon in Beschreibungen andere Messie-Kinder gelesen habe, habe ich viele Sachen weggeworfen, worüber ich heute traurig bin. Zum Beispiel Aufzeichungen aus der Kinderzeit, Bilder und so weiter. Ich habe immer lieber Erinnerungen weggeworfen als sie zu sammeln weil ich auf keinen Fall ein solches Chaos aus alten Erinnerungen und Klamotten haben wollte.

Über den psychologischen Hintergrund war ich mir nicht ganz im Klaren. Ich hatte mir schon vorgestellt, daß meine Mutter selbst in einer aufgeräumten Wohnung in kürzester Zeit wieder das Chaos einkehren lassen wird. Ich konnte es mir nie anders erklären als daß sie das mit (böser) Absicht macht.
Zum Beispiel war mein Vater vor Jahren mal in Kur gewesen und ich hatte mit meiner kleinen Schwester die ganzen Osterferien damit verbracht, zumindest eine Ecke im Wohnzimmer freizulegen. Das war wirklich ein ganz schönes Stück Arbeit für zwei Kinder gewesen!!! Meine Mutter kümmerte das wenig, sie behandelte uns so als bauen wir uns eine Ritterburg aus Lego und half auch kein Stück dabei.
Sachen „entsorgen“ konnten wir natürlich auch nicht, weil das unsere Mutter verbot. Aber zumindest haben wir ein bißchen Ordnung reingebracht und man konnte wieder auf einem Wohnzimmersessel sitzen (den meine Schwester zuvor noch nie gesehen hatte).
Nachdem wir also einige Tage intensiv geschuftet hatten, hat meine Mutter am Vorabend bevor mein Vater zurückkam, Berge von Wäsche ins Wohnzimmer geschafft und alles wieder zugeräumt. Als mein Vater aus der Kur kam haben wir ihn ganz stolz ins Wohnzimmer geführt und er sagt nur: „Da ist ja gar nichts passiert.“.
Naja, er hatte ja recht, es sah genauso schlimm wie vorher aus. Aber wir hatten soviel gearbeitet und waren so stolz auf uns, und dann das!!!! Ich war so maßlos enttäuscht von beiden. Von meiner Mutter weil sie nicht mit einem Wort bestätigte, daß wir so hart gearbeitet hatten. Und von meinem Vater, weil er ganz genau weiß daß es eine unlösbare Aufgabe war.
Da kann man als Kind eigentlich nur glauben, daß die Mutter das mit böser Absicht tut.

Meine Eltern haben oft ihren eigenen Frust über die Situation an uns Kindern abgelassen. Zum Beispiel wenn sie uns bestrafen wollten mußten wir unser Zimmer aufräumen. Ihr wißt was eine Sisyphos-Arbeit ist? Der Typ der einen Stein auf einen Fels rollen soll, und immer wenn er gerade fast oben ist, rollt der Stein wieder runter und er muß von Neuem beginnen.
Genau das erlebten wir als Kinder wenn wir unser Zimmer aufräumen sollten. Wir hatten sowieso nicht viel Platz (ca. 15qm für drei Kinder), Wäschestapel aus Handtüchern und Bettwäsche, und die Schränke hat mein Vater mit seinen Büchern und Unterlagen besetzt (in allen anderen Schränken in der Wohnung wird ja Wäsche gelagert). Aufräumen bestand für uns Kinder also darin, alte Spielsachen möglichst unsichtbar zu verstauen da wir sie ja weder in Keller räumen, noch wegwerfen durften. Und die Sachen die wir noch brauchen, möglichst geschickt auf den Kisten und Kartons zu deponieren. Und wenn dann tatsächlich eine Ecke frei wurde, konnten wir sicher sein daß ein paar Stunden später ein neuer Wäscheberg dort stand. Und unser Kinderzimmer von nun an wieder einen Quadratmeter kleiner war.
Nachdem wir alle drei nun ausgezogen sind stehen übrigens immer noch die alten Kisten mit Spielsachen wie Bauklötzen und Bilderbüchern für Kleinkinder in unserem Zimmer. Daneben lauter Kartons mit Wäsche, und mein Vater hat sich einen Pfad freigehalten, der zu PC und Fernseher führt. Sitzen kann da immer nur einer.

