Chaos (Angehörige)

Johannes, Samstag, 05.11.2005, 14:02 (vor 6753 Tagen)

Meine Frau ist ein Messie und ich leide nun seit mehr als zehn Jahren. Anfangs hat man noch Hoffnung aber inzwischen sehe ich: es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Seit Jahren ist unser Gästezimmer nicht mehr benutzbar, weil das ganze Zimmer mit Unrat verstellt ist. Ich habe mich mehr und mehr mit dem Zustand abgefunden, obwohl es mir sehr schwer fällt und ich täglich unsäglich darunter leide. Es ist aber ein zusätzliches Problem, dass wir unsere Freunde nur noch angemeldet oder an der Haustüre ambfertigen müssen. Jemanden einfach in die Wohnung hereinlassen geht nicht mehr. Selbst Handwerker kann ich für Reparaturarbeiten nicht mehr einfach kommen lassen. So geht immer mehr den Bach hinunter. Was sage ich Angehörigen, die uns besuchen wollen? Inzwischen sind fast alle Ausreden verbraucht. Ich weiß manchmal wirklich nicht mehr weiter.

Re: Chaos

Jenny, Mittwoch, 09.11.2005, 12:13 (vor 6749 Tagen) @ Johannes

Hallo Johannes,
ich habe immer den Eindruck, daß ein schmutziger oder unaufgeräumter Haushalt immer noch der Frau angelastet wird. Warum also nicht mal die Verwandten reinlassen? Vielleicht sagt da mal jemand etwas zu deiner Frau, daß sie sich der Situation bewußt wird. Ansonsten kann es Hilfen bei den örtlichen Beratungsstellen geben. Davon wirst du hier im Forum immer wieder lesen. Ausreden für Fremde würde ich mir nicht einfallen lassen. Lies mal im Internet unter dem Begriff "Co-Abhängigkeit" nach, vielleicht hilft dir das auch weiter.
Liebe Grüße,
Jenny

Re: Chaos

Johannnes, Donnerstag, 10.11.2005, 14:34 (vor 6748 Tagen) @ Jenny

Hallo Jenny,
ich denke meine Frau ist sich der Unordnung durchaus bewusst. Wenn jemand unerwartet das Haus betritt, rennt sie als erstes zur Küchentüre um das dortige Chaos zu verbergen. Sie selbst fertigt den Besuch (auch enge Freunde) meist an der Haustüre ab. Und wenn ich gelegentlich mal jemand mit in die Wohnung nehme bekomme ich hinterher Ärger.

Liebe Grüße,
Johannes

Re: Chaos

Jenny, Freitag, 11.11.2005, 16:05 (vor 6747 Tagen) @ Johannnes

Hallo Johannes,
was ist dir wichtiger, Freunde mit nach Hause zu nehmen oder Ärger mit deiner Frau zu vermeiden? Aber ich denke, so extrem sollte man die Gegensätze gar nicht angehen. Hast du schon mal mit deiner Frau gesprochen, wie du dich fühlst, wenn du niemanden mitbringen sollst? Vielleicht kannst du solche Gespräche bei einem guten Eheberater führen, bei dem dann auch euer eigentliches Problem zu Sprache kommt. Ich versuche in meiner Ehe, meine Wünsche an Ordnung behutsam, aber trotzdem durchzusetzen und erlebe dafür gelegentliche Tobsuchtsanfälle meines Mannes. Viel Verständnis für sein Verhalten hat mir die Seite ADD-Online gebracht, von Dipl. Psych. Piero Rossi und Dr. med. Martin Winkler über ADHS bei Erwachsenen geschrieben (leider weiß ich nicht, wie man Links setzt).
Liebe Grüße,
Jenny

Re: Chaos

Johannes, Samstag, 12.11.2005, 09:06 (vor 6746 Tagen) @ Jenny

Hallo Jenny,
ganz so einfach, wie Du schreibst ist die Sache leider nicht. Ich weiß über Co-Abhängigkeit bescheid. Aber nicht jeder kann so einfach gegensteuern. Ich bin zum Beispiel ein überwiegend feinfühliger und sensibler Mensch. Ich leide ziemlich unter entsprechenden Auseinandersetzungen. Es kommt nämlich auch immer darauf an, was man zu tragen bereit ist. Und ich weiß nicht, ob ich einen größeren Konflikt längere Zeit durchstehen könnte. Ich bin beruflich sehr im Streß und brauche deshalb ganz bestimmt nicht auch noch Streß zuhause.

