Extremfall?! (Angehörige)

Al Bundy, Donnerstag, 15.05.2003, 16:05 (vor 7651 Tagen)

Hallo liebe Mitbetroffenen,

dies ist meine erster Beitrag in diesem Forum, und ich fürchte, es wird ein sehr (!!!) langer werden. Meine ganz große Bitte an Euch ist: lest ihn trotzdem, denn ich bin sehr verzweifelt. Ich freue mich über jede noch so kleine Reaktion von Euch. Vielleicht wäre es besser, mit einem kürzeren Beitrag zu starten, aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll und ich glaube ich habe auch das Bedürfnis, mir endlich einmal alles von der Seele zu schreiben, was mich bedrückt. Für alle, die den Beitrag nicht vollständig lesen können/wollen, werde ich versuchen, eine halbwegs übersichtliche Gliederung mit Überschriften zu machen - vielleicht lest Ihr wenigstens ein, zwei Abschnitte oder überfliegt den Text mal.

*** Kurze Zusammenfassung ***

- Eltern (beide 69) leben allein in einem dreistöckigen Haus
- Mutter ist Messie, Vater völlig unselbständig bzw. passiv
- Alle Räume sind in einem (fast) unbewohnbaren Zustand
- Ich (36, einziges Kind) wohne ca. 150 km von den Eltern entfernt
- Ich selbst habe auch Messie-Ansätze, komme aber ganz gut klar
- Warum habe ich bisher nicht entschlossener geholfen?
- Jetzt will ich aber helfen, hoffentlich ist es noch nicht zu spät.

*** Soziale Vereinsamung ***

In meinen Kindheitserinnerungen ist alles noch relativ normal. Meine Eltern hatten zwar noch nie besonders viele Freunde und Bekannte, aber zumindest kamen des öfteren die Nachbar vorbei, die Hausfriseurin kam zum Haareschneiden und ich durfte meine Spielkameraden mitbringen.

Wann das mit der Vermüllung genau angefangen hat, kann ich nicht mehr genau sagen, ich vermute aber, daß der Tod des Großvaters 1977 eine wichtige Rolle spielte. Der Großvater als Familienoberhaupt sorgte nämlich dafür, daß es zumindest in Grundzügen ein gemeinschaftliches Familienleben gab (z.B. gemeinsames Essen), obwohl sich schon zwei potentielle Streitparteien (meine Mutter gegen meine Tante und Großmutter) herauskristallisiert hatten. Nach dem Tod des Großvaters kam dann deutlich zutage, daß meine Großmutter die "andere" Familie (meiner Tante) bevorzugte, was für meine Mutter eine große Enttäuschung war.

Dazu kamen gesundheitliche Probleme meiner Mutter (Darm, Galle, etc. - 6 große Bauchoperationen), die bis zum heutigen Tag andauern, allerdings habe ich die Vermutung, daß vieles davon auch psychisch bedingt ist und daß es ihr, wenn sie glücklich wäre, gesundheitlich halbwegs gut gehen könnte. Man könnte vielleich etwas flapsig sagen, daß ihr das fehlende Familienglück auf die Galle gegangen ist.

Jedenfalls verkamen danach immer mehr Zimmer zu Rumpelkammern. Besuche waren zunächst noch möglich, da wenigstens die "Besuchsräume" leidlich sauber gehalten wurden, aber es wurde mit der Zeit immer schlimmer. Das Chaos breitete sich sogar bis ins Treppenhaus aus, wo der Trödel dann mit Teppichen zugedeckt wurde. Erste defekte Toiletten im schon ziemlich versifften Bad fühten dazu, daß Gäste, die aufs Klo mußten, mit Ausreden einen Stock tiefer geschickt wurden. Einmal kann man ja sagen, die Toilette ist kaputt - was aber, wenn sie es nach vier Wochen immer noch ist?

Nicht nur Besuche hörten auf, auch das Familienleben lag brach. Weihnachten, was ist das? Den letzten Tannenbaum in der elterlichen Wohnung habe ich vor 25 Jahren gesehen. Gemeinsamer Urlaub? Auch schon 20 Jahre her. Außer zum Einkaufen verläßt meine Mutter das Haus sowieso nicht, in panischer Angst, jemand könnte während Ihrer Abwesenheit ins Haus gelangen und die Müllberge sehen.


*** Genauere Schilderung der Wohnung ***

Als ob EINE chaotische Wohnung nicht schon genug wäre! Meine Eltern haben gleich drei! Kurze 35-jährige Wohngeschichte:

Erdgeschoss Großeltern (später nur noch Großmutter), 1. Stock meine Eltern und ich, 2. Stock meine Tante (Schwester des Vaters) mit Familie.
Dann Auszug der Tante, 2. Stock wurde vermietet.
Dann Auszug der Mieter, Eltern beschließen nicht mehr zu vermieten, sondern 2. Stock selbst zu nutzen.
(Hier setze ich etwa den Beginn der zunehmenden Vermüllung an, also vor ca. 20 Jahren!)
Dann Auszug der Großmutter (zog zur Tante), Eltern nutzen somit das gesamte Haus für sich.
Ich selbst habe während meines Studiums noch bei den Eltern gewohnt, danach bin ich jobbedingt 150 km weit weg gezogen.

Ich denke ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß es sich um einen schweren, wenn nicht sogar extremen Fall handelt. Drei Stockwerke inkl. Keller und Speicher, in denen sämtliche Räume verwahrlost sind! Wann zum letzten Mal jemand in den beiden oberen Stockwerken war, weiß ich gar nicht, momentan leben meine Eltern im völlig unmöblierten Erdgeschoß.

Besonders fatal:

Sanitäre Einrichtungen: Nur je eine funktionierende Dusche, Toilette und Waschbecken - was passiert, wenn die letzte Toilette auch noch verstopft ist? Von zwei Klos im Erdgeschoß steht in einem die braune Brühe, im anderen kann noch gespült werden, aber besonders sauber sieht's auch nicht aus.

Küche gibt's praktisch nicht - gekocht wird auf dem mobilen Eletroherd, der auf einem Campingtisch im Flur steht. Der Abwasch wird im Bad in einer Plastikschüssel erledigt. Kühlschränke gibt es zwei, Gefriertruhe eine - natürlich alle kaputt. Hiervor graut mir besonders: Ich wage kaum zu hoffen, daß kaputten Kühlschränke leer sind, sondern rechne eher mit Lebensmitteln, die zehn Jahre oder mehr vor sich hin geschimmelt haben!

Waschmaschine: kaputt, ich weiß nicht wie lange schon. Zweimal hat angeblich meine Tante die Wäsche meiner Eltern gemacht. Bis eine neue Waschmaschine da ist, werde ich bei meinen ab jetzt stattfindenden wöchentlichen Besuchen die Wäsche mitnehmen, waschen und eine Woche später wieder zurückbringen.

Heizung: ob die überall noch funktioniert? Ist noch Öl da? Hätte der Heizöllieferant überhaupt die Chance, sich zwecks Nachfüllung eine Weg durch das Chaos zu bahnen, um an die Tanks zu kommen?

*** Beschreibung meiner Mutter / Ursachenforschung ***

Ich bin kein Psychologe, aber erste Ursachen gab es wohl schon in der schweren Kindheit meiner Mutter. Mit 8 Jahren (im Krieg) ist sie aus dem Elternhaus in eine fremde Familie gekommen, hat sich dort nicht sehr wohl gefühlt und mußte auch noch für einen Hungerlohn im Haushalt helfen. Da entstand wohl schon der große Wunsch nach dem Glück einer eigenen Familie.

Nach der Heirat mit meinem Vater erfüllte sich aber der Wunsch nach dem harmonischen Familienleben nicht, weil es ständig Streit mit meiner Tante und meiner Großmutter gab. Vorherrschendes Gefühl meine Mutter: Die Großmutter bevorzugt die andere Familie (meiner Tante), uns läßt sie links liegen. Daraus resultierten zahlreiche Begebenheiten, die schon Jahrzehnte zurückliegen, meine Mutter aber immer noch beschäftigen und die sich mein Vater und ich unzählige Male anhören mußten. Beispiel: Die Großmutter geht zweimal die Woche zur Tante, um dort zu kochen. Auf die Frage meiner gesundheitlich angeschlagenen Mutter, ob sie wenigstens einmal die Woche auch für uns kochen könnte kam die Antowrt "Nein, dann haben die anderen ja nichts zu essen!"

Sie zeigt die typischen Symptome, die ich hier in Forum und auf anderen Internetseiten gelesen habe: sie kann nichts wegwerfen, im Gegenteil, sie bestellt sich noch einen dritten Staubsauger und noch ein fünftes Bügeleisen, vermutlich auch deshalb, weil sie die anderen nicht mehr findet. Man könnte sie auch "QVC- und Teleshop-süchtig" nennen. Ich fehlt auch völlig der Blick fürs wesentliche: selbst wenn Sie ans Aufräumen geht, dreht sie jeden Papierschnipsel fünfmal um, um zu prüfen, ob Sie ihn noch braucht. Jede der unzähligen Tupperschüsseln wird erstmal abgestaubt, bevor man sie in einen Karton oder Sack steckt. Eigentlich lobenswert, aber man muß doch erstmal die grobe Arbeit machen und die Müllberge beseitigen, bevor man ans Abstauben geht! Sie will eine neue Matratze haben, sieht aber nicht, daß rund ums Bett Müllberge liegen und daß man vor dem Matratzenwechsel erst einmal aufräumen und Staubsuagen sollte.

Der große Widerspruch besteht in folgendem: Einerseits sagt meine Mutter, ihr größter Wunsch sei eine schöne Wohnung und ein harmonisches Familienleben. Andererseits ist Sie schon ewig mit dem Rest der Familie zerstritten und die Wohnung ist ein Müllhaufen. Ihre größte Angst: sie will nicht "als größte Drecksau sterben". Sie ist selbst sehr gutmütig und hilfsbereit, kauft im Supermarkt wildfremden Kindern Schokolade, macht Geschenke. In neue Bekanntschaften, die es selten gibt, setzt sie dann immer zu hohe Erwartungen und wird zwangsläufig enttäuscht und wendet sich von der potentiellen Freundin wieder ab.

