Meine Mutter ist ein Messie. (Angehörige)

Dani, Sonntag, 01.06.2003, 21:59 (vor 7646 Tagen)

Hallo,

ich war etwas länger hier nicht in diesem Forum, aber ich bin sehr froh, dass ich nicht die Einzige bin mit dem Problem eines vermüllten Angehörigen.( So schlimm sich das anhört, aber ich bin nicht allein!! Das ist mir ein kleiner Trost)). Vielleicht liest ja jemand meinen Beitrag
Bei mir ist es meine Mum. Und heute ist wieder ein Tag, wo ich mich frage, wann dieses endlose Gefühl von Scham, Schuld und Hilflosigkeit endlich aufhört. Und nicht nur meine vollkommen irren Gefühle, sondern auch die Gesamtsituation an sich. Wann lernt diese Frau endlich 1. an sich zu denken, 2. ihre Aufmerksamkeit den wichtigen Dingen zu widmen und 3. lernen Chaos sowohl in ihrem Kopf als auch in Ihrem Haus zu beseitigen.
Wie hilft man jemandem, der nicht zugeben kann ein Problem zu haben? Verrecken lassen, wie einen Säufer oder Junkie? Kann ich nicht, zumindestens nicht, mich mit dem Gedanken abfinden!
Manchmal wünschte ich mir, alles würde so einfach laufen, wie in diesen Talkshows. Man sagt nur das Richtige und dann ist alles gut und der Betroffene ändert sich. Aber das ganz schön blöd von mir das zu denken. So viel hab ich schon gelernt von dieser Krankheit.
Ich hab alle Möglichkeiten schon durch. Helfen beim Aufräumen, Drohen von Zwangsräumung, schreien, weinen, Funkstille und vor allen Dingen schämen. Im Moment bin ich bei Verdrängen und warten auf den grossen Knall.Und der kommt bestimmt. Den Nachbarn meiner Eltern kann ich nicht mal mehr in die Augen sehen und Versagen (z.Bsp: beim Job) kann ich nicht gut vertragen. Denn versagt hab ich schon auf ganzer Linie bei meinen Eltern. Heute ist einer meiner schlechteren Tage, wie man vielleicht merkt.
Ich glaube, dass meine Mum und alle, die mit ihr in einem Haushalt wohnen ein Extremfall sind.
An meinen besseren Tagen hab ich nicht die Traute dahin zu gehen und mir das Elend anzusehen. Ich habe absolut die Panik davor, was ich mich erwartet. Besonders weil ich mein Elternhaus seit 2 Jahren nicht mehr gesehen hab. Welcher Ekel wird mich wohl übermannen? Was bin ich nur für eine Tochter, für ein Mensch meine Familie so hängen zu lassen? Und ich schäm mich schon wieder!!!
Es tröstet mich nicht, zu denken, warum können mein Vater und meine Geschwister nichts ausrichten, die ja noch im selben Haushalt wohnen. Deren Leidensdruck ist garantiert genauso gross, wie meiner. Und ich wohne nicht mehr da. Und der "Machteinfluss" meiner Mutter ist fatal gross. Mir geht´s echt scheisse im Moment. Und ich kann das nicht mal annähernd beschreiben, was mir im Kopf rumgeht. Aber Schuld, Scham,Hilflosigkeit und das Gefühl versagt zu haben sind übermächtig gross bei mir im Moment.

Egal, danke fürs Lesen!

Re: Meine Mutter ist ein Messie.

Ulla, Donnerstag, 05.06.2003, 21:10 (vor 7642 Tagen) @ Dani

Hallo Dani,

es gibt Momente, wo wir als Angehörige von Messies kurz vor dem Verzweifeln sind und nicht mehr aus und ein wissen, das weiß ich.

"Denn versagt hab ich schon auf ganzer Linie bei meinen Eltern."

Aber diesen Schuh musst du dir nicht anziehen! Du bist ja nicht verantwortlich für deine Eltern, sondern umgekehrt, sie waren es für dich, als du noch ein Kind warst. Jetzt willst du deiner Mutter helfen, aber wenn es dir nicht gelingt, hast du nicht versagt.

Du bist in der glücklichen Lage, nicht mehr im Elternhaus zu wohnen, und kannst dein eigenes Leben gestalten. Das zählt jetzt.

Herzlichen Gruß

Ulla

Re: Meine Mutter ist ein Messie.

