Zu einem Leben im Müll gezwungen (Angehörige)

Jenny, Sonntag, 14.12.2008, 00:58 (vor 5636 Tagen)

Liebe User
Ich bin der Verzweiflung nahe.
Seit 4 Jahren bin ich nun mit meinem Freund zusammen, seine Mutter leidet massivst unter dem Messie Syndrom. Die gesamte Wohnung ist mit Müll und Dreck vollgeräumt. Im Wohnszimmer stapeln sich alte Mineralwasserflaschen und Verpackungsfolien mittlerweile bis unter den Lampenschirm.
Die Wohnung ist auch dermassen verdreckt dass alles schimmelt, es ist kaum noch möglich das Badezimmer oder die Küche zu benutzen. Sobald ich die Wohnung betrete überkommt mich schon der Brechreiz vor lauter Ekel.

Mein Freund versucht immer wieder mit seiner Mutter zu sprechen, doch sobald er sie auf die Situation anspricht wird sie umgehend aggresiv und sperrt ihn aus der Wohnung aus. Da mein Freund noch studiert ist es für ihn schwer, sich aus der Situation zu befreien und sich eine eigene Wohnung zu leisten.
Er hat auch bereits mehrmals versucht für seine Mutter die Wohnung aufzuräumen und zu putzen. Wie sie das mitbekommen hat ist sie jedesmal umgehend ausgetickt und auf ihn losgegangen. In solchen Situationen erpresst sie ihn immer sofort, dass sie ihm das Taschengeld streicht und ihm kein Geld mehr für Lebensmittel gibt.
Es kommt auch oft vor dass nur noch abgelaufene oder vergammelte Lebensmittel in der Wohnung sind und sie sich weigert ihm frische Lebensmittel zu geben bzw. Geld um sich selbst welche zu kaufen.

Weiters ist sie auch noch Internetsüchtig. Täglich von 14 Uhr bis ca. 2 Uhr in der früh sitzt sie vor dem PC und chattet mit Fremden, die nun zu ihren besten Freunden geworden sind.
Mein Freund hat schon so oft versucht mit ihr darüber zu sprechen, doch es kommen immer nur Aussagen wie dass sie jetzt neue Freunde hat und sowieso nie ein Kind haben wollte. Mittlerweile geht es sogar schon soweit dass er sich selbst die Schuld für die Krankheit seiner Mutter gibt, da der erste Computer damals für seine Schularbeiten angeschafft wurde.

Die ganze Situation belastet unsere Beziehung mittlerweile massiv, ich bin wirklich am verzweifeln. Kann man gegen solche lebensunwüdigen Zustände wirklich nichts unternehmen?

Re: Zu einem Leben im Müll gezwungen

Andrea, Montag, 15.12.2008, 00:58 (vor 5635 Tagen) @ Jenny

Seit 4 Jahren bin ich nun mit meinem Freund zusammen, seine
Mutter leidet massivst unter dem Messie Syndrom.

Man hört aus der Einleitung schon, daß Ihr mit ihr leidet.

Sobald ich die Wohnung betrete überkommt mich schon der Brechreiz
vor lauter Ekel.

Es ist ja nicht unbedingt immer so, daß eine Frau die Wohnung
der Mutter ihres Freundes überhaupt betritt.

Mein Freund versucht immer wieder mit seiner Mutter zu sprechen,
doch sobald er sie auf die Situation anspricht wird sie umgehend
aggresiv und sperrt ihn aus der Wohnung aus.

Da fällt mir etwas ein, das ich erst vor wenigen Tagen
in einer Talkshow hörte. Dort konnten Hörer anrufen und mit
dem Moderator sprechen, und es entspann sich der folgende Dialog:

Moderator: „Was ist das für'n Typ, Dein Vater, ist er zugänglich,
kann man mit ihm reden, kann Deine Mutter mit ihm reden?“

Anruferin: „Er ist so jemand, er geht sehr schnell in die Luft,
also, äh, wenn Du mit ihm über ein unangenehmes Thema sprichst.“

Moderator: „Das heißt, Du und, äh, Du und Deine Mutter, ihr könnt ihn
nicht ansprechen auf dieses heikle Thema, dann wird er direkt
wütend.

Schweres Problem. Weil, wenn er nicht mehr ansprechbar ist, äh, is
natürlich auch sehr wenig von außen zu tun.

Weißte, was ... Was will man dann tun?

Der normale Weg ist immer erst, daß man den andern
konfrontiert mit der Vermutung, und mit ihm spricht.

Der nächste Schritt ist, daß man dem eine Hilfe hinlegen kann,
wohin man, wohin er sich wenden könnte.

Aber, wenn da jemand ist, der komplett mauert und dichtmacht,
hat man als Angehöriger eigentlich keine Chance.

Äh, Es besteht nur die Gefahr, daß man als Angehöriger mit in
den Strudel runtergezogen wird. Und, und so schilderst Du das ja.
Deine Mutter hat ja schon klug die Notbremse ein bißchen in die
Richtung gezogen, daß sie ihr eigenes Geld schützt, da mit dem
Konto.

Aber, Wenn, äh, er sich überhaupt nichts sagen läßt und er
überhaupt nicht empfänglich ist für eine Kritik oder eine
Anmerkung sind euch fast komplett die Hänge gebunden.