Schon ein paarmal ist auch folgendes passiert: meine Mutter fand eine Bekannte, zu der sie so viel Vertrauen hatte, sie in die Wohnung zu lassen und gegen Bezahlung ein paar Stunden die Woche zu helfen. Meine Mutter sehnte sich dabei vor allem nach einer Freundin und Gesprächspartnerin, hatte dabei aber wohl immer zu hohe Erwartungen. Dazu kam, daß sich meine Mutter für die Müllberge schämte und sich nicht "richtig" helfen lassen wollte, sondern es ging ummer nur um Abspülen, Abstauben etc., d.h. was das Helfen betrifft, sollte alles strikt nach dem Kommando meiner Mutter laufen. Die Putzhilfen wollten aber verständlicherweise nicht nur herumkommandiert werden, sondern auch selbständig arbeiten und womöglich sogar mal etwas von dem Müll wegräumen, was meiner Mutter dann aber zu peinlich war. So war der Krach und der Abbruch der freundschaftlichen Beziehungen vorprogrammiert.

Es ist schwer, mit meiner Mutter umzugehen. Einerseits ist sie so eine liebe und gutmütige Frau, andererseits muß man sie behandeln wie ein rohes Ei, damit sie nicht beleidigt ist und alle Hilfeversuche abblockt. Wie gehe ich bloß mit meiner Mutter um? Genauer: wie überzeuge ich sie, daß sie sich von Dingen trennen muß? Soll ich sie damit konfrontieren, daß sie meiner Ansicht nach ein Messie ist, und daß es sich hierbei um eine Krankheit handelt? Oder gar eine Therapie vorschlagen? Das kann ich mir nur schwer vorstellen, ich bin mir ziemlich socher, daß die Reaktion trotzig bis schwer beleidigt ausfallen würde ("Du denkst also ich bin verrückt? Du willst mich wohl ins Irrenhaus stecken?")

Auch fremde Hilfe ist ein großes Problem. Wen soll man fragen, wen kann man in die Wohnung lassen? Dreht meine Mutter durch, wenn ich plötzlich zwei Freunde zum Aufräumen mitbringen würde?

Noch etwas zum Vater: der war schon immer sehr passiv und hatte kein Durchsetzungsvermögen. Meine Mutter hatte das Sagen. Inzwischen fällt er als Hilfe total aus, da er ein künstliches Kniegelenk hat, einen Oberschenkelbruch hatte, und nur an am Stock bzw. Krücke gehen kann.

*** Meine Rolle in der ganzen Misere ***

Ich will nichts beschönigen: Ich gebe mir selbst eine große Mitschuld. Diese Einsicht kommt zwar spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Wieso habe ich mich nicht früher um meine Eltern gekümmert? Ich mache mir deshalb die größten Vorwürfe, und es ist mir unerklärlich, wie ich all die Jahre nichts dagegen getan habe.

Eines möchte ich klarstellen: Vorschläge wie "Du muß dich von Deinen Eltern trennen, das ist deren Problem" kommen für mich nicht in Frage. Ich liebe meine Eltern, und es bricht mir das Herz zu sehen, wie verwahrlost Sie leben. Mein größter Wunsch ist es, Ihnen einen schönen Lebensabend zu ermöglichen.

Ursachenforschung für mein Verhalten:

Ich mußte so gut wie nie etwas im Haushalt helfen, ich denke ich war das typische Einzelkind und Muttersöhnchen. Der Bub muß doch für die Schule lernen, der Bub muß doch spielen können. Einmal die Woche den Hof kehren oder so war mein Arbeitspensum. Meine Mutter ging lieber selbst vor die Hunde, bevor sie mich belästigte. Vor einem jahr hat sie sich den Arm gebrochen, per Telefon sagte sie immer nur, daß sie schon zurechtkommt. Besuche von mir wollte sie nicht ("mir ist gerade nicht gut, komm lieber wenn's mir besser geht) - so habe ich meine Eltern zuletzt ein Jahr lang nicht besucht und war jetzt entsetzt darüber, wie sehr sich die Situation innerhalb des letzten Jahres verschlechtert hat.

Ich bin ein sehr guter Verdränger. ich denke nicht viel über mich selbst nach, flüchte mich in die Phantasiewelt von Kinofilmen, Computerspielen und ins Internet. Ich bin selbst zwar auch ein leichter Messie, lasse vieles liegen, schaffe es aber immerhin gelegentlich wieder aufzuräumen, spätestens wenn sich Besuch angelemdet hat. Dabei hilft mir meine sehr spartanisch eingerichtete Wohnung. Ich habe kaum Freunde, die Handvoll, die ich habe, sind noch die Kupels aus der Schulzeit, und die restlichen Leute, die ich kenne, sind die Bekannten dieser Kumpels. Ich selbst bin unfähig, neue Bekanntschaften aufzubauen. Muß ich erwähnen, daß ich Dauersingle bin?

Als Teenager und auch noch während des Studiums bin ich "im Tunnelblick" durch das Treppenhaus in den zweiten Stock, wo ich mein Zimmer hatte. Das war zwar auch chaotisch, aber für mich allein war's okay, ich fühlte mich dort wohl. Zum Duschen und aufs Klo bin ich ins Erdgeschoß, da das Bad im 2. Stock bereits hinüber war. Die Wohnung im ersten Stock, in der meine Eltern schon am längsten leben, habe ich jetzt ca. 15 Jahre nicht mehr betreten, Mir graut davor, was mich hinter dieser Tür erwartet. Bereits bei einer früheren "Panik-Aktion" (Besuch!) hatten wird dort im Wohnzimmer die Müllberge in Plastiksäcke gestopft, und bereits damals sind mir einige Maden aufgefallen. Ob der Wohnzimmerteppich inzwischen komplett lebendig geworden ist?

Außer den Sorgen um meine Eltern habe ich auch egoistische Sorgen. Was ist, wenn meine Eltern mal ins Altersheim kommen oder sterben? Dann erbe ich als einziges Kind das völlig vermüllte Haus, wie soll ich das alles nur auf die Reihe kriegen? Außerdem hätte ich selbst genug damit zu tun, mein Leben in die Reihe zu kriegen. Auch ich hätte gerne eine schönere Wohnung, mehr Freunde und vor allem sehne ich mich nach einer Partnerin. Abgesehen davon, daß ich ohnehin schon total schüchtern bin und niemanden kennenlerne, habe ich schon jetzt Angst, wie meine Partnerin auf die Geschichte mit meinen Eltern reagieren würde.

*** Ängste und Phantasien ***

Nein, ich denke nicht, daß ich besonders selbstmordgefährdet bin. Aber es ist schon erschreckend, was einen beim Anblick all diesen Elends für Gedanken kommen. Ja, ich gebe zu, ich habe schon an Selbstmord gedacht, aber das würde meinen Eltern das Herz brechen. Auch noch schlimmere Gedanken ("erst die Eltern, dann ich") habe ich bisher nur kurz gehabt und danach entsetzt wieder verworfen.

Ich Moment bin ich von großen Ängsten geplagt:

Wieviel Jahre brauche ich, um mit meinen samstäglichen Arbeitseinsätzen das Haus wieder bewohnbar zu machen? OK, ich könnte auch ganze Wochenenden opfern, aber da blockt meine Mutter schon wieder ab, daß es ihr zu viel wird. Die Urlaube diesen Jahres (und der kommenden Jahre) werden sicherlich auch zum Großteil für Aufräumarbeiten draufgehen.

Was passiert, wenn sich plötzlich und unvermeidbar Besuch ankündigt? Wenn ein Familienmitglied stribt, kommen Onkel und Tante (die andere tante, nicht die hier im text mehrfach erwähnte) aus Norddeutschland, die ich schon 20 jahre nicht mehr gesehen habe, zur Beerdigung, und stehen also irgendwann vor der Haustür, womöglich sogar mit der Erwartung hier übernachten zu können. Dieser Fall könnte schon bald eintreten, da meine Großmutter 92 und ein Pflegefall ist.

Wie bzw. mit wessen Hilfe entsorge ich die peinlichsten und am schwersten zu beseitigendsten Problemfälle (mit verdorbenen Lebensmitteln gefüllte Geriertruhe)?

Ich habe auch schon daran gedacht, für meine Eltern eine kleine Mietwohnung zu suchen, und das ganze Haus komplett abreißen zu lassen. Hat's so etwas schon einmal gegeben, oder ist das eine völlig verrückte Phantasie von mir?

*** Die "Anderen" ***

Meine Eltern und ich führen das typische Messie-Doppelleben. Niemand in unserem Bekanntenkreis ahnt etwas davon. OK, Gäste (als es noch Gäste gab) haben bemerkt, daß es unaufgeräumt ist, und irgendwo im Treppenhaus herumstehende halb leer gegessene Joghurtbecher hinterlassen auch ihren Eindruck, aber daß es so schlimm ist, ahnt wohl niemand.

Sollte ich den Mut fassen und einen oder mehrere meine Freunde und Bekannten einweihen? Ich habe große Angst davor, weil ich mich so sehr schäme.

Habt Ihr Erfahrungen mit Firmen, die professionelle Entrümpelungen anbieten? Außer der Überwindung der Scham, jemand fremdes in die Wohnung zu lassen, fürchte ich, daß die Kosten hierfür bei einem dreistöckigen Haus inkl. Keller ins Unermeßliche steigen würden.

*** Wendepunkt?! Besser spät als nie?! ***

Diese Woche hatte ich Urlaub und war (immerhin) drei Tage bei meinen Eltern. Danach war ich erstens selbst ziemlich am Ende, und auch meine Mutter bat um eine Pause. jetzt ist heute und morgen Ruhetag, am Samstag fahre ich wieder hin.

Bei meinem Besuch spürte ich wieder einmal deutlich, wie peinlich meiner Mutter das alles ist, und daß sie sich nicht einmal von mir richtig helfen lassen will. Ich merke das daran, wenn Sie mich mal wieder um Sachen bittet wie Einkaufen, von außen die Spinnweben an den Kellerfenstern wegmachen, die Mülltonne putzen etc. Nicht, daß das unwichtig wäre, aber sie weicht dem eigentlichen Problem, den Müllbergen in der Wohnung und den kaputten Klos, Waschbecken, Spülen und Waschmaschinen, konsequent aus.

Immerhin haben wir es dann doch geschafft, den Eingangsbereich der Haustür, sowie das Schlafzimmer zu säubern, Klamotten, und Töpfe in Kartons gepackt, die Lebensmittel (mangels Kühlschrank) wenigstens im Schachteln einsortiert und eine Wagenladung (Kombi mit umgeklappten Rücksitzen) Restmüll entsorgt. Wenn ich hier schon Lebensmittel gefunden habe, deren Haltbarkeitsdatum 10 Jahre abgelaufen war, was erwartet mich dann in den beiden oberen Stockwerken?

Da ich berufstätig bin und 150 km weg wohne, habe ich mir jetzt wenigstens vorgenommen, so oft ich kann (samstags, im Urlaub) zu meinen Eltern zu fahren, um dort aufzuräumen.

