Re: Brauche dringend einen Rat !!!! (Angehörige)

Viola, Freitag, 28.01.2011, 21:40 (vor 4849 Tagen)

Hallo,
als erstes will ich mich kurz vorstellen: Ich heiße Barbara, bin 40 Jahre alt und meine Mutter hortet seit etwa 20 Jahren Zeitungen, Zeitschriften, Taschen, leere Gläser, Flaschen, sämtliche leere Essensbecher (von Joghurt, Frischkäse und Kartoffelsalat) und alles, was sie umsonst bekommen kann.

hallo barbara,
so lange sie solche dinge sammelt und keine essensreste oder andere organische dinge, besteht noch
kein hygienisches problem und noch kein grund, einzugreifen.

Mein Vater ist letztes Jahr an einer schweren Erkrankung verstorben und seitdem stapelt meine Mutter nun die ganze Wohnung zu.

wie du selbst es beschreibst, besteht dort der zusammenhang. deine mutter versucht, den verlust durch diese sammlungen zu kompensieren. die sammlung erfüllt hier die funktion eines schutzes,
den man ihr nicht wegnehmen darf. eine schwere dekompensation könnte die folge sein. außerdem hat sie das recht, soviel zu sammeln wie sie will, solange nicht die rechte anderer dadurch gefährdet werden.

Sie hat kein Selbstbewusstsein, ist sehr in sich gekehrt und hat schon seit etwa 25 Jahren niemanden mehr in ihre Wohnung gelassen.

heißt das, sie hat nur noch mit deinem vater gelebt und ihn während seiner schweren krankheit versorgt?

Noch kann man einigermaßen durch die Zimmer gehen. Gespräche über ihre Sammelleidenschaft enden meistens mit Tränen ihrerseits und oft Sätzen wie: " Wenn ihr mir was wegschmeißt, werf`ich mich vor die U-Bahn."

das würde ich durchaus ernstnehmen. sie ist schwer depressiv und durch den verlust ihres mannes traumatisiert. man sollte noch froh sein, dass sie noch in der lage ist, durch relativ harmloses sammeln ihr seelisches gleichgewicht einigermaßen zu erhalten. sie hätte ja auch ein schlimmeres symptom entwickeln können. trotzdem verstehe ich natürlich deine sorge und deine bedenken.
nur ist das wegwerfen und aufräumen nun nicht der ansatzpunkt, sondern deine mutter braucht andere hilfe, zuwendung, trost, unterstützung, um den verlust verarbeiten zu können. und es darf ihr nichts aufgezwungen werden. es muss ihre entscheidung bleiben und sie muss den zeitpunkt bestimmen.

Jetzt der aktuelle Anlass, warum ihre Sammelwut zu einem Problem wird. Meine Mama wurde Anfang der Woche von einem LKW erfasst. Sie hatte Glück im Unglück und sich "nur" die Mittelfußknochen beider Füße gebrochen. Der Arzt sagt, sie müsse nun die nächsten 6 Wochen im Rollstuhl verbringen, da sie ihre Füße nicht belasten darf. Einen Leihrollstuhl hat sie bereits auch und nächste Woche wird sie aus dem Krankenhaus entlassen. Aber wie in Gottes Namen, soll sie sich mit dem Rollstuhl in der vollgestellten Wohnung bewegen?

könntest du sie nicht für 6 wochen zu dir nehmen? sie braucht doch auch sicher einiges an hilfe, beim einkaufen, beim kochen, bei der wäsche. und es wäre ja nur vorübergehend.

Ich habe das gleich zum Anlass genommen, um mit ihr über das Problem zu sprechen. Ich bot ihr an, ihr beim Aufräumen und Entsorgen zu helfen. Auch versuchte ich einen Kompromiss zu finden, dass sie nicht alles wegschmeißen brauche, aber zumindestens mal überall die Hälfte weg.
Wíeder kullern nur die Tränen und die Angst steht ihr wahrlich ins Gesicht geschrieben. Sie sitzt nur da, und sagt nichts.

das glaube ich, dass ihr so eine idee nur angst macht und sie völlig überfordert. es muss einfach andere lösungen geben. vlt. kann man die gegenstände vorübergehend auslagern ohne etwas wegzuwerfen, mit ihrem einverständnis!

Ich bin die einzige Tochter, die sie hat. Was soll ich tun, damit die Situation für uns beide erträglich ist. Wenn ich ihr sage, dass ich nicht mehr kommen oder mit ihr telefonieren werde, wenn sich nichts ändert, sagt sie: "Ja gut, dann ist es eben so."

warum erpresst du sie so bzw.setzt sie dermaßen unter druck? willst du damit eine änderung erzwingen? das ist doch wirklich zu brutal und auch lieblos.
stell dir vor, sie würde dich mit so einem liebesentzug/kontaktabbruch bestrafen oder erziehen wollen?

die situation ist natürlich für dich auch nicht leicht, aber ich glaube, für sie noch viel weniger.

viele grüße
viola

Re: Brauche dringend einen Rat !!!!

Barbara, Samstag, 29.01.2011, 19:10 (vor 4848 Tagen) @ Viola

Hallo Viola,
erst mal vielen Dank für deine Antwort.
Mein Vater war nur knapp ein Jahr lang schwer an MDS erkrankt und eine Pflege zuhause war nicht notwendig. Zuletzt verbrachte er drei Monate in der Klinik, wobei er dann einen Tag nach der Entlassung zuhause unerwartet verstorben ist.
Das Verhältnis von meiner Mama zu ihm war eher ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Sie hatte seit meiner Geburt nicht mehr gearbeitet. Daher hat sie bis dato auch die Einstellung, sich selbst nichts zu gönnen, weil sie das Geld ja nicht verdient hat. Und ja: zuhause hat sie schon immer sehr einsam gelebt. Meinen Vater ging ihre Sammelwut schon seit Jahren auf die Nerven, weil er gerne selbst Besuch gehabt hätte. Es gab auch fast täglich Streit darüber. Mein Vater wollte sich deswegen auch schon von ihr trennen, hat es aber aus rein finanziellen Gründen dann doch nicht gemacht.

Ich kann und will es einfach nicht verstehen, warum sich meine Mama die ganze Wohnung zustellt. Als sie letzte Woche ins Krankenhaus gekommen ist, hat sie mir gegenüber mehrfach betont, wie peinlich und unangenehm es ihr ist, dass ich nun in ihre Wohnung muss, um ein paar Sachen zu holen, da ich dann das ganze Ausmaß des Zustandes sehe. Also ist es ihr doch durchaus bewusst, dass es nicht richtig ist. Sie kann ja noch nicht einmal mehr in ihrem Bett schlafen, da es auch schon vollgestellt ist! Deine Aussage, es sei ja noch nicht so schlimm, da sie noch keine Essensabfälle rum liegen hat, kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich werde ich meine Mama nach der Entlassung zu mir nehmen, um mich zu kümmern. Das ändert aber leider nichts an der Situation. Und eine Therapie würde meine Mama NIE machen, da sie mit niemanden über ihr Problem sprechen möchte. Auf der einen Seite will sie bis zu ihrem Tode auf jeden Fall zuhause bleiben und auf der anderen Seite zeigt sie mir aber, dass sie nicht angemessen für sich selbst sorgen kann.

Eine Auslagerungsmöglichkeit für ihre Sachen gibt es leider keine mehr, da ihr Kellerabteil auch schon bereits bis zur Decke zugestellt ist. Und eine andere Möglichkeit möchte ich ihr ehrlich gesagt auch nicht bieten, da ich das Ganze nicht unterstützen möchte
Lieben Gruß

Barbara

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