Martin, Donnerstag, 05.06.2003, 22:03 (vor 7642 Tagen) @ Dani

Hallo Dani,

ich bin das erste mal in diesem Forum. Warum? Weil ich heute mal wieder bei meinem Vater im Haus war. Das Haus, in dem ich groß geworden bin. In dem ich ein Zimmer hatte, mein Bruder ein Zimmer hatte, meine Eltern jeder ein Zimmer hatten, und fuer Familienzimmer auch noch Platz war. Heute, 25 Jahre spaeter, hat nicht mal mehr mein Vater Platz in seinem Haus. Schmale Gaenge zu den wichtigsten Plaetzen (Balkontuer, Toilette, Bett und Haustuer) - alles andere ist in Schichten zugestapelt. Wo sind die Moebel, die Bilder, die Teppiche, die Erinnerungen? Zugestapelt mit Dingen, die fuer mich keinen Wert zu haben scheinen. Zugestapelt mit Dingen, die andere Menschen ausgesondert und auf den Sperrmuell, bzw. die Wertstoffhoefe gebracht haben. Mein Vater findet es und bringt es nach Hause. Irgendwann will er es reparieren und an Menschen verschenken, die Beduerftig sind. Der Beduerftige ist er selbst, aber die Hilfe die er braucht will er nicht. Es ist alles in Ordnung mit ihm. Seine abertausend Pflanzen in seinem Haus braucht er uebrigens auch - und jede Woche kommen neue dazu. Schliesslich war er mal Gaertner. Der Garten ums Haus war auch mal schoen. Wir haben mit unseren Freunden drin gespielt, sind gerannt und haben uns auf der Wiese getollt. Heute ist ein 2 Meter breiter Rasenstreifen uebrig geblieben. Der Rest des Gartens besteht aus uebermaechtig gewucherten Baeumen, Straeuchern und Unkraut. Mein Vater sagt, er kommt zu nichts...
Dani, Du schreibst, Du hast alle Moeglichkeiten schon durch? Leider hat nichts geholfen? Du fuehlst Dich schuldig? Ich auch - aber in einer anderen Form. Ich fuehle mich schuldig, oder ist vielleicht hilflos das bessere Wort, weil ich nichts tun kann. Ich lasse mir von meinem Vater fuer jedes Stueck Muell (Gott sei Dank, er sammelt keinen Haushaltsmuell) den Sinn erklaeren - und ob Du es glaubst oder nicht, er hat fuer alles eine plausible Verwendung. Theoretisch. In die Praxis wird er es nicht umsetzen koennen weil er viel zu beschaeftigt damit ist, neuen Muell nach Hause zu bringen.
Die crux an der ganzen Situation - und ich denke bei Dir wie bei mir ist, das wir beide zu sehr an uns denken. Unsere Gedanken in unsere Eltern hinein zu projezieren (Du in Deine Mutter und ich in meinen Vater). Ich denke Sie sind so einigermassen zufrieden wie es ist, weil Sie einen Weg gefunden haben, der Sie von den eigentlichen Problemen ablenkt. Vielleicht denken Sie nur an Sich, vielleicht wollen Sie dieses Chaos gar nicht beseitigen. Bei meinem Daddy habe ich oft das Gefuehl, der Muell um ihn herum laesst ihn abschalten, hindert ihn am Nachdenken, am druebernachdenken wie alleine er ist. Wohin er sich dreht - er findet eine Beschaeftigung, und die haelt ihn bis zur naechsten Beschaeftigung beschaeftigt. Das verschafft ihm eine Art seltsamens Glueck - eine Art des Zufriedenseins auf seinem Muellplanet voller Schaetze

Schaeme Dich fuer nichts , Dani. Du bist nicht Schuld an der Krankheit Deiner Mutter. Du hast versucht mit aller Kraft zu helfen - Deine Hilfe wurde abgelehnt.
Ich bin noch nichtmal soweit - ich versuche es immer noch....