*** Vorgehensweise ***

Mein erstes Ziel ist es, wenigstens das Erdgeschoß, in dem meine Eltern derzeit leben, wieder menschenwürdig bewohnbar zu machen, insbesondere die sanitären Einrichtungen und die Küche. Ziemlich übel ist dabei, daß es fast keine Möbel in der Wohnung gibt (1 Bett, 1 Tisch, 1-2 Stühle), schließlich hat meine Großmutter, die vorher dort gewohnt hat, bei Ihrem Auszug ihre Möbel mitgenommen. Ich denke, ich sollte wenigstens ein paar Regale kaufen und aufstellen, um das Ordnung machen/halten zu erleichtern.

Was ist Eurer Ansicht nach die beste Aufrämmethode? Erst alle Lebensmittel heraussuchen und ggf. wegwerfen, dann Kleider, dann Papier etc. oder Stapel für Stapel durchwühlen und sortieren?

Wohin mit all dem Krempel? Müllentsorgung ist klar, aber wohin mit der 30. Tupperdose, die Mutti unbedingt behalten will?

Fremde Hilfe (Freunde, Bekannte, Handwerker) möchte ich, weil ich mich so schäme, erst in Anspruch nehmen, wenn die entsprechenden Räume wenigstens halbwegs normal aussehen. Aber was macht man mit Problemfällen wie dem völlig versifften Kühlschrank, den man alleine nicht aus der Wohnung tragen kann? Da muß man sich zwangsläufig jemand anvertrauen, aber wem? Zur Kühlschrankentsorgung auf der Mülldeponie muß dieser vermutlich leer sein, oder kann man auch eine große Plastikfolie drumherum machen und das Teil samt Inhalt entsorgen lassen?

*** Hilfe gesucht ***

Ich weiß nicht, ob ich das alles alleine schaffe. Gibt es Selbsthilfegruppen in Baden-Württemberg (Adresse/Link)? Ich bin sehr an einem Erfahrungsaustausch interessiert. Gibt es dort evtl. auch Projekte zu gegenseitigen Hilfe? Ich denke andere Messies läßt man lieber in die Wohnung als Nicht-Messies, die womöglich beim Anblick des Chaos entsetzt wieder davonrennen.

Ich bin über jede noch so kurze Antwort dankbar!

Danke fürs Lesen!

Al Bundy

Re: Extremfall?!

Pippi, Donnerstag, 15.05.2003, 23:07 (vor 7650 Tagen) @ Al Bundy

Hallo Al Bundy,


Deine Geschichte hat mich sehr berührt.


Ich bin sonst vorwiegend im Messie-Forum unterwegs,bin zwar auch Angehörige,aber damit habe ich kein Problem,mein Problem ist der eigene Mess.


Dein Problem ist so komplex,daß Du Dir wohl Hilfe suchen mußt.

Die Schwierigkeit ist wohl,daß Du nur richtig aktiv werden kannst,wenn es Deine Eltern selbst möchten,Du kannst (und solltest) gegen ihren Willen nichts tun.
Und rechtlich gesehen sind sie wohl auch die Hauseigentümer und können entsprechende Handwerker oder Dienstleister bestellen.

Wenn Du wirklich vorwärts kommen und nicht nur Kosmetik betreiben willst,wird sich ein offenes Gespräch nicht umgehen lassen.
Das sollte ohne Vorwürfe ablaufen,sonst zieht sich Deine Mutter gleich ins Schneckenhaus zurück.Frag sie doch,was sie für Wünsche mit Ihrer Wohnumgebung verbindet,was ihr wichtig wäre,zu verändern usw.Dann macht Ihr einen konkreten Plan nach Dringlichkeit.Und Du kannst Ihr dann den konkreten nächsten Handlungsschritt vorschlagen.Sicher ist es für sie häppchenweise besser zu bewältigen.


Der Gedanke mit dem Umzug in eine kleinere Wohnung und der Totalentrümpelung hat in Eurem Fall auch was für sich .Aber würden das Deine Eltern überhaupt wollen?
Falls sie sich mit der Idee anfreunden könnten,würde ich dann die Dienstleistung eines Profi-Entrümplers in Anspruch nehmen,sofern entsprechend Geld vorhanden ist.Bei dieser Hausgröße vermute ich mal die Summe,die ein Kleinwagen kosten würde.


Wenn Umzug nicht in Frage kommt,ist Dein Gedanke schon gut,erst mal eine Wohnung wieder nutzbar zu machen.Als Grundlage helfen Dir vielleicht die Erste-Hilfe-Tips,die im Messie-Forum abrufbar sind (im Forumskopf).
Das Wichtigste ist sicher,die Hygiene zu verbessern und Ungeziefer zu bekämpfen.
(Den Kühlschrank darfst Du sicher nur ausgeleert entsorgen.Vielleicht rufst Du doch mal Profis an und fragst nach den Kosten für eine Teilentrümpelung.Bei denen brauchst Du dich nicht wahnsinnig zu schämen,die sind einiges gewohnt und werden schließlich für diese Arbeit gut bezahlt.)


Aber diese Schritte gehen nur in Absprache mit Deinen Eltern.


Sicher gibt es auch in BaWü Messie- oder Angehörigengruppen.Mit Adressen kann ich leider nicht dienen,aber über Google ist vielleicht was zu finden.
Es würde Dir bestimmt guttun,mit anderen darüber zu reden,und Du bekommst möglicherweise konkrete Tips für einen diskreten Entsorger.

Sei realistisch,mit Wochenendeinsätzen und von Dir allein ist dieses Pensum nicht zu bewältigen.Du würdest Dich nur selbst physisch und psychisch ruinieren.
Und das kann es nicht wert sein!


Also,ich wünsch Dir Kraft für die ersten Schritte ,und besonders für den wohl schwersten-das Gespräch über die Zukunft des Hauses.
(Du brauchst ja den Begriff "Messie" nicht zu erwähnen,aber sag auch deutlich,daß Du helfen möchtest und es aber nicht allein schaffen wirst.)


Schreib doch mal gelegentlich,ob Du irgendwie vorangekommen bist.

Alles Liebe von Pippi

Re: Extremfall?!

Ulla, Freitag, 16.05.2003, 12:53 (vor 7650 Tagen) @ Al Bundy

Hallo Al Bundy,

es tut mir sehr leid für dich und deine Eltern, dass ihr solche Sorgen habt.

Du hast einen sehr ausführlichen und, wie ich finde, sehr durchdachten Beitrag hier hereingestellt, der mir zeigt, dass du dich schon systematisch mit dem Problem deiner Eltern - das du ja auch zu deinem eigenen machst - auseinandergesetzt hast. Sicher kennst du auch schon die entsprechenden Seiten im Internet und/oder hast Bücher dazu gelesen.

Deine Eltern brauchen auf jeden Fall Hilfe. Aber dass du allein diese Hilfe leisten kannst, kann ich mir nicht vorstellen. Willst du wirklich jedes Wochenende und die Urlaube auf Jahre hinaus dieser Sache (Aufräumen im Elternhaus) opfern? Was ist, wenn deine Bemühungen nach ein paar Wochen wieder zunichte gemacht wurden, weil deine Eltern ihr Leben gar nicht geändert haben?
Diese Arbeit wäre doch ein Fass ohne Boden.

Also hilf deinen Eltern, sich Hilfe zu suchen, aber besinne dich auch auf dein eigenes Leben!

Vielleicht wäre ein erster Schritt für dich, dich selbst an eine Beratungsstelle (von der Caritas o.ä., Telefonbuch, Gelbe Seiten), die in Lebenskrisen berät, zu wenden. Dort kann man dir sicher weiterhelfen, wenn es um die praktische Hilfe im Elternhaus geht. Wenn du dort gute Erfahrungen machst, ist vielleicht auch deine Mutter bereit, sich an eine Beratungsstelle zu wenden.

Selbsthilfegruppen kann man über das Landratsamt (Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen) erfragen.

Zum praktischen Teil: Ich weiß, dass man sich schämt, wenn Handwerker oder eine Entrümpelungsfirma in ein vermülltes Haus kommen. Aber sie verdienen ihr Geld damit, verstopfte Klos zu reparieren oder Müll wegzubringen, das ist ihr Job! Also versuch, deine Scham zu überwinden, zumal es ja gar nicht dein Haus ist, sondern das deiner Eltern, und hol dir fremde Hilfe. Die Kosten müssten deine Eltern einfach aufbringen, um menschenwürdiger zu leben.

Ich weiß, das klingt viel einfacher, als es getan ist. Aber versuch's trotzdem!

Ich bin sehr berührt von deinen Bemühungen, deinen Eltern zu helfen. Aber vergiss dein eigenes Leben nicht und habe keine Scheu, dir Hilfe zu holen.

Dir und deinen Eltern alles Gute!

Ulla

Re: Extremfall?!

rutzi, Freitag, 16.05.2003, 21:55 (vor 7649 Tagen) @ Al Bundy

Hallo Al-Bundy,

eigentlich dürfte ich Dir ja gar nicht antworten, weil ich selber Messie und kein Angehöriger bin ;-)) Dennoch möchte ich Dir sagen, das mir Dein Posting fast den Atem raubte. Willst Du Dir die Bewältigung all dieser Probleme wirklich alleine zutrauen ? Du (und damit natürlich letztendlich Deine Eltern) brauchen unbedingt Hilfe !!! Ich kann nachvollziehen, dass Deine Mutter peinlich berührt ist und erkenne mich in vielen Dingen wieder (z.B. beim Kontrollieren des Papierschnipsels). Du weisst, dass ich Dir als selbst Betroffene kaum helfen kann, aber Du hast auf jeden Fall mein volles Mitgefühl und ich finde es wirklich toll, wie warmherzig Du über Deine Eltern - trotz aller Probleme - schreibst. Ich drücke Dir alle Daumen, dass Du - und natürlich Deine Eltern, denn ohne deren Hilfe geht es nicht - Erfolge erzielen werden.

Lass mal wieder was von Dir hören
LG, Rutzi

Wie gern

Anneliese, Samstag, 17.05.2003, 01:56 (vor 7649 Tagen) @ Al Bundy

würde ich deine Mutter kennenlernen, weil ich mich mit ihr aufgrund
deiner Beschreibungen seelenverwandt fühle.

Ich hab´mich deshalb "bessern" können, weil ich um Hilfe bat und sie auch bekam.

Die übriggebliebenen Chaosinseln lass ich mir aber von niemandem "weghelfen"Die brauche ich als Spiegel meines Innenlebens und der furchtbaren Zustände auf
der Welt.
Solange das Chaos in meinem ganz persönlichen Bereich bleibt und sich nicht auf den Wohnbereich audehnt, hat meine Familie nichts dagegen.

