Keine Hoffnung auf Besserung - Ratlos (Angehörige)

Violine, Montag, 11.05.2009, 11:53 (vor 5498 Tagen)

Hallo,

nachdem ich glaubte, dass mein Mann nun sein Messie Verhalten langsam endlich in den Griff bekommt, muss ich jetzt leider sagen, dass dies (zum x-ten Mal) eine Illusion war. Vor etwa einem guten Jahr räumte er systematisch auf, man sah deutliche Fortschritte.
Dann gab es letzten November nochmal eine Aufräumaktion, da sich Besuch für einige Tage angekündigt hatte. Weil er aber zu spät damit anfing (mit aufräumen), hat er den auf dem Boden liegenden Kleinkram mit einer Kehrschaufel in Kisten befördert und diese auf den Dachboden gestellt. Nachdem der Besuch wieder weg war dauerte es nur etwa 3 Wochen und das totale Chaos war wieder da.
Mittlerweile muss ich feststellen, dass mich sein Verhalten psychisch krank macht. Er ist ja den ganzen Tag weg zur Arbeit und ich muss dieses Chaos hier überall ertragen. Gestern kam unerwartet ein kurzer Besuch (nur im Garten) und ich habe mich in Grund und Boden geschämt, denn auch im Garten hat sich das Chaos verbreitet.
Bis es Freitag ist, habe ich in unseren allgemeinen Räumen (wie Küche, Esszimmer usw.) Ordung geschaffen. Dann kommt das Wochenende und wenn er Montag dann wieder zur Arbeit ist, geht für mich alles wieder von vorne los. Überall hat er Zeug rumliegen lassen, wahllos. Eigentlich müsste ich ihm wie ein Hundchen auf Schritt und Tritt folgen und ihm ständig hinterher räumen (aber wohin - alles ist vollgestellt).
Eigentlich müsste ich mich von ihm trennen, räumlich. Leider ist das aus finanziellen Gründen nicht möglich.
Bzw. würde das unser beider Ruin bedeuten und für mich ein Leben in Hartz4.
Vom Intellektuellen her ist es ihm in manchen Momenten klar, dass er ein Problem hat, das er offensichtlich nicht alleine in den Griff bekommt. Aber das reicht nicht, ist nicht stark genug, so dass er sich professionelle Hilfe holen würde. Denn es geht ja nicht um das Ansammelen der Dinge an sich. Unter/hinter diesem Messie-Verhalten liegt ja ein tiefgreifendes psychologisches Problem.
Für mich ist dieses Leben mittlerweile so ohne Perspektive, dass ich manchmal so gar keine guten Gedanken habe.
Ich gehe sozialen Kontakten aus dem Weg. Bitte kein Besuch, denn das ist für mich nur zum Schämen. Diese Gesellschaft ist ja so, dass Unordnung der (Haus)Frau angelastet wird, so nach dem Motto, "was ist die faul...".
Und manchmal habe ich tatsächlich keine Lust mehr, aufzuräumen, sauberzumachen. Denn ich weiss, spätestens wenn mein Mann wieder zu Hause ist, ist in kürzester Zeit all meine Bemühung dahin. Ja sogar das Gegenteil - alle freigeräumten Flächen sind für ihn wie eine Topp-Einladung, dort etwas abzustellen.

Auch alles (oder 80%) zu entsorgen, wäre keine Lösung. Spätestens nach einem Jähr wäre wieder alles voll gestellt.
Denn das hatten wir schon mal, das weiss ich aus Erfahrung. Von unserer (seiner) alten Chaos-Wohnung sind wir in ein LEERES Haus gezogen. Mit der Vereinbarung, dass hier das Chaos weg bleibt. Leider habe ich damals diese Krankheit unterschätzt und seinen Versprechungen geglaubt.
Ich weiss ja, dass es im Grunde nicht so ist, aber ich fühle mich nicht respektiert, nicht anerkannt.
Ich fühle mich wie ein einem unauflöslichen Dilemma, einer Sackgasse.
Oder sieht jemand einen Ausweg, den ich nicht wahrnehme?