Ihr habt mehrfach gefragt was denn mein Vater tut.
Ich weiß daß er immer nur geschimpft hat und ich eigentlich auch seit ich klein bin höre, daß „eines Tages alles rauskommt und dann wird renoviert und dann wird die Wohnung richtig schön.“. Früher habe ich mich tatsächlich auf diesen Tag gefreut und mir immer vorgestellt wie schön es wird, endlich mal meine Freunde einzuladen. Aber wenn man das mal 20 Jahre gehört hat ohne das was passiert, glaubt man das auch nicht mehr.
Mein Vater hat oft versucht aufzuräumen. Es endete jedesmal mit einem riesigen Krach mit meiner Mutter, er durfte grundsätzlich gar nichts wegwerfen, weder alte Anzüge aus den 70ern (die schon lange nicht mehr passen und die man auch heutzutage absolut nicht mehr anziehen könnte), noch einige der alten Tüten aus dem Wohnzimmer mit einzelnen vergilbten Einkaufszetteln drin. Die könnte man ja noch brauchen!

Mein Vater hat sich für sich kleine Inseln geschaffen, so seine kaum zugängliche PC- und Fernsehecke, und ein bißchen Platz auf einem Tisch am Telefon, wo er wichtige Sachen wie Steuererklärung und so macht. Ansonsten steht er in der Wohnung rum und wartet. Man kann sich ja nirgendwo mehr setzen.

Er redet immer noch davon daß er endlich mal richtig aufräumen will. Meine Mutter pflichtet ihm dann noch oft bei daß das eines Tages gemacht wird, aber dieser Zeitpunkt schiebt sich seit Jahren auf irgendwann in die Zukunft.
Ich glaube daß mein Vater sehr glücklich wäre wenn die Wohnung mal in Ordnung gebracht würde, aber er konnte sich die ganzen Jahre nicht durchsetzen.
Er tut seinen Teil, als er bis vor kurzem noch Vollzeit gearbeitet hat war er jeden Abend nach der Arbeit einkaufen, weil meine Mutter den ganzen Tag über keine Zeit dafür fand. Samstags hat er den Spülberg der Woche beseitigt, und das ist eine Menge bei einer fünfköpfigen FamilieJetzt wo er in Rente ist läuft das eigentlich genauso. Er macht die Dinge die regelmäßig anfallen wie Müll rausbringen, leere Flaschen, Altpapier, er spült und kauft ein. Aber für die Wäsche und das Putzen ist weiterhin meine Mutter zuständig, und sie schafft es nicht. Sie läßt dort aber auch niemanden ran sondern wird hysterisch wenn mein Vater zum dritten Mal in zwei Wochen nach seinem Hemd fragt.

Am letzten Wochenende war ich mit meinen beiden Schwestern zu Besuch bei meinen Eltern. Meine große Schwester hatte dort übernachtet und mal wieder die Gelegenheit genutzt. Als ich kam war der ganze Küchentisch freigeräumt und richtig schön gedeckt! Ich war mehr als erstaunt, aber dann erfuhr ich daß es mal wieder nicht zu mehr gereicht hat, als alles in Kartons zu stopfen und diese ins Wohnzimmer zu stellen. Damit meine Mutter die ganzen alten Einkaufszettel und sonstigen Zettelchen eines Tages durchsehen und ordnen bzw. wegwerfen kann. Was natürlich niemals passieren wird!