Hallo,
ich war etwas länger hier nicht in diesem Forum, aber ich bin sehr froh, dass ich nicht die Einzige bin mit dem Problem eines vermüllten Angehörigen.( So schlimm sich das anhört, aber ich bin nicht allein!! Das ist mir ein kleiner Trost)). Vielleicht liest ja jemand meinen Beitrag
Bei mir ist es meine Mum. Und heute ist wieder ein Tag, wo ich mich frage, wann dieses endlose Gefühl von Scham, Schuld und Hilflosigkeit endlich aufhört. Und nicht nur meine vollkommen irren Gefühle, sondern auch die Gesamtsituation an sich. Wann lernt diese Frau endlich 1. an sich zu denken, 2. ihre Aufmerksamkeit den wichtigen Dingen zu widmen und 3. lernen Chaos sowohl in ihrem Kopf als auch in Ihrem Haus zu beseitigen.
Wie hilft man jemandem, der nicht zugeben kann ein Problem zu haben? Verrecken lassen, wie einen Säufer oder Junkie? Kann ich nicht, zumindestens nicht, mich mit dem Gedanken abfinden!
Manchmal wünschte ich mir, alles würde so einfach laufen, wie in diesen Talkshows. Man sagt nur das Richtige und dann ist alles gut und der Betroffene ändert sich. Aber das ganz schön blöd von mir das zu denken. So viel hab ich schon gelernt von dieser Krankheit.
Ich hab alle Möglichkeiten schon durch. Helfen beim Aufräumen, Drohen von Zwangsräumung, schreien, weinen, Funkstille und vor allen Dingen schämen. Im Moment bin ich bei Verdrängen und warten auf den grossen Knall.Und der kommt bestimmt. Den Nachbarn meiner Eltern kann ich nicht mal mehr in die Augen sehen und Versagen (z.Bsp: beim Job) kann ich nicht gut vertragen. Denn versagt hab ich schon auf ganzer Linie bei meinen Eltern. Heute ist einer meiner schlechteren Tage, wie man vielleicht merkt.
Ich glaube, dass meine Mum und alle, die mit ihr in einem Haushalt wohnen ein Extremfall sind.
An meinen besseren Tagen hab ich nicht die Traute dahin zu gehen und mir das Elend anzusehen. Ich habe absolut die Panik davor, was ich mich erwartet. Besonders weil ich mein Elternhaus seit 2 Jahren nicht mehr gesehen hab. Welcher Ekel wird mich wohl übermannen? Was bin ich nur für eine Tochter, für ein Mensch meine Familie so hängen zu lassen? Und ich schäm mich schon wieder!!!
Es tröstet mich nicht, zu denken, warum können mein Vater und meine Geschwister nichts ausrichten, die ja noch im selben Haushalt wohnen. Deren Leidensdruck ist garantiert genauso gross, wie meiner. Und ich wohne nicht mehr da. Und der "Machteinfluss" meiner Mutter ist fatal gross. Mir geht´s echt scheisse im Moment. Und ich kann das nicht mal annähernd beschreiben, was mir im Kopf rumgeht. Aber Schuld, Scham,Hilflosigkeit und das Gefühl versagt zu haben sind übermächtig gross bei mir im Moment.
Egal, danke fürs Lesen!

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Re: Meine Mutter ist ein Messie ... und ich ...

Micha @, Dienstag, 10.06.2003, 11:35 (vor 7638 Tagen) @ Martin

Du fuehlst Dich schuldig?
Ich auch - aber in einer anderen Form.
Ich fuehle mich schuldig,
oder ist vielleicht hilflos das bessere Wort, weil ich nichts tun kann.

Hallo Martin !

Und danke ,
das ist auch für mich das "richtige" Wort :
s(m)ich hilflos fühlen .

Gruß ~ Micha

Re: Meine Mutter ist ein Messie.

Dani, Donnerstag, 17.07.2003, 19:42 (vor 7600 Tagen) @ Martin

Lieber Micha und alle, die sich "gemeldet" haben!

Vielen Dank für das Schreiben und den lieben Zuspruch, der mich zwar hart trifft (aus Gründen, die vielleicht jeder Betroffene irgendwie nachvollziehen kann) aber sehr tröstet. Nie hätte ich damit gerechnet- Danke.
Ich finde es immer noch erschreckend besonders beiom Lesen des Forums, dass so viele Angehörige ganz ähnliche Gefühle zu haben scheinen. Aber das gibt mir zumindestens das Gefühl nicht komplett verrückt zu sein. Und dieses Gefühl hatte ich sehr lange. in meiner Verzweiflung bin ich sogar zu einem Psychiater gelaufen. Das war bizarr - im Anschluss daran war ich diejenige, und nicht meine Mum, die eine intensive Gesprächstherapie absolvieren muss. Was ich aber nicht tue, denn so ein Pychiater sagt im Prinzip das selbe wie ein guter Freund.
Nämlich 1. Trenn Dich! und 2. Fühl Dich nicht verantwortlich! und 3. Freu dich über Deinen eigenen Lebensweg trotz "schlechtem" Vorbild in Bezug auf Ordnung. Im Moment geht es mir erschreckend gut, aber ich weiss genau, dass mich das irgendwann wieder einholt.
Sehr gespannt bin ich auf die Reaktion meiner Mutter, wenn sie erfährt, dass so ein Besuch wegen ihr erforderlich war. Wahrscheinlich wechselt sie abrupt das Thema. Nun ja -eigentlich auch wurscht.

Eigentlich wollte ich mich nur bedanken; ist wohl doch ein wenig länger geworden.

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