Das ist schlimm. Das ist traurig. Weil da muß man mit, da muß
man mit zusehen, wie der Angehörige in sein, äh, Unglück läuft.

Aber ohne, weißte das ist genau wie bei einer andern Sucht,
wenn der jetzt Alkoholiker wäre oder so etwas.

Ohne die Selbsteinsicht des Betroffenen geht überhaupt gar
nichts.

(...)

Wenn gar nichts zu machen ist, dann wäre wahrscheinlich
die Scheidung, die Trennung das Klügste für Dich und für
Deine Mutter auch.

(...)

Manchmal rüttelt das [Aussicht auf Trennung oder Trennung]
einen Menschen auf, der an einer Sucht leidet.“

Da mein Freund noch
studiert ist es für ihn schwer, sich aus der Situation zu
befreien und sich eine eigene Wohnung zu leisten.

Ach so, er wohnt also in der Wohnung seiner Mutter.

Dein Freund kann sich zu Finanzierungsmöglichkeiten beraten
lassen. Es gibt die Unterhaltspflicht der Mutter, Studentenwohnheime,
WGs, BAFöG und eben eine Studienberatung.

Er hat auch bereits mehrmals versucht für seine Mutter die
Wohnung aufzuräumen und zu putzen. Wie sie das mitbekommen hat
ist sie jedesmal umgehend ausgetickt und auf ihn losgegangen. In
solchen Situationen erpresst sie ihn immer sofort, dass sie ihm
das Taschengeld streicht und ihm kein Geld mehr für Lebensmittel
gibt.

Er muß bereit sein, den Unterhalt eventuell auch
einzuklagen. Daß er die Wohnung seiner Mutter aufräumt, ist
vergebliche Liebesmüh. Es geht nur so, daß er diese Wohnung
verläßt. Wenn er das nicht tut, liegt daran sein Anteil an
der Situation. Er kann seine Mutter nicht verändern, aber er
kann sich selbst verändern.

Mein Freund hat schon so oft versucht mit ihr darüber zu
sprechen, doch es kommen immer nur Aussagen wie dass sie jetzt
neue Freunde hat und sowieso nie ein Kind haben wollte.

Es ist egal, was sie sagt.

Es geht jetzt nur darum, was Dein Freund jetzt tut,
um sich selber zu schützen.

Er ist ein erwachsener Mann. Derzeit weist er die Verantwortung
für sein Leben seiner Mutter zu. Ich sehe das schon kommen, wenn
er das Studium nicht schafft, dann erzählt er in zehn Jahren, daß
seine Mutter daran schuld ist. Damit würde er die Muster seiner
Mutter kopieren.

Tatsächlich ist es nun aber seine Verantwortung und Entscheidung
bei seiner Mutter zu leben. Jeder weitere Tag, den er sich in
dieser Wohnung aufhält, ist die Folge seiner Entscheidung dort zu
leben.

Mittlerweile geht es sogar schon soweit dass er sich selbst die
Schuld für die Krankheit seiner Mutter gibt, da der erste
Computer damals für seine Schularbeiten angeschafft wurde.

Auch das ist jetzt egal. Er soll jetzt die Verantwortung für
sein Leben übernehmen – nicht für das seiner Mutter.

Die ganze Situation belastet unsere Beziehung mittlerweile
massiv, ich bin wirklich am verzweifeln. Kann man gegen solche
lebensunwüdigen Zustände wirklich nichts unternehmen?

Ihr könnt der Mutter nicht helfen (siehe obiges Zitat aus der
Talkshow). Vor allem ist es jetzt wichtig, daß Dein Freund sich
auf sein eigenes Leben konzentriert und sofort alle erforderlichen
Maßnahmen in die Wege leitet, um sich selber zu schützen und diese
Situation zu verlassen.

Re: Zu einem Leben im Müll gezwungen

blümchen, Dienstag, 17.02.2009, 12:44 (vor 5570 Tagen) @ Jenny

Hi!

Meinem Freund ging es ähnlich. Als er seine Mutter darauf angesprochen hat, meinte sie nur: Von mir bekommst du kein Geld, du kannst bei mir wohnen, wenn du zu fein dazu bist, dann zieh halt aus, von mir bekommst du jedensfalls kein Geld! Er hatte damals frisch den Abschluss gemacht und musste dann gleich Zivildienst machen. Also er bekam fast nichts bezahlt, und auch keine zusätzliche Unterstützung vom Staat. Er hat von 500 Euro im Monat gelebt - bei ner Miete von 400 im Monat. Am Ende hat der Abstand gut getan, die Mutter hat eingesehen, dass sie und er nicht zusammenwohnen können, und das das vor Allem nicht schlimm ist, und er hat jetzt nen Job und ist nicht mehr abhängig von ihr - nebenbei studiert er noch. Wir sind dann auch zusammengezogen, also viel Geld haben wir nicht, wir leben eher bescheiden, aber es lässt sich gut aushalten!

Also es funktioniert, man muss sich trauen, es ist extrem stressig und furchtbar anstrengend, ja. Aber am Ende ist es besser für die Seele. ... Mein Freund ist übrigends total schlampig, aber er macht sich ganz gut im Haushalt. Also keine Angst, ein bisschen mehr Optimismus, ich weiß, das ist schwer, aaaaaber es funktioniert, man darf nur nicht aufgeben!

LG

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