LG

Re: Keine Hoffnung auf Besserung - Ratlos

Katharina, Dienstag, 12.05.2009, 13:53 (vor 5497 Tagen) @ Violine

Hallo Violine,

mir fällt eigentlich nur auf, dass ihr dringend eine "außenstehende" Person brauchen würdet. Ihr beide zusammen kriegt das Problem ja nicht gebacken bzw. du entwickelst immer mehr negative Gefühle gegen ihn wegen seines Chaos und er evtl. immer mehr gegen dich, wenn du ihm Druck machst oder dich aufregst.
Jemand, der von außen auf die Sache schaut, könnte sich 1. einen klaren Überblick verschaffen und danach Ratschläge geben und 2. würde diese Person vielleicht von deinem Mann "ernster" genommen, eben weil es eine außen stehende Person ist und er dann merkt: Hey, mein Verhalten ist wirklich nicht normal. Denn was die Ehefrau als abnormal bezeichnet, muss jan nicht "wirklich" so sein.
Es wäre wirklich gut den Konflikt - nicht die Sache/das Chaos an sich - Das gibt es ja schon lange! also den Konflikt an sich aus eurer Ehe herauszulassen.
Klar ist es peinlich, eine fremde Person auf das "Chaos" sehen zu lassen.
Da gibt es aber einen Weg: Sobald dein Mann mitbekommt, dass irgendjemand (wer das sein könnte s.u.) sich mit dem Problem beschäftigt und vorbeikommt, wird er bestimmt erstmal aufräumen. So wie er es vor dem Besuch auch gemacht hat.
Ob dann alles in Kisten steht, ist egal. Erstmal wäre das "Peinliche" weg.
Aber dieser außenstehenden Person müsste man dann eben auch die Kisten zeigen - also somit die "Aufräumstrategie" deines Mannes vor Augen führen. Das wäre mit Sicherheit weniger peinlich, als eine chaotische Wohnung zu präsentieren. Das weiß der Außenstehende, wenn er ein Profi ist, sowieso. Also er weiß, wie es im Alltag aussehen kann.
Ich hoffe, es ist verständlich, was ich meine. Jemand der von außen hilft, wäre, denke ich, die einzige Möglichkeit für EUCH BEIDE! Alles bisher hat ja nicht gefruchtet, auch die Abmachung mit dem Einzug ins neue Haus.
Und du scheinst so verzweifelt zu sein, dass du es nicht mehr packst und einfach nicht mehr WILLST, das es so weitergeht.

Jetzt kommt es natürlich darauf an, wer könnte eine solche "Hilfsperson" sein. Also einen Bekannten halte ich für schlecht. Da wäre einmal der Peinlichkeitsaspekt da und zum anderen würde der sich vielleicht in solchen Sachen nicht auskennen.
Einen Psychiater finde ich auch nicht gut. Bei einer Psychotherapier würde ja erstmal nur "gequatscht" - sorry, ich weiß, es gibt auch Ausnahmen, aber ich will es mal so auf den Punkt bringen - und das vermutlich sogar an irgendeinem anderen Ort. Schlecht!
Ich würde daher vorschlagen, dass du dich - ist echt unverbindlich - an einen sogenannten "sozialpsychiatrischen Dienst" der Charitas wendest. Die gibt es eigentlich in jeder größeren Stadt. Bei dir in der Nähe bestimmt auch.
Dort könntest du einfach einen Termin mit einem Berater ausmachen und dem die ganze Sache schildern. Kostet nichts! Ist sehr hilfreich, da der (bei Bedarf) alle Kontaktadressen kennt oder Hilfstellen kennt und vor allem Lösungswege vorschlägt. Der würde dann MIT DIR ZUSAMMEN überlegen, was helfen könnte. Wenn dein Mann gleich mitkäme, wäre das schon mal super. Aber vielleicht kannst du ja alleine gehen, da es DICH gerade so belastet. Diese Berater machen übrigens auch Hausbesuche.
Man könnte also einen solchen Termin dann mit dem Berater vereinbaren (ich nenne ihn jetzt einfach mal Berater) und der käme dann ins Haus.
Vorher könnte dein MAnn ruhig kräftig aufräumen und sein "Zeug wegstellen" oder so.
Auf jeden Fall weiß der Berater, dass dies nicht der Ist-Zustand ist und könnte helfen.
Ich habe selber auch schon sehr gute Erfahrungen mit diesem sozialpsychiatrischen Dienst gemacht.
Dein Mann würde nicht gleich als "Psycho" abgestempelt.
Du würdest als Angehörige mit den für dich entstehenden Problemen ernst genommen und mit einbezogen.
Das ganze ist eine unverbindliche Sache und kostet NICHTS. Die Caritas kennst du ja, da kannst du Vertrauen haben. Die Leute sind Psychologen oder Sozialpädagogen (soweit ich weiß) und kennen sich echt aus.
Auch wenn DU jetzt einfach mal nicht weiter weißt, so wie du es hier geschrieben hast: Rufe einfach dort an und lass dir FÜR DICH einen Termin geben, wenn du nicht willst, dass dein Mann es weiß, auch ok.
Dann kannst du einfach DICH mal beraten lassen und erzählen wie es dir mit deinem schwierigen Mann (meine das nicht böse) geht. (also dein eigenes Befinden schildern)
Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Tipp etwas helfen.
Liebe Grüße und erstmal Kopf hoch!
Katharina

Re: Keine Hoffnung auf Besserung - Ratlos

Violine, Dienstag, 12.05.2009, 15:36 (vor 5497 Tagen) @ Katharina

Hallo Katharina,

ein kleines bisschen muss ich korrigieren, denn das scheint nicht richtig rüber gekommen zu sein.
Ich entwickle keine negative Gefühle gegen meinen Mann. Sein Verhalten beeinträchigt mein Lebensgefühl, meinen Lebensraum. Das Messie-Sein ist eine Krankheit, ein psychologisches Problem. Ich werde ja auch nicht auf jemanden wütend, weil er sich ein Bein gebrochen hat. Und so sehe ich diese Sache. Messies sind ähnlich wie Suchtkranke. Irgendwo wissen sie was los ist, aber sie haben oft keine Kraft, sich dem zu widersetzen und das dann zu überwinden.
Und ich mache keinen aktiven Druck (mehr - früher war das ab und zu mal so; ich habe schon alle möglichen Strategien versucht). Ich sage dann z.B. ganz höflich, aber bestimmt, dass ich es nicht möchte, wenn er auf dem Küchenfußboden etwas repariert (weil in den Räumen, die er dafür hätte, kein Platz mehr ist). Er macht es trotzdem, nur mit dem Unterschied, dass er dann die Spuren (Werkzeug etc.) beseitigt.