Ich habe versucht meinen Schwestern zu erklären daß ich Kontakt zu diesem Forum geknüpft habe und was ich hier erfahren habe. Sie wollten aber nicht richtig auf den psychologischen Aspekt eingehen. Ich glaube das liegt aber daran, daß die beiden auch noch genug damit zu kämpfen haben und zu schwach sind, das alles mit meiner Mutter „auf Gefühlsebene“ durchzukauen.

Beide setzen eher auf eine große Hauruck-Aktion, Mutter mal ein Wochenende wegschicken und dann loslegen. Aber so wie ich die Messies die sich hier zu Wort gemeldet haben verstanden habe, wird das doch eher zu einem Schock führen. Und das ursprüngliche Problem ist dann immer noch gelöst, sie wird dann ja nicht plötzlich anfangen, einen geregelten Ablauf im Haushalt einzuhalten.

Ich habe deshalb mal angefangen ein paar Texte zu sammeln, die ich meinen Schwestern weitergeben will. Vielleicht finde ich auch etwas was ich meiner Mutter zu lesen geben könnte. Aber bei ihr ist halt wirklich das Problem daß sie es nicht einsieht. Oder irgendwie doch, denn sonst würde sie sich ja nicht so aufregen bei jedem Versuch das Chaos zu bekämpfen. Aber sie besteht darauf daß sie das schon selber macht wenn sie mal Zeit dafür hat. Aber sie macht definitiv nichts, auch wenn sie statt dessen 6 Stunden lang rumsitzt. Außerdem ist meine Mutter nicht gerade gesellig und vertraut sich auch niemandem an, was in der Familie passiert bleibt auch da und wird nicht nach draußen getragen. Nicht mal ihre Brüder wissen Bescheid, und ihre eigenen Eltern hat sie jahrzehntelang nicht in die Wohnung gelassen (und sie sind mittlerweile leider tot).

Ich werde jetzt mal versuchen eine Selbsthilfegruppe in der Nähe zu finden (Raum Köln). Ich könnte mir vorstellen daß sie vielleicht durch ein unverbindliches Gespräch mit einer netten älteren Dame, die das gleiche hinter sich hat, führen könnte. Einfach mal darüber reden und vor allem feststellen daß sie nicht alleine damit ist.
Aber ohne ihre Bereitschaft geht das natürlich nicht, und das wird wirklich schwer.

Ansonsten vielleicht wirklich ein Therapeut, aber das sehe ich auch ziemlich schwarz. Ein Arztbesuch ist bei ihr auch immer ein riesiger Aufstand, wenn sie um 14.00h einen Termin hat springt sie ab 08.00h halb bekleidet in der Wohnung herum und rennt dann um 14.30h ungewaschen und ungekämmt los. Eine Therapie würde sie also auch stressen.

Ich denke also daß der Kontakt mit einer einzelnen und vertrauenserweckenden Person am sinnvollsten wäre. Oder vielleicht könnte ich mich einfach mal mit so jemand unterhalten.
Ich würde mich freuen wenn irgendjemand von Euch einen Ansprechpartner kennt oder die Kontaktadresse einer Selbsthilfegruppe. Ich schaue natürlich auch schon die ganze Zeit im Netz, aber ich bin zur Zeit ein bißchen überfordert mit den Mengen an neuen Informationen und Denkanstößen.

Mit meiner Partnerin habe ich noch nicht darüber gesprochen, aber ich kann mir mittlerweile vorstellen daß ich es tun werde. Ich brauche aber eine gute Gelegenheit, das möchte ich nicht zwischen „Tür und Angel“ sagen. Ein bißchen Angst habe ich daß sie sauer darüber ist, daß ich ihr bisher nicht vertraut habe. Aber vielleicht kann ich ihr erklären wie sehr mich das alles belastet seit ich denken kann, und daß sie dann tatsächlich der erste Mensch ist, dem ich von Angesicht zu Angesicht sagen werde was mich so quält.
Ich verändere mich ja nicht dadurch, aber andere Dinge werden anders. Ich glaube daß sie meiner Mutter dann nur noch mit Vorbehalt begegnen kann, durchaus menschlich. Und auf jeden Fall werde ich dann meinen Eltern sagen daß sie es weiß, obwohl es ihnen äußerst unangenehm sein wird.