Herzliche Grüße,
Johannes

Re: Chaos

almut, Donnerstag, 17.11.2005, 01:44 (vor 6741 Tagen) @ Johannes

hallo johannes,

vielleicht hilft es dir, die tipps für angehörige zu lesen, die der förderverein zur erforschung des messie-syndroms erstellt hat.

http://www.femmessies.de/messieinfo/angehoerige.htm

ich würde auch versuchen, mich einer realen selbsthilfegruppe anzuschließen, denn so eine stuation, wie du sie seit langem erträgst, kann dich auch krank machen.

alles gute und viel erfolg

almut

Re: Chaos

herberto, Sonntag, 20.11.2005, 14:51 (vor 6738 Tagen) @ Johannes

Hallo Jenny,
ganz so einfach, wie Du schreibst ist die Sache leider nicht. Ich weiß über Co-Abhängigkeit bescheid. Aber nicht jeder kann so einfach gegensteuern. Ich bin zum Beispiel ein überwiegend feinfühliger und sensibler Mensch. Ich leide ziemlich unter entsprechenden Auseinandersetzungen. Es kommt nämlich auch immer darauf an, was man zu tragen bereit ist. Und ich weiß nicht, ob ich einen größeren Konflikt längere Zeit durchstehen könnte. Ich bin beruflich sehr im Streß und brauche deshalb ganz bestimmt nicht auch noch Streß zuhause.
Herzliche Grüße,
Johannes


Hallo Johannes,
finde Deinen Beitrag mutig und ehrlich.
"Du schreibst mir aus der Seele"
Ich bin offensichtlich selbst ein Messie - Angehöriger.
Wir sind seit 8 Jahren verheiratet und führen seit ca. 2 Jahren aus beruflichen Gründen eine Wochenendehe.
Mein Job im mittleren Management eines Industriebetriebes ist entsprechend stressig.
Haus und Garten sehen grenzwertig aus - grundsätzlich fühle ich mich aufgrund des Chaos aber nicht wohl und habe auch Probleme, Freunde einzuladen.
Nach einem typischen Messie - Wochenende habe ich heute morgen zur Krönung unsere beiden Geldbörsen vom Gartenweg aufgesammelt. Da ist bei mir (mal wieder) der Geduldsfaden gerissen und ich habe meiner Frau all das vorgehalten was mich fertigmacht, Ihr dabei aber zum ersten Mal gesagt, daß ich denke, daß Sie seelisch gestört ist.
Das ganze ist natürlich in einem Streit geendet, in dem ich mir anhören mußte,daß ich negativ und meckerig und selbst verdreckt bin und dringend zu einem Psychater muß.
Man muß schon sehr stabil sein..Ich habe ein Riesenproblem die ganze Angelegenheit zu handeln und zu kommunizieren und meine Frau erzählt mir immer mal etwas von Trennung, was die Sache noch schwieriger machtAber ich denke, man darf die Probleme auch nicht so einfach runterschlucken.

Ich glaube es war heute gut und wichtig meiner Frau zu sagen, daß ich nicht nörgele weil ich sie runterputzen will, sonden weil ich leideAußerdem habe ich mich eindeutig zu Ihr bekanntSie hat mir dann gesagt, daß sie gern in einer baufälligen Hütte im Wald leben würde, die sie dann zumüllen würde.Es war das erste mal, daß sie ein Teil Ihrer Gefühlswelt in diesem Punkt preisgegeben hat.

Ich weiß nicht, wie weit man als Angehöriger helfen kann - es scheint aber hilfreich zu sein wenn man zuhört und stützt.
Auch ich lese zurzeit das Buch "Laß uns das Chaos überleben" von Sandra Felton. Ich habe es noch nicht durch aber es tat gut, die ersten Seiten gelesen zu haben auf denen das Angehörigen - Dasein beschrieben wird. Ich fand es zumindest schonmal zutreffend und erleichternd, daß es jemanden gibt, der das Ganze versteht.

Vielleicht hilft es Dir ja auch.
Laß mal wieder von Dir hören - vielleicht können wir uns ja gegenseitig ein paar Tips geben

Re: Chaos

EvaM., Sonntag, 13.11.2005, 22:16 (vor 6744 Tagen) @ Johannes

Hallo,

hast Du das Buch "Laß uns das Chaos überleben" gelesen? Ich fand es sehr gut. Wir haben allerdings die Messie+Messie Konstellation :-) Wenn auch mit Schwerpunkten in unterschiedlichen Bereichen.
Ansonsten... Könntest Du Dir vorstellen, daß Du an zentralen Stellen einigermaßen zuverlässig die Verantwortung für Ordnung übernehmen könntest? z.B. für den Eingangsbereich? Oder irgendetwas anderes strategisch wichtiges, das zumindest die Angst vor unerwartetem Türklingeln nimmt? Überleg Dir was. Und dann sprich mit Deiner Frau. Sag ihr, daß es Dir ein Anliegen ist, daß XYZ immer so und so aussieht (z.B. an der Garderobe nur die aktuell getragenen Jacken hängen), und daß Du das gern übernehmen möchtest. Sag ihr, daß Du sie liebst und daß Du glaubst, daß Euch das helfen könnte.
Vielleicht gibt es andere Dinge, an die Du sie erinnern könntest, z.B. daß sie Dir 1x/Woche das Altpapier und die leeren Flaschen mitgibt, oder jeden Tag den Müll mit raus gibt. Feste Rituale, die weiterhelfen.
Aber fang ruhig erst mal klein an. Lies das Buch und such Dir eine Sache aus, die Dir wichtig ist, und wo Du Frieden und Ordnung unterstützt.

Viele Grüße,
Eva

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