Da deine Eltern mit ihrem verwahrlosten Haus niemanden direkt stören, haben sie auch das Recht dazu. Zum Glück wohnst du weit genug weg und kannst frei nach deinen Vorstellungen wohnen....und die Verwandten können sich andere Übernachtungsmöglichkeiten suchen.

Natürlich ist es schlimm für dich, während deiner Besuche mitansehen zu müssen, wie deine Eltern mehr und mehr "versumpfen".....aber zwangsbeglücken kannst du sie nicht....auch wenn du sie noch so liebst.....und ich bin beeindruckt, wie engagiert du ihnen helfen würdest, wenn sie dich ließen.Wissen sie eigentlich, was sie an dir haben ? Sie bräuchten nur die Einsicht aufzubringen, dass sie nicht wegen der Leute ihr Haus sanieren sollten, sondern ihrer eigenen Gesundheit zuliebe.....Sie müssten irgendwie von deinem Erwartungsdruck befreit werden, damit sie selbst r e a l i s t i s c h e r einschätzen können, wo es sinnvoll wäre....Ordnung zu schaffen und zu halten, ohne auf chaotische Freiräume da und dort verzichten zu müssen.

Wie schwierig muss es für dich sein, mit deinen ambivalenten Gefühlen umgehen zu lernen.Einerseits liebst du deine Eltern und andererseits weißt du nicht, wohin mit deiner Wut !!!

Folgender Vorschlag hat nichts mit Erpressung zu tun. Ich würde als Tochter erst dann wieder auf Besuch kommen, bis es die braune Brühe im WC nicht mehr gibt. Ich würde mit ihnen spazieren oder ins Cafehaus gehen , mich ihnen nach wie vor liebevoll zuwenden, über dies und jenes reden aber ja nicht über die Dringlichkeit von Renovierungs- und Entrümpelungsaktionen.Da müssen sie einfach selber draufkommen.
Sie würden aber einen Gutschein von mir daheim liegen haben, der sie an meine Unterstützungswilligkeit erinnert.
Ich würde ihnen meine ehrliche Meinung nur dann sagen, wenn sie danach fragten.........................................................................................................leichter geschrieben, als geschwiegen..............ich tu mir da auch so schwer.....aber sie sollten schon wissen, dass ich auf ihren "Startschuss" warte.
Liebe Eltern!
Sage ich euch, was ich denke,
weiß ich, dass ich euch nur kränke.
Weil ich euch nicht kränken will,
verhalt´ ich mich so lange still,
(auch wenn es in mir n o c h so bebt),
bis ihr mir die Erlaubnis gebt,
meine Meinung euch zu sagen.
I h r braucht n u r danach zu fragen,
wenn die Zeit gekommen ist.
Ich hoffe, dass ihr wirklich wisst,
wie wichtig ihr mir beide seid.
Ich liebe euch, trotz all dem Leid,
das ich verzweifelt in mir trage
und es nicht zu sagen wage.
Irgendwann seid ihr bereit....Es hat wohl alles seine Zeit.


Ich hoffe, mich mit meinen "Empfehlungen" nicht aufgedrängt zu haben.

Anneliese

Re: Extremfall?!

Al Bundy, Sonntag, 18.05.2003, 12:00 (vor 7648 Tagen) @ Al Bundy

Hallo liebe(r) Anneliese, Pippi, rutzi, Ulla,

vielen Dank für Eure Antworten, über die ich mich sehr gefreut habe. Ich hoffe, Ihr seid mir nicht böse, wenn ich nicht jedem einzeln antworte, sondern nur diesen einen Beitrag schreibe.

Gestern (Samstag) war ja wieder ein Besuch bei meinen Eltern geplant. Am Freitag Abend dann der erste Rückschlag. Meine Mutter rief an, wir sollten das ganze nochmal verschieben. Ich vermute Sie tut das, weil Sie sich schämt, sogar vor mir. Genauer: sie sagt immer, sie würde selbst auch noch weiter aufräumen, schafft es dann aber alleine nicht, und macht sich die Illusion, daß es eine Woche später besser aussieht. Kennt Ihr das auch? Nachdem ich sie dann mit Engelszungen überreden mußte, blieb es doch beim vereinbarten Termin.

Und es gibt tatsächlich erfreuliches zu berichten: obwohl ich wahrlich kein guter Heimwerker bin, ist es mir gelungen, das zweite WC wieder flott zu machen. In der Köche gibt es immerhin einen "Trampelpfad" zu Spüle hin, die wir dann auch freigeräumt und geputzt haben (Kaltwasserhahn defekt, aber warmes Wasser OK). Und das Beste: der Kühlschrank, von dem ich befürchtete, er würde sich bald von selbst bewegen, war leer. Uff!

Was das Aufräumen betrifft, nehme ich mir vermutlich noch zu viel vor ("heute räumen wir das Bad auf"), da muß ich noch lernen, mir realistischere Ziele zu setzen.

Was die Notwendigkeit externer Hilfe betrifft, denke ich einerseits, ihr habt recht, andererseits ist da auch bei mir selbst die Hemmschwelle sehr hoch.

Viele Grüße,

Al Bundy

Frage

Anneliese, Sonntag, 18.05.2003, 20:52 (vor 7647 Tagen) @ Al Bundy

Keine braune Brühe mehr ?

Re: Frage

Al Bundy, Montag, 19.05.2003, 22:20 (vor 7646 Tagen) @ Anneliese

Keine braune Brühe mehr ?

Zum Glück nicht. Folgendes war nötig, um die Brühe zu beseitigen:

- Kleinerer Püpel/Saugglocke/wieauchimmerdasdingheißt aus dem Baumarkt, weil das WC so einen kleinen Abfluß hat und Pümpel der normalen Größe nichts nutzen.
- Plastikhandschuhe wegen der Spritzer am Anfang, als die Brühe noch stand
- Etwas Geduld

Ich war auch überrascht, daß es ohne Handwerker ging.

Gruß, Al Bundy

Danke für Antwort

Anneliese, Dienstag, 20.05.2003, 19:52 (vor 7645 Tagen) @ Al Bundy

Gratuliere

Mit passendem Werkzeug Brühe weg.
und wenn keine Ratten herumflitzen....keine Motten fliegen......kein Schimmel sich ausbreitet....... keine Küchenabfälle verrotten.......die Nachbarn sich nicht gestört fühlen ,ist ja alles in bestem Chaos....und du kannst getrost die Wochenenden woanders verbringen, ......es sei denn du w i l l s t wirklich selbst gern ab und zu deine Eltern ,je nach Zeit und Muße besuchen .... dann steigst halt einfach mit stöckelfreien Schuhen über die Kisten drüber ...und gönnst ihnen ihre persönliche Unordnung ......meiner Meinung nach haben sie ein Recht darauf . Richtest deiner mir seelenverwandten Mutter einen maischen Gruß aus ? Unbekannterweise ....Anneliese

Re: Extremfall?!

Merlin, Dienstag, 20.05.2003, 00:51 (vor 7646 Tagen) @ Al Bundy

Variante 1 und Variante 2

Dein Problem ist so einfach, daß Du es heute hier und jetzt angehen kannst:

Variante 1 für DICH:

Du machst weiter wie bisher, vielleicht nur noch 10, vielleicht noch 20 Jahre, diskutierst wegen jedem alten Topf oder Zeitschrift aus den späten 70igern herum, versuchst mit Streitereien und Widerständen Deine Sommertage zu verbringen und fährst Sonntagabends erschöpft wieder zurück. Deine Mutter hat aus Gründen, die jahre- oder jahrzehntelang zurückliegen ein inneres Chaos, welches sie nach außen jedes Wochenende an Dir projizieren kann. Mit 69 hat sie keine Lust ihr Weltbild ändern wollen, daher ist sehr gelegen, daß sie Dich - Woche für Woche - als schuldig an ihrem Chaos hinstellen kann. Deine Versuche Ordnung zu schaffen scheitern mit schöner Regelmäßigkeit an ihrer betonierter Eigensinnigkeit, das Chaos NICHT zu verändern. Die Sachen in Glas, Papier, Metall und Restmüll zu trennen findest Du überaus mühsam, besonders weil bei jedem Stück noch stundenlang herumdiskutiert wird. Außerdem findest Du selbst als leichter Messie, daß man durchaus zwei Bügeleisen brauchen könnte (wiewohl Deine Mutter auf fünf beharrt)(ein Normalo braucht ein Bügeleisen, ein echter Profi keins, aber das ist eine andere Geschichte).

Nach nur zwei Jahren und in etwa hundert verpatzten Wochenenden hast Du zwar bereits einige Zimmer aufräumen können, die werden aber aus bisher ungeklärter Ursache wieder vollgeräumt worden sein.

Variante 2 für DICH:

Du investierst 22 Euro in Deine Zukunft und läßt Dir das Buch "Verstrickt in die Probleme anderer" von Pia Mellody per Postversand zusenden, entdeckst, daß Du etwas Co-Dependentes in Dir hast (nona bei dem Umfeld !).

Du nutzt Deine Wochenenden und fährst nach Colmar, Freiburg oder Basel; im Urlaub fährst Du ans Meer.

Du sparst Dir die 150 km Benzin hin und retour und findest langsam Energien ein eigenes Leben zu führen mit Freunden und Bekannten. Plötzlich hast Du auch mehr Freude Dich um die Mädels, die laufend rund um Dich auftauchen, zu kümmern. Deine Mutter versucht zwar wiederholt Dich zu kontaktieren, doch Du hast gelernt gesunde Grenzen zu ziehen und Du siehst Deine Eltern siebenmal im Jahr (zu Weihnachten übrigens nicht) auf etwa zwei Stunden auf einen kleinen Ausflug (das genügt, findest Du). Außerdem merkst Du, daß Dich die ewigen Geschichten sowieso immer weniger interessieren. Irgendwann läßt Du eine Entrümpelungsfirma mit einem Lastzug aufmarschieren, die Kosten kannst Du aufgrund Deines beruflichen Erfolges locker verschmerzen.

Where do you want to go today ?

Herzliche Grüße
Merlin


PS: ich habe noch einige andere Zeilen vorbereitet, (nicht so überspitzt formuliert und mit Erklärungen), aber vorher möche ich lesen, was Ihr (Messies und Angehörige von Messies, vielleicht gibts sogar einen echten Nichtmessie darunter) dazu sagt ?

Zwei Varianten

Pippi, Dienstag, 20.05.2003, 08:57 (vor 7646 Tagen) @ Merlin

Hallo Merlin,

Die Variante 2 klingt richtig gut,eigentlich kann man sie gar nicht ablehnen.