Und vom Intellekt her weiss er ganz genau über sich selbst bescheid. Und manchmal nervt es ihn selbst auch gewaltig, weil er eben oft nichts mehr wieder findet. In der Analyse der Angelegenheit gibt es völlige Übereinstimmung.
Was er nicht hinkriegt, ist, in kleinen Schritten zu arbeiten. Also sich selbst vorzunehmen, immer nur eine kleine Ecke auf einmal aufzuräumen, also ein Pensum, das auch realisierbar ist. Er ist eigentlich ein Perfektionist, das ist sein Problem.

Du sagst: "Klar ist es peinlich, eine fremde Person auf das "Chaos" sehen zu lassen".
Kommt darauf an, wen. Beim Schorsteinfeger z.B. ist ihm das völlig egal.
Er will nicht, dass es jemand mitbekommt, vor allem nicht nähere Bekannte. Sein bester Freund weiss bescheid. Aber der ist selbst ein absoluter Messie und übertrifft in diesem Punkt meinen Mann noch bei weitem.
Und er will auch nicht, dass ich mit irgendjemand darüber spreche, da auch wieder vor allem nähere Bekannte.

Wenn ich einfach jemand ins Haus holen würde, so wie Du es vorschlägst, würde er das als absolute Bloßstellung empfinden. Ich glaube, das würde er mir übel nehmen.
Wir haben schon oft miteinander über das Chaos gesprochen. Insofern ist das kein Tabu. Und er ist überzeugt davon, dass er das ohne Hilfe in den Griff bekommt, obwohl er jeden Tag sieht, dass sich nichts zum Besseren verändert.
Angeblich fühlt er sich auch nicht wohl damit, hält sich in den zugestellten Räumen auch nicht gerne auf. Aber es fehlt ihm die Kraft, etwas zu verändern.
Und Du weisst doch wie das mit Suchtkranken ist: Ohne eigene WIRKLICHE Einsicht, kann jemand von außen nicht helfen und nichts tun.

Aber trotzdem ist Dein Tipp mit der Caritas sehr gut und brauchbar. Ich will mal sehen, ob es sowas in erreichbarer Nähe gibt. Doch ich würde meinen Mann vorher darüber einweihen, dass ich diesen Schritt gehe.

Als ich mal sehr verzweifelt war, habe ich mich mit der Telefonseelsorge in Verbindung gesetzt. Die sind überhaupt nicht auf mein Anliegen eingegangen und ich wurde mit ganz banalen Aussagen "vertröstet".
Das habe ich schon hie und da erlebt. Er müllt alles zu aber es wird so getan, als hätte ICH das Problem, würde übertreiben, sei überpenibel usw. Eigentlich finde ich das ganz schön ... verletzend. Ich bin wahrhaftig nicht die Super-Hausfrau und bin froh, wenn ich das ganz normale Pesum geschafft bekomme. Putzen gehört nicht zu meinen Lieblings-Tätigkeiten. Wer noch nie eine Messie Wohnung gesehen hat, kann sich wahrscheinlich auch kein realistisches Bild davon machen. Und es ist ja auch nicht immer so reißerisch wie in manchen Sendungen im Fernsehen. Mein Mann sammelt keine leeren Lebensmittelverpackungen, oder Sachen, die vergammeln könnten. Und darüber bin ich froh. (Sein Freund tut das nämlich, leere, nicht ausgespülte Katzenfutterdosen ansammeln und dergleichen. Der Gestank in seinem Haus ist ... enorm, um es freundlich auszudrücken) Mein Mann hat seinem Freund in dessen Haus schon gelegentlich beim Aufräumen geholfen - das ist schon "schräg". Dort kann er das, bei sich selbst nicht. Er hat dort sogar Fenster geputzt, das hat er hier bei uns noch nie getan.

Ich habe auch schon gelegentlich vorgeschlagen, dass wir uns Hilfe von außen holen. Das will er nicht. Dagegen mauert er. Er kriegt das alleine hin.....sagt er.

Ich befinde mich in der zweiten Lebenshälfte, sozusagen. Die Vorstellung, dass ich bis an mein Lebensende in solchen Zuständen hausen muss, wohnen kann man das nicht nennen, macht mich verrückt.

Ich danke Dir für Deine Anteilnahme und Dein offenes Ohr!

LG

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