Danke auch Christian für Deinen Beitrag. Du rätst mir zwar mich vollkommen von meiner Mutter zu lösen und ich kann das auch gut verstehen. Aber irgendwie hoffe ich immer noch daß ich eines Tages eine richtige Familie habe, eine Oma und einen Opa die auch mal das Kind nehmen können, Kaffeetrinken mit der ganzen Familie im Wohnzimmer meiner Eltern.... Das ist das was ich mir wünsche seit ich begriffen habe, daß bei uns etwas ganz gewaltig schief läuft.
Ich liebe meine Mutter und meinen Vater, ich habe zwar gleichzeitig auch viel Haß in mir wegen diesem ganzem Mist, aber ich könnte alles vergessen wenn es endlich zu ende wäre! Ich will nicht daß die beiden weiter im Müll leben und im Müll sterben. Ich will nicht eines Tages einen Anruf bekommen und innerhalb von ein paar Tagen den ganzen Kram aus der Wohnung schaffen müssen, weil einer gestorben ist und er andere ins Heim kommt. Man kann ja eigentlich nicht mal einen Notarzt in die Wohnung lassen!

Außerdem glaube ich daß zumindest meine Mutter in eine Einrichtung überführt würde, wenn das Problem von offizieller Seite (z.B. einem Notarzt) erkannt wird. Und das wäre sicherlich ein Trauma für sie, wenn dann ein paar Möbelpacker ihre Sachen aus der Wohnung direkt zur Müllkippe transportieren und dabei bestimmt auch genügend Sprüche fallen lassen.
Es wäre doch einfacher für sie, wenn sie sich am besten heute noch von ihrem Mann und ihren Kindern helfen ließe!!!

So ich mach für heute mal Schluß damit ihr meine Antwort noch lesen könnt.
Ich melde mich bald wieder um Euch zu erzählen wie es weitergeht. Und ich freue mich weiterhin über Zuspruch und Erfahrungsberichte! Besonders interessiert bin ich daran, Kontakt zu Betroffenen oder Angehörigen zu knüpfen.

Viele Grüße von
Mario

Re: Meine Mutter ist ein Messie

rutzi, Montag, 24.02.2003, 20:04 (vor 7725 Tagen) @ Mario

Lieber Mario,

Du hast recht, Dein Text ist ganz schön lang geworden ;-))

Aber man merkt an Deinen Zeilen, wie sehr Dich die ganze Angelegenheit belastet und wie gut es Dir vielleicht tut, Dir das endlich auch mal von der "Seele zu schreiben".

Beim Lesen Deiner Zeilen musste ich ein paarmal lächeln. Du hast recht; viele Messies versuchen gerade in "unwichtigen" Dingen perfekt zu sein und scheitern alleine deswegen.

Auch ich habe die Angewohnheit, Einkaufszettel aufzuheben (weil ich von meinem Konto abbuchen lasse und ich den Beleg ja mit dem Kontoauszug vergleichen müsste). Das passiert natürlich nie, aber wer weiss ... Auch "säubere" ich Joghurtbecher wie das kostbarste Kristall-Trinkglas (ich leide seit vielen Jahren an einer Zwangserkrankung in Form von Kontrollzwängen, gegen die ich nur Stück für Stück ankomme und die mich auch zu meinem Messie-Dasein geführt hat).

Auch meine Tante, die von meiner Mutter über Jahre als ein "Drecksferkel" betitelt wurde (meine Mutter ist eine 100%ige Cleanie-Frau), leidet seit Jahren in irgendeiner Form als Messie-Frau. Sie konnte sich stundenlang mit dem Abstauben Ihrer Sammlung von Backförmchen beschäftigen, während um sie herum alles im Chaos versank.

