Mutter und Schwester seit Jahren im Chaos (Angehörige)

Danton, Mittwoch, 02.09.2009, 00:45 (vor 5374 Tagen)

Hallo,

ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht mit Fakten. Meine Mutter ist 71 und wohnt zusammen mit meiner 42-jährigen Schwester in einem 2- stöckigen Reihenhaus mit Keller. Dazu noch eine Garage. Also es gibt viel Platz für Müll und Schrott (für die beiden sind die Sachen natürlich kein Müll). Ich bin der Sohn, 29 Jahre alt und besuche sie fast täglich. Meine Mutter ist ein Kriegskind und kann daher nur schwer Dinge wegschmeissen. Zusätzlich sammelt sie auch noch Kleidung und alles mögliche für Hilfstransporte in arme Länder. Ist ja auch nobel und lobenswert. Nur knallen die Leute, die ihre Sachen auf diese Weise gerne loswerden, sie dermaßen voll, dass vieles nicht wegkommt. Und meine Mutter kann einfach nicht "nein" zu Menschen sagen. Klassisches Samariter-Syndrom.
Trotzdem habe ich bei ihr Hoffnung, denn sie sieht ja ein, dass das Haus eine Rumpelkammer ist.
Nur scheint sie vor der Aufgabe des Entrümpelns zu kapitulieren. Hat immer nur Ausreden und Ausflüchte, leere Versprechungen und Durchhalteparolen auf Lager, wenn ich meinen wöchentlich Anfall kriege und sie in gemäßigtem Ton "aufwecken" will.
Gäste kann man selbstverständlich nicht einladen, Nachbarn bleiben vor der Tür, denn meiner Mutter ist der Zustand peinlich.
Damit nicht genug. Meine Schwester, eine schwierige, introvertierte und menschenscheue Persönlichkeit ist der zweite Messie im Haus.
Sie studiert seit 20 Jahren (ja, das gibt´s wirklich) Geschichte und sieht sich somit als Historikerin.
Deshalb hat sie ihre Berufung darin erkannt, historische Sachen zu sammeln. Und das sind hauptsächlich Produkte, Accessoirs etc. auf denen irgendwelche Jubiläen oder Jahreszahlen stehen. Sonderausgaben und so weiter. Sie ist ganz fanatisch, was das betrifft. Sie hat so unglaublich viele Verpackungen gehortet, die für sie wertvoll erscheinen. Ein ganzes Zimmer im ersten Stock ist voll mit leeren Duschgel-Verpackungen (Sondereditionen), leeren Chipstüten und was diese ausgebuffte Konsumterror-Maschinerie nicht alles auf den Markt geschmissen hat.
Hilfe, wenn ich daran denke, packt mich die pure Verzweiflung.
So haben diese beiden Messies es geschafft, dass man in den Fluren kaum noch Platz zum Laufen hat. Die Zimmer sind eigentlich auch unbewohnbar.
Der Keller ist eh voll bis zur Decke. Und die Garage traue ich mich kaum zu öffnen, weil ich dann wohl erschlagen werde von herunterstürzenden Dingen.
Schmutzig ist es zum Glück nicht und die Hygiene ist zufriedenstellend. Dafür sorgt meine Schwester. Immerhin.
Aber nach dieser langen Zeit, während der ich so oft versucht habe, die beiden zur Vernunft zu bringen, weiß ich nicht mehr, wie weiter.
Vor allem meine Schwester ist so grauenhaft uneinsichtig und dickköpfig. Und in ihren Antworten bzw. Verteidigungen lächerlich naiv und unlogisch.
Das macht mich rasend und ich würde sie am liebsten einfach rausschmeissen, hätte ich die Befugnis dazu.

Nun gut, das Schreiben hat mir ein wenig Luft verschafft. Wäre äußerst nett, wenn es dazu irgendwelche Ratschläge, Tipps oder Hilfen gäbe.
Ihr könnt mich auch einfach nur bemitleiden, denn ich leide wirklich. Zumindest in dem Maße, in dem man unter Messies leiden kann.