Steht in dem von Dir empfohlenen Buch auch,wie man dahinkommt?


Aber ich glaube,in der Problematik stecken noch kompliziertere Ängste,die nicht so einfach aufzulösen sind.

Leider scheidet nicht jeder Mensch nach einem erfüllten Leben plötzlich dahin.
Der überwiegende Teil verfällt langsam,braucht immer mehr Betreuung und Pflege.

Und in diesem Fall sind die Kinder in der moralischen (und gesetzlichen)Pflicht,sich zu kümmern.
Wie macht man das in diesem Fall?


Ich verstehe die innere Zerrissenheit.Und ich verstehe auch,wenn jemand die "einfache" Lösung nicht schafft.

Hast Du es geschafft?

Liebe Grüße von Pippi

Re: Zwei Varianten

Merlin, Mittwoch, 21.05.2003, 20:01 (vor 7644 Tagen) @ Pippi

Hi Pippi,

Hallo Merlin,
Die Variante 2 klingt richtig gut,eigentlich kann man sie gar nicht ablehnen.

bis auf das mit dem Lastzug hab ichs auch gemacht

Steht in dem von Dir empfohlenen Buch auch,wie man dahinkommt?

Nein, natürlich nicht; eher zu erkennen was Co-Dependenz ist usw
Auch nicht viel anderes als in anderen Büchern, ich habs gut gefunden zum lesen.

Aber ich glaube,in der Problematik stecken noch kompliziertere Ängste,die nicht so einfach aufzulösen sind.

na klar, aber mir gehts nicht um den armen Messie, der sich nicht ändern will, sondern um den Angehörigen, der sich und den Messie und die Situation absichern muß. Weil der Messie nichts angeht, muß der andere viel mehr tun.

Leider scheidet nicht jeder Mensch nach einem erfüllten Leben plötzlich dahin.
Der überwiegende Teil verfällt langsam,braucht immer mehr Betreuung und Pflege.
Und in diesem Fall sind die Kinder in der moralischen (und gesetzlichen)Pflicht,sich zu kümmern.
Wie macht man das in diesem Fall?

Pflicht ja, Selbstaufgabe nein;
Unterstützung ja, Aufopferung nein;
und man darf delegieren.

Ich verstehe die innere Zerrissenheit.Und ich verstehe auch,wenn jemand die "einfache" Lösung nicht schafft.

Hast Du schon beides probiert ?
Variante 1 probierst Du nicht, mit der wächst Du auf. Die kennst Du, und Du kennst nichts anderes.
Auf Punkt 2 kommst Du drauf, das es das auch gibt.

Das Komische an der Situation ist ja, daß man Variante 1 viel zu lange mitmacht, obwohl man Variante 2 kennt, ausprobiert hat und für besser befindet.

Du kommst auch auch gleich mit der ewigen moralischen Plicht:
und immer gleich schön brav schuldig fühlen wenn man nicht das macht, was der Messie will, gell ! Ja kein eigenes Leben führen, gell.

Da draufzukommen hilft z.B. das Buch von der Pia Mellody.

Im Grunde haben für mich Messies oft versteckte herrschsüchtige, selbstschadende und unnachgiebige Züge; sind also letzlich nicht partnerfähig.
Ich find diese ewigen Ausflüchte des Messies, dieses Jetzt-Nicht und Später und Dann weit unerträglicher als die Dinge einmal anzugehen, auf einmal merkt man erst wie das Messieverhalten ihm und der Umgebung Energien richtiggehend wegfrißt.

Hast Du es geschafft?

Alles aufzuräumen: nein; aber es geht gut voran.
Außerdem möcht ich differenzieren zwischen mir, dem Messie und der gemeinsamen Situation. (siehe auch anderes Posting)

Trennen, Abkoppeln, Grenzen setzen ist das Einzige, was bei Messies hilft.
Fällt Dir nicht auf, daß ältere Messies wirklich nur noch die Kinder haben, weil die einfach meist nicht davonlaufen, so wie der Rest der Verwandtschaft und alle anderen längst vorher ?

Liebe Grüße von Pippi

detto Merlin

Re: Zwei Varianten

mit-leidende, Freitag, 11.07.2003, 15:38 (vor 7594 Tagen) @ Merlin

Im Grunde haben für mich Messies oft versteckte herrschsüchtige, selbstschadende und unnachgiebige Züge; sind also letzlich nicht partnerfähig.
Ich find diese ewigen Ausflüchte des Messies, dieses Jetzt-Nicht und Später und Dann weit unerträglicher als die Dinge einmal anzugehen, auf einmal merkt man erst wie das Messieverhalten ihm und der Umgebung Energien richtiggehend wegfrißt.

oh ja, ich bin gerade dabei, das ziemlich deutlich zu merken
ich mach mal schluss für heute mit lesen hier, das nimmt mich alles etwas mit

Einfach??? Hm......

Anneliese, Dienstag, 20.05.2003, 20:51 (vor 7645 Tagen) @ Merlin

Dein Problem ist so einfach, daß Du es heute hier und jetzt angehen kannst:


§§§Einfach ? Find´ ich nicht ! Meiner Meinung nach ist es ziemlich schwierig.

Es war einmal in einem Stamm so Sitte, dass alte Menschen , eingesperrt in einem Käfig , ins Meer hinuntergelassen wurden. Als ein kleiner Junge, der gerade Zeuge dieser "Entsorgungszeremonie" war, zu seinem Vater sagte, dass er später einmal das Gleiche mit i h m machen würde......wurde dem Vater plötzlich klar, dass er mit dieser Tradition sofort brechen musste....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... weil er nicht das gleiche Schicksal erleiden wollte und so konnte er noch rechtzeitig siene Eltern , die Großeltern seines Sohnes vorm Ertrinken retten.

Dieses Beispiel ist sehr extrem, aber ich wollte damit nur bewußtmachen, dass wir alle einem steten Alterungsprozess unterworfen sind , auch wenn wir´s nicht wahrhaben wollen, solange wir noch unter der 40erlinie unser Leben genießen.....deshalb mein empfohlenes Buch von Marianne Künzel-Schön mit dem Titel.
Wenn
unsere
Eltern
älter
werden
Familienbeziehungen-Pflegebedürftigkeit-Generationenkonflikt-Erfahrungen und Informationen...erschienen im ro-ro-ro Verlag

Ich
danke
dir
für
deine
Buchempfehlung
und
zitiere
dich
..
..

"Du investierst 22 Euro in Deine Zukunft und läßt Dir das Buch "Verstrickt in die Probleme anderer" von Pia Mellody per Postversand zusenden, entdeckst, daß Du etwas Co-Dependentes in Dir hast "

Wenn ich das Buch von Marianne Künzel-Schön als T H E S E betrachte
und das von Pia Mellody als A N T I T H E S E ..dann such ich noch nach einer
S Y N T H E S E.....aber wo finde ich sie ?


Folgende, von dir vorgeschlagene Lösung wirkt auf mich z u rücksichtslos :
Ich zitiere dich:

"Irgendwann läßt Du eine Entrümpelungsfirma mit einem Lastzug aufmarschieren, die Kosten kannst Du aufgrund Deines beruflichen Erfolges locker verschmerzen."

Kannst du dir vorstellen, Merlin, wie sehr die Eltern von Bundy unter dieser zu massiven Vorgehensweise leiden würden.?.....Natürlich bin ich so wie du der Meinung, dass sich zu sehr Verantwortlichfühlende mit ihrer Co-abhängigkeit auseinandersetzen müssen, wenn sie nicht auf der Strecke bleiben wollen.



Un nun noch zu deinem Schlusszitat:


"PS: ich habe noch einige andere Zeilen vorbereitet, (nicht so überspitzt formuliert und mit Erklärungen), aber vorher möche ich lesen, was Ihr (Messies und Angehörige von Messies, vielleicht gibts sogar einen echten Nichtmessie darunter) dazu sagt ?"

Ich, ein e h e m a l i g e r, besser gesagt, ein " t r o c k e n e r " Messie ,bin an deinem nächsten Beitrag interessiert.

Anneliese

Re: Einfach??? Hm......[Ich krieg hier noch die Motten!!]

The Outcast, Dienstag, 20.05.2003, 23:43 (vor 7645 Tagen) @ Anneliese

Folgende, von dir vorgeschlagene Lösung wirkt auf mich z u rücksichtslos :
Ich zitiere dich:

"Irgendwann läßt Du eine Entrümpelungsfirma mit einem Lastzug aufmarschieren, >die Kosten kannst Du aufgrund Deines beruflichen Erfolges locker verschmerzen."
Kannst du dir vorstellen, Merlin, wie sehr die Eltern von Bundy unter dieser zu >massiven Vorgehensweise leiden würden.?.....Natürlich bin ich so wie du der >Meinung, dass sich zu sehr Verantwortlichfühlende mit ihrer Co-abhängigkeit >auseinandersetzen müssen, wenn sie nicht auf der Strecke bleiben wollen.

Kannst Du Dir vorstellen, wie ein Betroffener darunter leidet, wie sein Leben zum Teufel geht, nur weil einer in der Sippe durch den Wind ist, und die Bude als Müllkippe mißbraucht?
Muß ich denn aus einem Haus ausziehen, das zur Hälfte mir gehört und in das ich schon x-Arbeitsstunden gepumpt habe, nur weil die andere Hälfte eine Schraube locker hat und austickt?

Merlin hat RECHT, hier helfen nur Radikallösungen, Container kommen lassen und den Kram reinschippen!! Es kommt der Punkt, an dem Worte nichts mehr helfen, Bullshit talks, Action walks!
Es hilft einem hier niemand, Freunde können nicht helfen, andere Familienmitglieder können nicht helfen, was soll man denn machen, wenn sofort abgeblockt wird, sobald die Probleme zur Sprache kommen?!

Wenn ich dieses Forum lese, lese ich immer nur "Ach Gottchen, die armen Messies, die sind doch krank, auf die muß man doch Rücksicht nehmen, da darf man nichts gegen deren Willen tun und natürlich Verständnis haben..." etcpp.
Ich hab's auch lang genug im Guten probiert, mit zureden, bitten, drohen und lehren, es hat keinen Zweck!!

Natürlich gibt es Krawall, wenn man eine Räumaktion ansetzt, aber immer noch besser so, als wenn die Behörden wegen Verwahrlosung einschreiten müssen!!
Ich kann allen Betroffenen nur raten, räumt auf, macht unmißverständlich klar, das das Fehlverhalten nicht geduldet wird. Nur so könnt ihr letztendlich auch den
Messies in eurer Familie helfen, und nur so kommt letztlich Ordnung in die Sache!