Dennoch muss ich Dir recht geben, die "Messies", die ich kenne, sind durchaus sehr interessante und liebenswerte Menschen; so wie wahrscheinlich auch Deine Mutter.

Allerdings hilft Dir das wahrscheinlich alles wenig weiter; Deinen Eltern bleibt nicht mehr soviel Zeit, wenn sie Ihren Lebensabend gemeinsam glücklich und unbeschwert (mit Ihren Enkelkindern ;-))) geniessen wollen. Es ist also höchste Zeit, dass Du Deine Mutter mit Ihren Problemen konfrontierst und versuchst, in möglichst großen Schritten voranzukommen.

Eine Selbsthilfegruppe wäre für den Anfang sicherlich eine gute Idee. Falls Du eine Selbsthilfegruppe im Raum Köln findest, wäre ich Dir für einen Tip dankbar. Ich wohne selber in Köln und bin leider bisher noch nicht fündig geworden (allerdings muss ich zugeben, dass ich auch noch nicht so intensiv danach gesucht habe).

Ich denke, Du bist jedenfalls auf dem richtigen Weg und es freut mich für Dich, wenn Du zumindest für Dich über dieses Forum eine gewisse Art der Auseinandersetzung mit dem für Dich doch sehr belastenden Thema findest.

In diesem Sinne - toi, toi, toi -

LG, Rutzi

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Re: Meine Mutter ...

Micha @, Samstag, 01.03.2003, 02:45 (vor 7721 Tagen) @ rutzi

Hallole Ihr !

Seid langem trau ich mich mal wieder hier rein .
Aber das ist (m)ein anderes Thema
Ich habe gelernt , das Schreiben , Worte finden ... mir hilft .
Und mit "meiner Insel" fand ich sogar Seelenverwandte .

Doch nun zum "Problem" : wie finde ich den 1. Schritt ( die Einsicht )
und wo dann eine Gruppe Betroffener die sich regelmäßig trifft und austauscht ( SHG )

Ich hab jetzt mal in den Schätzen meiner Favoritenliste ein paar www´s gefunden :

Info´s als "Erstinformation"
# http://members.aol.com/messies/AM/index.html

Und wegen einer Gruppe in eurer Nähe :
# http://members.aol.com/messies/regel.html
also über : KISS Tel.: 02 21 - 95 15 42 - 16
( Kontakt- u. Informations-Büros für Selbsthilfe )

Ah ja , da finde ich auch , wo ich im Moment stehe :
bei 5. Psychologische und medizinische Hilfe ... e) ADS / ADD
bzw. stehe ich an dem Punkt der als schwierige Suche bezeichnet wird .

Also ihr seht : auch da seid ihr nicht alleine mit .

Lieben Gruß von Micha

Re: Meine Mutter ...

Mario, Montag, 03.03.2003, 13:22 (vor 7719 Tagen) @ Micha

Hallo Micha!

Mal kurz aus dem Karneval geschlichen und Deinen Beitrag entdecktVielen Dank für die Links, da könnten wir alle doch fündig werden.
Ich werde mir das diese Woche mal genau ansehen und melde mich natürlich wieder im Forum!