Danke für´s Lesen,

Danton

Re: Mutter und Schwester seit Jahren im Chaos

Paladin, Donnerstag, 03.09.2009, 02:05 (vor 5373 Tagen) @ Danton

Moin Danton,

solange die Hygiene noch soweit in Ordnung und nix vermüllt ist, sehe ich wenig Chancen, daß du da was machen kannst... Es das gute Recht der beiden, so zu leben
Bei deiner Mutter erkenne ich eine gewisse Überforderung; sie will helfen, aber kriegt das nicht auf die Reihe. Ich könnte mir vorstellen, daß caritative Vereinigungen, die Erfahrung damit haben, ein Weg sein könnte, die abgesammelten Sachen auch da hin zu bringen wofür sie gedacht sind.

So wie du deine Schwester beschreibst, sieht die Welt etwas anders aus. Hier sehe ich nicht unbedingt den Zwang zum Sammeln, sondern eher zum Katalogisieren und archivieren. Es würde mich nicht wundern, wenn deine Schwester alles penibel aufgezeichnet hat
Auch die Introvertierheit ist ein zusätzliches Indiz dafür, daß dein Schwester möglicherweise Autistin ist. Das ist nichts Schlimmes; ich bin selber Asperger Autist. Hier wäre die beste Hilfe für deine Schwester, einmal abklären zu lassen, ob das wirklich der Fall ist. Ich bin kein Mediziner und kann das nicht beurteilen, aber aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich wenigstens einen Tip geben.

Vielleicht versuchst du deine Schwester, davon zu überzeugen, dies einmal abzuklären. Ich empfehle aber, dies nei Experten machen zu lassen, die wissen, was sie nun. Der normale Psychologe hat in der Regel keine Ahnung davon.

Falls du im Raum Hannover zu Hause bist, dann empfehle ich die Frau Dr. Roy an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie gehört zu den ca. 10 Experten in ganz Deutschland, die wissen, worauf es bei AS ankommt.

Für mich persönlich hat die Abklärung bei Frau Dr. Roy sehr viel gebracht und mir gezeigt, was eigentlich mit mir los ist. Seit ich meine Stärken kennen, die hat ein Aspi, komme ich nmit vielen Dingen viel besser klar.

Ich hoffe, meine Anregung ist nützlich für dich
LG vom Paladin

Re: Mutter und Schwester seit Jahren im Chaos

Danton, Donnerstag, 03.09.2009, 10:47 (vor 5373 Tagen) @ Paladin

Hi Paladin,

danke erstmal für deine Mühe und deine Antwort.
Hast Recht mit meiner Schwester. Erstens war sie schonmal beim Psychologen aufgrund eines Nervenzusammenbruchs. Das ist aber schon 20 Jahre her.
Sie kam damals nicht mit dem Druck nach dem Abi und vor der Uni zurecht. Zusätzlich gab´s familiäre Probleme.
Und zweitens notiert sie tatsächlich gewisse Dinge. Zum Beispiel führt sie Buch über Sonderangebote, die sie gekauft hat. Klebt das Preisschild in den Hefter neben die Notizen.
Außerdem hast du natürlich auch recht, dass es ihr Recht ist, so zu leben.
Deswegen habe ich meiner Mutter auch gesagt, dass ich nichts mehr dagegen einwenden werde, wenn sie mir ehrlich sagt, dass es ihr nichts ausmacht und sie keine Probleme mit dem Zustand hat. Aber dies verneint sie energisch, weshalb ich ihr ja auch helfen will bzw. befreien möchte.

Komme aber nicht aus dem Umkreis Hannover. Danke trotzdem für den Tipp. Ich sehe da aber eher Schwierigkeiten, meiner Schwester klarzumachen, dass sie professionelle Hilfe braucht. Wie gesagt: Uneinsichtigkeit in Person. Selbst wenn ich ganz ruhig und vorsichtig artikuliere fühlt sie sich angegriffen, in die Ecke gedrängt und flüchtet instinktiv entweder aus dem Haus oder in ihr Zimmer.