Wenn darüber auch das Verhältnis zum "Messie" in die Brüche geht, muß man sich eben vergegenwärtigen, daß man Eier zerschlagen muß, um ein Omelett zu braten!
Mir jedenfalls hat die angesetzte Radikallösung echt gutgetan, ich bin zwar noch lang nicht fertig, doch mit jedem Quadratmeter, den ich vom Müll meiner Schwester
befreit habe, habe ich ein Stück Leben zurückgewonnen, und mit den ersten Siegen ist auch die Lust am Kämpfen gewachsen!!

Un nun noch zu deinem Schlusszitat:


"PS: ich habe noch einige andere Zeilen vorbereitet, (nicht so überspitzt formuliert und mit Erklärungen), aber vorher möche ich lesen, was Ihr (Messies und Angehörige von Messies, vielleicht gibts sogar einen echten Nichtmessie darunter) dazu sagt ?"

Der Nichtmessie ist hier!

Ich, ein e h e m a l i g e r, besser gesagt, ein " t r o c k e n e r " Messie ,bin an deinem nächsten Beitrag interessiert.
Anneliese

Auch ich sehe dem erwartungsvoll entgegen.

The Outcast

Re: Einfach??? Anfangs nicht, aber dann

merlin, Mittwoch, 21.05.2003, 18:23 (vor 7644 Tagen) @ The Outcast

Ich hab beides Probiert, kein Vergleich !

Ich weiß, so einfach ist die Sache mit dem Wegwerfen nicht, kann JAHRELANG dauern: Bewußtwerdungsprozeß usw. Je klarer der Kopf, desto schneller sind die Sachen weg. Problem ist meist, daß Kinder (ähmm auch erwachsene Kinder) von Messies selbst genau mit der Grenzziehung, die Messies überhaupt nicht können, selbst hin und her schwanken: sprich einmal total systematische Ordnung, tiptop, beinahe katalogreife Wohnungen oder dann wieder selbst zum Chaos tendieren.
Allerdings der Unterschied: Echte schwere Messies wollen und vor Allem können nicht aufräumen, leichte Chaoten schaffen dies aber immer wieder.

Aber:
Je mehr man aufräumt und schlichtet, desto schneller wird man beim Wegwerfen ! Aber das Wesentliche ist nicht der Wegwerfprozeß (kostet viel Zeit und einiges Geld), sondern der Bewußt- und Selbstfindungsprozeß: kostet Jahre, weniger Geld aber viel Beschäftigung und Feedback; ist etwas, was ein echter Messie nicht tun will, weil verdrängen und weitersammeln einfacher ist).

Und das ist für die Kinder von Messies so schwierig: weil der emotionale Bezug zu den Eltern ja schließlich stark ist und man nicht und nicht einsehen will, das die Beziehung dysfunktional ist.

Im Grunde üben Messies unheimliche Macht über ihre Umgebung aus, weil sie sich je nach Situation unheimlich gut weinerlich, arm, mitleidig oder überheblich, besserwisserisch oder herrschsüchtig geben können. Und immer eine Ausrede und einen Grund finden (und wenn er 40 Jahre zurückliegt). Wer läßt schon seiner armen Mutter, die doch jedes Häferl sich vom Mund abgespart hat, alles einfach per fremden Leuten wegführen und schickt ihr dann noch die 4000 Euro Entrümpelungsrechnung ?

Na eben, Co-Dependente brave Kinder tun das nicht.

Ich finde, daß das eine „knallharte“ Entscheidung ist, aber wer fragt eigentlich Messiekinder nach ihrem Seelenleben ? (und nach der Arbeit der doppelten Aufarbeitung: nämlich des Seelenlebens des Messies und des eigenen Seelenlebens).

In diesem Forum wurde geschrieben dieses Aufräumen ist so ermüdend. Genau das ist es, und aufräumen für zwei (vielleicht für die uralte Großmutter auch noch) geht an die Grenzen der eigenen Kapazität. (und das merken Codependente erst dann, wenn sie selbst nicht o.k. sondern k.o. sind).

Aufräumen im seelischen und im realen Sinne: Etwas, was Messies NIE tun.
Ich versuche ein Nichtmessie zu sein, deshalb bin ich beim aufräumen


1.DU UND DEIN UMFELD - AUFRÄUMEN

Räum den inneren eingelernten Messie in Dir aus (das Schwerste !!!!)
(sozusagen ein gleichschwingendes Element in Dir was Du das draußen an Chaos siehst)
Räume den Mist in Deinem Umfeld (von Dir gemacht) auf.
Räume den Mist in Deinem Umfeld (vom Messie gemacht) auf.

1.DU UND DER MESSIE - GRENZZIEHUNG

Kläre die Beziehung zum Messie und setze Grenzen für Dich in Bezug auf den Messie.
(Du merkst daß Du durchlässige Grenzen hattest, es wird aber besser)
Kläre die Beziehung zum Messie und setze Grenzen für den Messie in Bezug auf Dich.
(Du merkst daß der Messie Grenzen nicht einhält; die setzt Du ihm, was Dich betrifft)
Lass den Messie keinen Mist mehr in Deinem Umfeld machen.
Stop hier und fahr auf Urlaub.(sprich das ganze ist für Dich einigermaßen erledigt)

2. DER MESSIE UND SEIN UMFELD - DELEGIEREN

Wenn Du wirklich zuviel Energie hast ruf jemanden an, der das Umfeld des Messies in Ordnung bringt.
Vielleicht ändert sich der Messie, wahrscheinlich nicht. Es ist für Dich nicht mehr so wichtig wie es einmal war.


Ergebnis:
Minus: Du mußt eine emotionale Trennung mit einem für Dich wichtigen Menschen verkraften
Plus: Du gewinnst Dein Leben in einer völlig neuen, bisher nicht dagewesenen Qualität


Viel Mut an alle Aufräumer
Merlin

Re: und wie einfach das wirklich geht

Merlin, Mittwoch, 21.05.2003, 20:24 (vor 7644 Tagen) @ The Outcast

Merlin hat RECHT, hier helfen nur Radikallösungen, Container kommen lassen und den Kram reinschippen!! Es kommt der Punkt, an dem Worte nichts mehr helfen, Bullshit talks, Action walks!

Ich weiß nicht, von mir aus ein paar Schachteln mit wertvollem Kram aufheben, aber den Rest, am Dachboden angefangen, zu zweit mit dem Besen hinunterschieben bis vor die Haustür, und am besten rein in den Kombi. (haben Freunde von mir so gemacht einen Tag lang so gemacht, ich hab das nicht gekonnt, aber ich habe es gelernt: fantastisch)

Vergeßt die Halbmessies und die ganzen tollen Tips (heute motiviere ich mich noch schnell mit einem warmen Vollbad, nachher mache ich mir die Todo Liste und morgen fange ich dann an mit den Schuhen und wenn nicht morgen dann übermorgen oder zumindest irgendwann).

Merke: auch ein sortierender Messie ist ein Messie.

Der erste Kasten, der aus dem Fenster fliegt, (nein, kein Druckfehler, Ihr habt schon richtig gelesen) da denkt man noch: das schöne Holz, was der wohl wert ist, und überhaupt den kann man doch nicht weggeben ...
Der zweite fliegt schon viel schneller,
und der dritte gleitet förmlich wie von alleine in einem wunderschönen Bogen hinaus ins Freie.

Natürlich heißts dann noch zerkleinern, rein in den großen Kombi (mit einem VW Golf hast da keinen Auftrag/keine Chance), zum Mistplatz fahren, dort in die Riesentonne, zurück; Kostet verdammt viel Schweiß, Benzingeld und echte Arbeit.

Aber der Lohn, dieses innere Freiwerden von fremden Müll, mit dem man sich seine Zeit verbaut hat; Diese Loslösung von Kram, Geschichten, auch der eigenen Geschichte, ist fantastisch.

Mir jedenfalls hat die angesetzte Radikallösung echt gutgetan, ich bin zwar noch lang nicht fertig, doch mit jedem Quadratmeter, den ich vom Müll meiner Schwester
befreit habe, habe ich ein Stück Leben zurückgewonnen, und mit den ersten Siegen ist auch die Lust am Kämpfen gewachsen!!

Bei mir ist es nicht anders: Jetzt, wo ich gelernt habe binnen Minuten ganze Küchenmöbel aus dem Haus tragen, habe ich auch selbst nicht mehr diese elende Entscheidungsproblematik; aber was noch wichtiger ist: ich hab kein schlechtes Gewissen dem Messie gegenüber mehr, ich finde nicht mehr, daß die Dinge wichtig sind (und ich merke sehr stark, währenddem ich das hier schreibe, daß sich meine Beziehung zum Messie schwerst abgekühlt hat).

Irgendwo baut sich dann auch die Wut gegenüber dem Messie über den verlorenen Platz, die verlorene Zeit ab, sobald man gewisse Plätze im Wohnraum wieder bewohnen/genießen kann.

Fröhliches Weiterwerken !
Merlin

PS: Würd mich echt interessieren wieviele Container/Kombifahrten das bei Dir so bisher waren ?

Da brauchst'n Anhänger!

The Outcast, Samstag, 24.05.2003, 14:26 (vor 7642 Tagen) @ Merlin

Fröhliches Weiterwerken !
Merlin
PS: Würd mich echt interessieren wieviele Container/Kombifahrten das bei Dir so bisher waren ?

Salve, Merlin,

Mit'm großen Anhänger (ca.1,5m*2,5m) sind wir etwa 8x gefahren.
Das war aber alles Zeug, was der Sperrmüll nicht mitgenommen hat, und was auch nicht brannte. Gut, daß wir etwas abgelegen wohnen.... (Feuer frei!!!)

Gruß,

The Outcast

Re: Da brauchst'n Anhänger!

Merlin, Mittwoch, 28.05.2003, 00:33 (vor 7638 Tagen) @ The Outcast

Hi, The Outcast,
ich kann nur sagen: Du hast es vollkommen richtig gemacht;

ich sortiere herum, hebe auf, was neuwertig ist oder mir so vorkommt;
und es frißt nach dem ganzen Müll und Mülltrennung und den Jahren an Ärger, Streit, nichts tun dürfen, nichts tun können immer noch Energien auf.

Ich bin 112x mit dem Kombi (Passat Variant) gefahren zum Mistplatz, und ich war viel zu wenig radikal; ich hab immer noch die "schönen Möbel" und den ganzen Haushaltskrimskrams, den kein Mensch braucht. Aber ich befreie mich Meter für Meter, Zimmer für Zimmer.

Zum Wohl !
Merlin

Fröhliches Weiterwerken !
Merlin
PS: Würd mich echt interessieren wieviele Container/Kombifahrten das bei Dir so bisher waren ?