Gruss
Mario

Re: Meine Mutter ist ein Messie

Dani, Sonntag, 11.05.2003, 18:41 (vor 7649 Tagen) @ Mario

Lieber Mario,

wir haben das selbe Problem mit unseren Müttern. Als ich im Forum Deinen 1. Bericht las, dachte ich das ist genau meine Geschichte. Du schreibst über mich und mein Leben seit dem ich klein bin. Ich kenne alle Sachen, von denen Du berichtest. Bei ware es der Schornsteinfeger, der jedes Jahr kommt. Dann wird dann eben alles weggeschoben + eine Decke wird über den Müll geworfen. Die Wäsche liegt in Stapeln. Ich erinnere mich an einen Mann, der mal unser Haus schätzen kam; ich werde nie dessen entsetztes Gesicht vergessen und die Frage, ob meine Mutter denn nie Hilfe von Ihren Kindern erhalten würde. Wenn das mal so einfach gewesen wäre. Ordnung schaffen kann meinen Mutter nicht leiden. Ich könnte so viele Dinge erzählen. Ich glaube Du würdest Dich genauso bei mir wiederfinden wie ich es in deinen Geschichten tat.
Seit 12 Jahren habe ich einen Freund, mit dem ich seit 7 Jahren zusammenwohne. Der hat noch nie mein Elternhaus von innen gesehen. Mein grösster Wunsch wäre es, ihm mein altes Zimmer zeigen zu können, ohne dass er Ekelanfälle kriegen würde. Er hat immer geahnt, dass was nicht stimmt und instinktiv hat er auch immer geahnt, was es wahr. Ich habe 11 Jahre gebraucht ihm zu erzählen, was das wirkliche Problem zwischen mir und meiner Mutter ist. Er hat nie das Geschreie, die Tränen oder die Funkstille verstanden.
Irgendwann hatte er mich so weit in die Ecke gedrängt, dass ich es sagen musste. Und glaube mir, das Gefühl von Scham und Verantwortung ist recht ausgeprägt mir; das war das Schlimmste, das ich ihm jemals erzählen musste. Ich dachte, der verlässt Dich - er hat nämlich ein recht ausgeprägten Sauberkeit- und Ordnungssinn. Mehr als andere vielleicht. Nun er überraschte mich. Er sagte, dass Misbrauch an Kindern schlimmer wäre und ich hätte das schon längst mal sagen müssen. Er weiss es jetzt, das ist ok so. Seine Sicht auf meine Mutter ist nicht mehr so ganz romantisch, aber verabscheuen tut er sie auch nicht. Aber Kaffetrinken will er im Moment in meinem Elternhaus auch nicht.
Das Problem, was wir beide nur haben, ist, dass wenn er drüber reden will und meine Mum verstehen will, ich in hysterische Heulkrämpfe verfalle. Ich weiss nicht, ob ich Dir zu - oder abraten kann Deiner FRau alles zu erzählen. Aber mittlerweile weiss sogar meine beste Freundin davon. Und die kenne ich auch schon fast mein halbes Leben und sie hat ganz ähnlich reagiert.
Ich hatte immer Angst, dass die Leute so wie in irgendwelchen RTL-Beiträgen reagieren und davor hatte und habe ich immer noch Angst. Aber zwei sehr wichtige Menschen in meinem Leben reagierten nicht sensationslüstern.
Ich weiss nicht, ob ich Dir helfen konnte, aber irgendwie hat das Schreiben mir geholfen. Danke dafür.

nur ein Detail..aber trotzdem...

Peggy Babenberg, Montag, 03.03.2003, 17:25 (vor 7718 Tagen) @ Mario

Aber wie soll ich das meiner Partnerin und vor allem ihrer Familie erklären? Ihre Mutter ist die Super-Hausfrau, da wird zweimal täglich mit Sagrotan geputzt. Und bei meiner Mutter kriegen die Kinder dann Allergien und Staubmilben... Das möchte ich nicht.

Sag ist das dein Ernst, daß die 2 mal täglich mit Sagrotan putzt???

Das findest du gut?

Es ist erwiesen (es gibt da, so weit ich weiß, wissenschaftliche Berichte) daß die vielen Allergien, die jetzt überall auftauchen, auf zu viele Putzmittel zurückzuführen sind.
Auch werden dadurch resistente Keime herangezüchtet, die viel schlimmer sind als die normalen.

2 mal täglich Sagrotan, entsetzlich, finde sowas umweltschädlich und ungesund.