Aber ich muß es versuchen
Also, vielen Dank erstmal für die hilfreichen Zeilen

Re: Mutter und Schwester seit Jahren im Chaos

anja, Donnerstag, 03.09.2009, 11:05 (vor 5373 Tagen) @ Danton

Hallo, Danton,
wenn Du Dich an eine caritative Organisation wendest, und den Leuten dort sagst, sie sollen regelmäßig alles abholen, was Deine Mutter für Kriegsopfer gesammelt hat, und falls es unbenutzbar ist, würdest Du es dann zum Sperrmüll bringen.

Und dann mußt Du den freigewordenen Platz so schnell wie möglich mit Sachen aus dem Keller wieder vollpacken, sonst besorgen sie sich noch neuen Krimskrams.
viele Grüße,
anja

Re: Mutter und Schwester seit Jahren im Chaos

Paladin, Donnerstag, 03.09.2009, 14:41 (vor 5373 Tagen) @ Danton

Moin Danton,

Komme aber nicht aus dem Umkreis Hannover. Danke trotzdem für den Tipp. Ich sehe da aber eher Schwierigkeiten, meiner Schwester klarzumachen, dass sie professionelle Hilfe braucht. Wie gesagt: Uneinsichtigkeit in Person. Selbst wenn ich ganz ruhig und vorsichtig artikuliere fühlt sie sich angegriffen, in die Ecke gedrängt und flüchtet instinktiv entweder aus dem Haus oder in ihr Zimmer.

auch das ist ein typisches Verhalten für einen Aspi. Einen Aspi kannst du nicht unter Druck setzen oder zu etwas zwingen, weil er dann zu macht und unerreichbar bleibt. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.

Ob es wirklich so ist, kann nur ein Experte feststellen. Vorweg sei aber gesagt, daß man Asperger Autismus nicht "heilen" oder therapieren kann; es ist ein angeborenes Syndrom. Man kann einen Aspi aber coachen, indem man herausfindet, wo seine Interessen und Stärken liegen und dies fördern. Wenn du das beachtest, hast du auch eine Chance, daß sich deine Schwester nicht vor dir verschließt.

Vielleich findest du auf dieser Seite noch ein paar hilfreiche Informationen. http://www.aspergia.net/

Dort findest du auch eine Reihe von Tests, wo du mal versuchen solltest, deine Schwester für zu begeistern. Die Betonung liegt klar auf begeistern, sonst klappt es nicht.

LG vom Paladin

Re: Mutter und Schwester seit Jahren im Chaos

Danton, Donnerstag, 03.09.2009, 22:47 (vor 5372 Tagen) @ anja

Hallo,

erstmal wieder danke für die Antworten an euch, Anja und den Paladin.
Das mit den caritativen Einrichtungen werde ich mal in Angriff nehmen. Zumindest werde ich versuchen, die beiden davon zu überzeugen.
Eigentlich müßte ich die freiwerdenden Stellen und Räume sofort absperren, denn so schnell wie meine Mutter die wieder vollhaut kann ich gar nicht gucken. Was mich daran aber aufregt ist, dass die Leute die Hilfsbereitschaft und Manipulierbarkeit meiner Mutter schamlos ausnutzen, obwohl die meisten wissen, wie es bei uns aussieht.

Zum Paladin:
Wollte es erst gar nicht glauben, aber das mit dem Asperger Syndrom bei meiner Schwester erscheint mir immer mehr möglich.
Habe mir deinen Link mal angeschaut und die Diagnosekriterien sind erschreckend zutreffend.
Zwei Beispiele:
Meine Schwester redet auffällig langsam und zäh, nur in Rage beschleunigt sie die Rede.
Gegenüber Menschen, die ihr nicht vertraut sind, ist sie in Mimik, Augenkontakt, Sprache und eigentlich allen sozio-emotionalen Verhaltensweisen extrem zurückhaltend, wenn nicht ängstlich.
Ich werde mit meiner Mutter darüber sprechen und mich mit ihr über weitere Schritte beraten.

Ich danke euch wirklich sehr, ihr habt mir bis hierher schon viel geholfen... Danke

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