Salve, Merlin,
Mit'm großen Anhänger (ca.1,5m*2,5m) sind wir etwa 8x gefahren.
Das war aber alles Zeug, was der Sperrmüll nicht mitgenommen hat, und was auch nicht brannte. Gut, daß wir etwas abgelegen wohnen.... (Feuer frei!!!)
Gruß,
The Outcast

Im Nachhinein...

Anneliese, Donnerstag, 22.05.2003, 09:49 (vor 7644 Tagen) @ The Outcast

....wird mir immer mehr bewußt, wie meine Familie gelitten haben muss....aber bei mir war der Vorteil, dass ich e i n s i c h t i g war und mich nicht nur einer jahrelangen Therapie unterzog, sondern auch verschiedene "Trainer" engagierte, die in regelmäßigen Abständen zu mir nach Hause kamen und mir Schritt für Schritt weiterhalfen.

Als ehemaliger Messie ......nein...der Begriff MESSIE wirkt auf mich auch jetzt noch im sogenannten "trockenen" Zustand wie eine sich nach unten drehende Spirale.......deshalb hab ich eine neue "Schublade" für mich gefunden und so sehe ich mich inzwischen als eine nicht mehr störenwollende aber weiterhin chaosbrauchende und doch auch ordnungsliebende Lebenskünstlerin....und als diese bin ich meiner Familie unbeschreiblich dankbar für ihre jahrelange Geduld........und dass es keine Zwangsräumung gegeben hat........Nicht auszudenken....was da mit mir passieren hätte können........wo ich heute wäre...
Ein Messie führt ein Doppelleben....weil er trotz seiner fallweise perfektionistischen Aufräumattacken unter seiner immer wieder hereinbrechenden Unordnung leidet.......und schämt sich bis in die Knochen.......wenn Besuch kommt.

Seitdem ich dieses entsetzlich anstrengende Doppelleben nicht mehr führe , Rücksicht nehmen gelernt habe und nebenbei weiterhin meinen abgegrenzten Chaosbereich kompromissbereit genießen darf , fühle ich mich endlich mit meinen doch schon 47 Jahren der Erwachsenenwelt zugehörig , wobei ich offen zugebe,zu meinem Inneres Kind auf einer anderen Ebene gefunden zu haben mit neuentdeckter Lebensfreude , Wahrhaftigkeit und Kreativität.

Genauso wie großzügige Ordnung............ brauche ich...........begrenztes Chaos.......um das Wissen um die Not auf dieser Welt aushalten zu können.

An alle Nichtmessies.......Bei meinem Versuch, mich in eure zermürbendqualvolle Wohnsituation hineinzuverstzen ,wird mir ganz mulmig zumute und ich bedaure euch durch und durch ....... A B E R T R O T Z DE M :Zwangsräumung ist eine kurzfristige Lösung .....und was kommt danach?

Wie schmerzvoll wurde mir bewußt, was ich füher meiner Familie angetan und zugemutet habe....Die Vergangenheit kann ich nicht mehr ungeschehen machen und doch wurde mir vergeben...und dieses Glück weiß ich sehr zu schätzen....noch dazu , weil ich bereits auf dem Weg bin, mir selbst meine früheren dominierenden Rücksichtslosigkeiten zu vergeben.

Solange ein Messie n u r um sich kreist und ihm nicht b e w u ß t wird, wie sehr er seine Angehörigen stört, erzeugt jeder Druck einen umso größeren Gegendruck.....
Auch Raucher können sich oft nicht vorstellen, dass Nichtraucher mitten in ihrem Qualm alle Zustände bekommen......nur keine guten.

Eine Radikalräumung ist nur dann langfristig sinnvoll, wenn die Betroffenen einsichtig zustimmen und nachher zu kompromissbereiten Verhandlungen und Abgrenzungen bereit sind.

Ich weiß leider kein "Patentrezept" anzubieten.......außer im schlimmsten Fall
die Flucht zu ergreifen.

Anneliese..
.die sich überhaupt nicht erklären kann, w a r u m Erwachsene einen Gegenstand, den sie hergeräumt haben, nicht aufräumen können....das lernt man ja schon im Kindergarten........aber Wissenschaftler bemühen sich bereits um Antworten..

Re: Extremfall?!

Al Bundy, Sonntag, 25.05.2003, 21:15 (vor 7640 Tagen) @ Merlin

Hallo Merlin,

zu Variante 1:

OK, Deine Zukunftsprognose hört sich nicht gerade toll an. Aber im Moment habe ich eben dieses starke Bedürfnis zu helfen, das kann ich jetzt nicht so einfach ausschalten. In wie weit meine Motivation anhält, kann ich noch nicht sagen. Das wird u.a. davon anhängen, wie gut ich vorankomme bzw. wie schwer die Rückschläge sind, z.B. wenn in bereits aufgeräumten Zimmer wieder das Chaos einzieht.

daß sie Dich - Woche für Woche -
als schuldig an ihrem Chaos hinstellen kann.

Das tut sie nicht.

Deine Versuche Ordnung zu schaffen scheitern mit schöner
Regelmäßigkeit an ihrer betonierter Eigensinnigkeit, das
Chaos NICHT zu verändern.

Ob sie das Chaos ändern will oder nicht, muß ich erst noch herausfinden. Sie sagt zwar ja, und glaubt es vielleicht auch, aber wie es unterbewußt aussieht, bzw. ob Sie die Ordnung aufrecht erhalten kann?

Außerdem findest Du selbst als leichter Messie, daß man
durchaus zwei Bügeleisen brauchen könnte

Erstaunlicherweise habe ich nur eines.

ein echter Profi keins, aber das ist eine andere Geschichte

Jetzt hast Du mich neugierig gemacht. Profis bügeln nicht? Lassen bügeln? Kaufen nur bügelfreie Klamotten?

Variante 2:

Ich weiß nicht, ob ich das so hinkriegen würde. Daß ich mir auch Zeit für mich selbst nehmen sollte, sehe ich durchaus ein, und ich habe auch vor, im Laufe der Zeit die Besuchsintervalle zu verlängern. Aber das, was Du beschreibst, ist mir dann doch zu radikal. Wenn ich mit meinen Eltern laufend Zoff hätte, wäre es sicher leichter, sie sich selbst zu überlassen. Aber solange ich das Gefühl habe, daß Sie meine Hilfe wollen und froh darüber sind, werde ich Ihnen diese Hilfe auch geben.

Viele Grüße

Al Bundy

Re: Extremfall?!

Merlin, Mittwoch, 28.05.2003, 00:21 (vor 7638 Tagen) @ Al Bundy

Hallo Al Bundy,

Hallo Merlin,
zu Variante 1:

Helfen ist schon o.k. aber schau zuerst auf Dich !

..., daß man >> durchaus zwei Bügeleisen brauchen könnte

Erstaunlicherweise habe ich nur eines.

ein echter Profi keins, aber das ist eine andere Geschichte

Jetzt hast Du mich neugierig gemacht. Profis bügeln nicht? Lassen bügeln? Kaufen nur bügelfreie Klamotten?

Ja genau, und haben damit mehr Zeit als Leute, die ihre Sachen permanent schlichten, sortiern, ordnen, pflegen müssen. Ist ein bißchen unernst gemeint, hat aber einen wahren Kern.

Variante 2:
Ich weiß nicht, ob ich das so hinkriegen würde. Daß ich mir auch Zeit für mich selbst nehmen sollte, sehe ich durchaus ein, und ich habe auch vor, im Laufe der Zeit die Besuchsintervalle zu verlängern. Aber das, was Du beschreibst, ist mir dann doch zu radikal. Wenn ich mit meinen Eltern laufend Zoff hätte, wäre es sicher leichter, sie sich selbst zu überlassen. Aber solange ich das Gefühl habe, daß Sie meine Hilfe wollen und froh darüber sind, werde ich Ihnen diese Hilfe auch geben.

Ich glaub, daß ist genau dann schwierig, eben wenn die Eltern "lieb" und "nett" und "freundlich" sind. Dann merkst Du noch viel weniger, daß Deine Zeit/Energien/Input draufgeht.

Ich möcht Dir gar nichts raten, versuch es selbst. Ich habe nur eine nicht unähnliche Situation zu bewältigen gehabt und es jahrelang auf der rationalen Ebene versucht. Meine Worte sind nicht so diplomatisch wie Krille's Ex, oder nicht mehr. War mein erstes Posting und vielleicht in der Wortwahl etwas "nicht so nett"; aber ich hab genau das (beides) durchgemacht; und glaub mir, Variante 2, ist in jeder Hinsicht besser; besser für Dich und für Deine Eltern.

Jeder geht seinen Weg. Alles Gute

Merlin

Re: Extremfall?!

mit-leidende, Freitag, 11.07.2003, 15:30 (vor 7594 Tagen) @ Merlin

hart, aber herzlich

PS: ich habe noch einige andere Zeilen vorbereitet, (nicht so überspitzt formuliert und mit Erklärungen), aber vorher möche ich lesen, was Ihr (Messies und Angehörige von Messies, vielleicht gibts sogar einen echten Nichtmessie darunter) dazu sagt ?

ich war nie messie, drohe nun aber die energie für meine eigenen angelegenheiten zu verlieren - weil schlussendlich doch nie reicht, was ich tue.

Re: Extremfall?!