Tut mir leid, ich muß das jetzt einfach schreibenPeggy (auch ein bissel Messie, hab halt nicht so hohe Sauberkeitsansprüche, zu mir kann man aber noch auf Besuch kommen)

Re: nur ein Detail..aber trotzdem...

Mario, Dienstag, 04.03.2003, 07:30 (vor 7718 Tagen) @ Peggy Babenberg

Hallo Peggy!
Ich weiß nicht sicher ob meine Schwiegermutter wirklich jeden Tag zweimal mit Sagrotan putzt, aber es kommt sehr nahe dran. Mindestens einmal am Tag!
Sie hat das angefangen als sie Oma wurde, damit das Kind auf dem sauberen Boden krabbeln kann.
Wir hatten ihr auch gesagt daß das nicht gut ist, vor allem weil sie auch Katzen hat, die dann da durch laufen müssenAber sie läßt sich nicht davon abbringen, weil ja alles sauber sein muß. Ein "Anti-Messie" sozusagen?
Gruss
Mario

Re: Meine Mutter ist ein Messie

Susanne, Mittwoch, 02.04.2003, 11:17 (vor 7689 Tagen) @ Mario

Lieber Mario,

auf der Suche nach Infos zum Problem "Messies" bin ich gerade auf deinen Beitrag gestoßen. Auch ich habe eine Mutter mit dieser Problematik und kann deine Beschreibungen auch im Bezug auf deine Kindheit nur allzu gut nachvollziehen.

Meine Mutter war als Kind für mich immer Vorbild. Eine kluge emanzipierte Frau. Das es bei uns immer so unordentlich war, habe ich dem Umstand zugerechnet, dass meine Mutter berufstätig war und auch noch zur Abendschule ging.

Eigentlich hat das Problem bei meiner Mutter erst Überhand gewonnen, seid sie arbeitslos geworden ist. Sie hatte sich mit 38 ihren Lebenstraum erfüllt und nachdem sie sämtliche Schulabschlüsse nachgemacht hatte, ein Studium (Sozialarbeit) begonnen. Seit Abschluss des Studium ist sie mehr oder weniger arbeitslos und das seit ca. 15 Jahren. Das hat natürlich stark an ihrem Selbstvertrauen gezerrt und ihr auch noch die letzte Struktur im Leben genommen.

Soweit meine Erklärungsversuche. Mit ihr über ihren Zustand/Krankheit zu sprechen ist nicht möglich. Seit ungefähr 7 Jahren habe ich ihre Wohnung nicht mehr betreten, da ich das letzte Mal psychisch zusammengebrochen bin, als ich da war. Ich bin mit der Situation völlig überfordert. Ich habe den Wunsch, ihr zu helfen, aber nach jahrelangen Versuchen habe ich eingesehen, dass ich und meine Bruder ihr erst helfen können, wenn sie ihr Problem auch als Problem anerkennt. Selbst im Moment, wo in ihrer Wohnung nichts mehr funktioniert (Heizung, Klospülung, kein ordentliches Bett mehr etc.) tut sie noch immer so, als müsse sie nur mal ein bißchen aufräumen und Ablage machen... Dabei kann man (lt. Aussage meines Bruders) keinen einzigen Schritt mehr in der Wohnung tun!

Vor Jahren habe ich ihr die Adresse eines Therapeuten gegeben, hingegangen ist sie nicht. Sie hat wohl kurz Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe gehabt, aber an den Leuten war auch wieder was auszusetzen. Ich habe eine Therapie gemacht, damit ich u.a. auch mit diesem Problem klarkommen, sie weigert sich standhaft Hilfe in Anspruch zu nehmen und tut so, als hätte sie nur nicht genug Unterstützung von uns.

Mittlerweile hat sie überhaupt keine Freunde mehr und ist total vereinsamt. Das tut mir unheimlich weh und ich habe starke Schuldgefühle. Am liebsten wäre ich so stark, dass ich ihr über diese Krankheit hinweghelfen könnte. Aber das bin ich nicht!

Susanne

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