Bea, Dienstag, 16.11.2004, 13:34 (vor 7100 Tagen) @ Merlin

Variante 1 und Variante 2
Dein Problem ist so einfach, daß Du es heute hier und jetzt angehen kannst:
Variante 1 für DICH:
Du machst weiter wie bisher, vielleicht nur noch 10, vielleicht noch 20 Jahre, diskutierst wegen jedem alten Topf oder Zeitschrift aus den späten 70igern herum, versuchst mit Streitereien und Widerständen Deine Sommertage zu verbringen und fährst Sonntagabends erschöpft wieder zurück. Deine Mutter hat aus Gründen, die jahre- oder jahrzehntelang zurückliegen ein inneres Chaos, welches sie nach außen jedes Wochenende an Dir projizieren kann. Mit 69 hat sie keine Lust ihr Weltbild ändern wollen, daher ist sehr gelegen, daß sie Dich - Woche für Woche - als schuldig an ihrem Chaos hinstellen kann. Deine Versuche Ordnung zu schaffen scheitern mit schöner Regelmäßigkeit an ihrer betonierter Eigensinnigkeit, das Chaos NICHT zu verändern. Die Sachen in Glas, Papier, Metall und Restmüll zu trennen findest Du überaus mühsam, besonders weil bei jedem Stück noch stundenlang herumdiskutiert wird. Außerdem findest Du selbst als leichter Messie, daß man durchaus zwei Bügeleisen brauchen könnte (wiewohl Deine Mutter auf fünf beharrt)(ein Normalo braucht ein Bügeleisen, ein echter Profi keins, aber das ist eine andere Geschichte).
Nach nur zwei Jahren und in etwa hundert verpatzten Wochenenden hast Du zwar bereits einige Zimmer aufräumen können, die werden aber aus bisher ungeklärter Ursache wieder vollgeräumt worden sein.
Variante 2 für DICH:
Du investierst 22 Euro in Deine Zukunft und läßt Dir das Buch "Verstrickt in die Probleme anderer" von Pia Mellody per Postversand zusenden, entdeckst, daß Du etwas Co-Dependentes in Dir hast (nona bei dem Umfeld !).
Du nutzt Deine Wochenenden und fährst nach Colmar, Freiburg oder Basel; im Urlaub fährst Du ans Meer.
Du sparst Dir die 150 km Benzin hin und retour und findest langsam Energien ein eigenes Leben zu führen mit Freunden und Bekannten. Plötzlich hast Du auch mehr Freude Dich um die Mädels, die laufend rund um Dich auftauchen, zu kümmern. Deine Mutter versucht zwar wiederholt Dich zu kontaktieren, doch Du hast gelernt gesunde Grenzen zu ziehen und Du siehst Deine Eltern siebenmal im Jahr (zu Weihnachten übrigens nicht) auf etwa zwei Stunden auf einen kleinen Ausflug (das genügt, findest Du). Außerdem merkst Du, daß Dich die ewigen Geschichten sowieso immer weniger interessieren. Irgendwann läßt Du eine Entrümpelungsfirma mit einem Lastzug aufmarschieren, die Kosten kannst Du aufgrund Deines beruflichen Erfolges locker verschmerzen.
Where do you want to go today ?
Herzliche Grüße
Merlin

PS: ich habe noch einige andere Zeilen vorbereitet, (nicht so überspitzt formuliert und mit Erklärungen), aber vorher möche ich lesen, was Ihr (Messies und Angehörige von Messies, vielleicht gibts sogar einen echten Nichtmessie darunter) dazu sagt ?


Hallo Merlin,

ich bin gestern zum ersten Mal hier gelandet, habe auch etwas gepostet, bevor ich merkte, dass alle Antworten, die ich suchte, hier Stück für Stück zu finden sind. Vielen Dank für ein weiteres wesentliches Puzzleteil. Ich bin nur Angehöriger, verliere aber nach 7 Jahren derart den Boden unter den Füßen, dass ich jetzt kurz vor dem eigenen Untergang die Notbremse ziehen werde. Ich entscheide mich für ein Leben ohne Chaos und damit ohne meinen Freund. So leid es mir für ihn tut. Das nennt man Notwehr oder Selbsterhaltung. LG Bea

Re: Extremfall?!

Harry, Freitag, 30.05.2003, 22:30 (vor 7635 Tagen) @ Al Bundy

Hallo Al.

Ich kann dir zu deinem speziellen Fall keine richtigen Tips geben sondern nur aus meinen eigenen Erfahrungen berichten. Als erstes solltest du dir abgewöhnen dich zu schämen. Du bist ja eigentlich nicht der Messie, sondern deine Mutter und auch die hat keinen Grund sich zu schämen, da sie es auch nicht freiwillig macht. Wäre ja noch schöner, dann müsste sich ja jeder Krebskranke für seine Krankheit schämen.

Bei mir war der Fall ähnlich. Mein Vater hat sein Haus mit Baumaterialien von Holz bis Ziegeln und Stahl und allen anderen möglichen und unmöglichen Dingen zugestapelt. Er war zwar keiner dieser spektakulären Fälle, von denen man oft in den Medien liest, die stinkenden Müll oder Abfall in der Wohnung gehortet hätten, aber ums Haus herum hat es auch nicht gerade schön ausgesehen.

Irgendwann war er der Gemeinde ein Dorn im Auge und sie haben dann das Grundstück zwangsgeräumt. Diese Zwangsräumung war illegal(weil keine Gefahr für die Umwelt herrschte usw.) und die Gemeinde mußte die Prozesskosten dann auch selber tragen. Bei der zweiten Zwangsräumung hat sie dann schon etwas besser aufgepasst, aber diesmal kam es zu keinem gerichtlichen Nachspiel mehr, da mein Vater ein paar Stunden nach der Räumung an einem Herzinfarkt (er war 61 Nichtraucher und mässiger Trinker) verstorben ist. Er reagierte vollkommen panisch und hat es nicht mehr verkraftet sich von seinen gesammelten Dingen zu trennen. Eigentlich auch typisch für einen Messie.

Also bei Räumungen (auch mit Freunden) würde ich diesbezüglich besonders aufpassen. Ganz besonders wenn du schreibst, das deine Mutter dazu auch noch anderweitig krank ist. Das könnte schwerwiegende Folgen haben

Ich als Erbe des Hauses muß nun die Räumungskosten von Euro 25.000 berappen und hatte selbst noch Kosten von etwa 10.000 Euro um den ganzen restlichen Krempel wegzuräumen. Ich habe der Gemeinde erklärt, sie können mir das Geld irgendwann mal aus meinen kalten steifen Fingern brechen, da ich nicht die Kosten für ihr kurzsichtiges Handeln übernehme. Naja die haben die Schulden dann eben kurzerhand aufs Grundbuch eingetragen. Gegen die Gemeinde hat man ohnehin kaum eine Chanche. Ich bin heute noch der Meinung, das man meinen Vater behandeln und nicht zwangsräumen hätte sollen, da man nicht die Ursache sondern nur die Wirkung beseitigt hat. Schon bei der ersten Räumung hätte auffallen müssen, das es sich dabei nicht um einen sturen Bock, sondern um einen schwer kranken Menschen handelt. Mir war bekannt das er krank war und ich habe ihm auch oft eine Therapie vorgeschlagen aber er war einer von diesen Ich-mache-nie-Fehler-nur-die-Anderen und damit waren alle seine eigenen Probleme vom Tisch. Ich bin dann nach Amsterdam gezogen und mein Vater hat mir logischerweise nie von seinem neuerlichen Verfahren und der drohenden Räumung berichtet und bin dann auch aus allen Wolken gefallen, als ich von der Zwangsräumung und von seinem Tod erfahren habe. (Zumindest hätte sich die Behörde mit mir in Verbindung setzen können)

Tja. Es lässt sich jetzt ohnehin nicht mehr ändern. Ich lebe jetzt in dem Haus und dachte auch schon an Abriss, aber da ich dort aufgewachsen bin und die Renovierungskosten mich auch nicht auffressen, habe ich mich fürs behalten entschieden. Aber da liegt die Entscheidung klar bei dir. Das ist eine einfache Kosten- Nutzenrechnung und darüber würde ich mir erst Gedanken machen, wenn es soweit ist.

Bei meiner Großmutter (väterlicherseits) war es ähnlich. Sie hatte das ganze Haus mit Bonbonpapieren und Schachteln und allerlei anderem unnützen Tingeltangel vollgeräumt. Bei ihr hat man sich noch darauf heraus geredet, das sie zwei Kriege mitgemacht hat und daher diese Sammelwut entwickelt habe. Ich bin noch heute davon überzeugt, das es ein typisches Messiesyndrom war, welches man aber zur damaligen Zeit eben noch nicht kannte. Früher hat man solche Menschen als faul und schlampig bezeichnet und nicht weiter darüber nachgedacht.

Bei mir war es dann nach dem Tod meines Vaters fast umgekehrt. Ich habe nichts mehr aufbewahrt und selbst alte Kindheitserinnerungen landeten auf den Müll. Eigentlich auch schon zwanghaft nur eben in die andere Richtung, da ich immer fest daran geglaubt habe, das diese Krankheit vererbt werden kann (Mittlerweile denke ich nicht das es die Krankheit ist, sondern das man unbewusst, die Verhaltensweisen der Eltern annimmt. (Kann das vielleicht der Grund sein, das du in einer eher spartanischen Wohnung lebst ?) Mittlerweile habe ich mich aber auch wieder eingeklinkt und hoffe das es auch so bleiben wird. Bin wieder schlampig wie jeder Andere. Auch diesbezüglich würde ich mir keine grossen Gedanken machen, wenn du nur aufräumst wenn jemand zu Besuch kommt. Schlimm wirds erst wenn du gar nix mehr wegwirfst und die Fliegen in der Wohnung herumkurven.

Das mit dem Singledasein ist auch so eine Sache. Bei meinem Eltern ist mir aufgefallen, das eigentlich nie eine richtige Beziehung vorhanden war und man sucht dann meist eine Art Liebesersatz. Die Einen fangen an zu saufen und die anderen sammeln eben alles was ihnen in die Finger kommt. Ich glaube in einer funktionierenden Beziehung wird es eher schwer sein ein Messie zu werden. (Ist aber nur meine persönliche Meinung, bin kein Psychologe).

Im Großen und Ganzen kann ich nur sagen, das deine Mutter zur Einsicht gelangen muß. Hast du ihr schon eine Therapie vorgeschlagen ? Nachdem sie ja offenbar selber weiß, das sie unter Zwang handelt, wäre das vielleicht ein vernünftiger Schritt. Ansonsten sehe ich nicht viel Hoffnung, das du persönlich irgendetwas an ihrem Zustand ändern könntest. Ein Alkoholiker wird auch kaum mit dem Saufen aufhören, wenn er dazu gezwungen wird. Ich glaube das ist die erste Priorität. Ich würde auch nicht zuviel darüber nachdenken, was irgendwann mal sein wird, sondern mich nur auf dieses eine wichtige Ziel konzentrieren. So eine Phase habe ich auch schon durchgemacht und man macht sich dann plötzlich Gedanken über Dinge, die ohnehin niemals eintreten werden.

Mit Selbsthilfegruppen kann ich leider nicht dienen. Ich lebe in Österreich und in den Kaff in dem ich lebe, gelten Messies immer noch als schlampig und faul. Und da liegt auch der Hund begraben. Viele trauen sich gar nicht über ihre Krankheit zu sprechen und gründen schon gar keine Selbsthilfegruppen. Ich habe zwar unserem Bezirkshauptmann ein Buch über Messies geschickt und er hat es auch gelesen und sogar zurückgebracht, aber irgendwie scheint der nicht ganz überissen zu haben, wo das eigentliche Problem eines Messies liegt. Jedenfals sind Zwangsräumungen der falsche Weg und die sollte man wirklich nur bei hygienischen Beeinträchtigungen machen.

So long. Ich wünsch dir jedenfalls viel Glück

Harry

powered by my little forum