Fruchtzucker hat manchmal Nachteile ((M)Essies)
Dipl. oec. troph. Andrea Barth, Nadia Gaeta
Eine Apfelsaftschorle oder ein schönes Stück Wassermelone - für viele gerade im Sommer eine wohltuende Erfrischung. Doch für manche Menschen haben solche Genüsse oftmals unangenehme Folgen wie Übelkeit, Bauchkrämpfe oder Durchfälle. Die Ursache: Fructosemalabsorption.
Bei vielen Menschen sind Unverträglichkeiten gegen Kohlenhydrate schuld an Unwohlsein und Bauchschmerzen. Am bekanntesten ist die so genannte Lactoseintoleranz, bei der Milchzucker nicht vertragen wird. Etwa 15 bis 22 Prozent der Bundesbürger leiden daran. Weniger bekannt, aber vermutlich noch häufiger ist die Unverträglichkeit gegen Fruchtzucker, einem Einfachzucker, der insbesondere in Obst und Gemüse vorkommt. Schätzungsweise 30 bis 40 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung haben eine solche Fructosemalabsorption oder intestinale Fructoseintoleranz. Viele Betroffene zeigen Symptome wie Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen und Völlegefühl. Sie sind oft gereizt und müde, haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, und leiden an Schwindelgefühl, Atemnot, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Außerdem kann es zu Depressionen und einem Mangel an Folsäure und Zink kommen.
Depressionen durch Fruchtzucker
Eine Fructosemalabsorption löst nicht nur Beschwerden im Bauchraum aus. Häufig sind auch psychische Veränderungen bei den Betroffenen festzustellen. Studien zeigen, dass bei Menschen mit einer gestörten Fruchtzuckerresorption häufiger Depressionen auftreten als bei gesunden Personen. Schuld daran ist oft ein Mangel an Serotonin - ein biogenes Amin, das aus der unentbehrlichen Aminosäure Tryptophan gebildet wird. Serotonin nimmt im Zentralen Nervensystem (ZNS) unter anderem Einfluss auf die Stimmung und die Nahrungsaufnahme. Als Ursache für den Mangel vermuten Wissenschaftler, dass durch die Fructosemalabsorption auch die Aufnahme von Tryptophan gestört ist und damit zu wenig in den Körper gelangt. Nachweislich liegen die Tryptophanspiegel bei den Betroffenen deutlich niedriger als bei Gesunden. Dadurch wird weniger Serotonin gebildet, was nicht nur die Stimmung drückt, sondern auch zu typischen Depressionssymptomen wie Süßhunger führen kann. So beginnt ein Teufelskreis: Durch das Essen von Süßem steigt der Insulinspiegel im Blut und öffnet die Blut-Hirn-Schranke für die Aufnahme von Tryptophan in das ZNS. Zwar regt die Aminosäure die Bildung von Serotonin an und hellt somit die Stimmung auf. Doch ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass durch den Süßhunger wiederum vermehrt Fruchtzucker zugeführt wird und sich so die Beschwerden verschlimmern. Denn Fructose wird häufig in der Herstellung von industriellen Nahrungsmitteln verwendet.
Folsäuremangel als Folge der Störung
Patienten mit Fructosemalabsorption zeigen vor allem ab einem Alter von etwa 35 Jahren deutlich niedrigere Folsäurewerte im Blut als Gesunde. Wie es dazu kommt, ist unklar. Vermutlich verändert die Erkrankung die Darmflora, was wiederum eine gestörte Folsäureaufnahme zur Folge hat.Ein Mangel an Folsäure wird mit der Entstehung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen wie der Hyperhomozysteinämie und Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen in Zusammenhang gebracht. Zudem scheint er eine Rolle bei der Entstehung von Brust- und Dickdarmkrebs zu spielen.
Zwischen Fructosemalabsorption und Zinkmangel konnte ebenfalls eine Verbindung festgestellt werden. In einer Studie zeigten die Betroffenen nicht nur deutlich niedrigere Zinkwerte als die Vergleichsgruppe. Erstaunlicherweise gab es überhaupt keine Person mit Zinkmangel, die nicht gleichzeitig auch eine gestörte Fructoseresorption aufwies. Da bei anderen Unverträglichkeiten gegen Kohlenhydrate kein Zinkmangel auftrat, scheint dies ein Phänomen der Fructosemalabsorption zu sein. Ein Mangel an Zink erhöht unter anderem die Infektanfälligkeit.
Personen mit einer Fructosemalabsorption sollten, abhängig von der individuell verträglichen Menge, eine fructosearme Diät einhalten. Viel Fructose weisen Früchte wie Äpfel, Birnen und Wassermelonen sowie getrocknetes Obst auf. Auch verschiedene Gemüse, zum Beispiel Lauch und Broccoli, enthalten Fruchtzucker. Ebenso sind Fruchtsäfte und Softdrinks wie Cola mit Vorsicht zu genießen. Fructose wird auch als Zuckeraustauschstoff verwendet und findet sich oft in Diät- und Diabetikerprodukten (s. Kasten S. 152).Da die gleichzeitige Zufuhr von Glucose die Resorption von Fructose weitgehend normalisiert, sind saccharosehaltige Lebensmittel wie Haushaltszucker weiter erlaubt. Auch wenn das Verhältnis von Glucose und Fructose in einem Lebensmittel ausgeglichen ist oder es sogar mehr Glucose als Fruchtzucker enthält, kommt es meist nicht zu Beschwerden. Es kann auch helfen, zu einer fruchtzuckerhaltigen Speise zusätzlich Glucose, beispielsweise in Form von Traubenzucker, zu essen.
Sorbit stört Transport
Auf den Zuckeraustauschstoff Sorbit, die Alkoholform der Fructose, sollte möglichst ganz verzichtet werden. Denn er blockiert das Transportsystem für Fructose. Außerdem ist bei den meisten Personen mit Fructosemalabsorption auch die Resorption von Sorbit gestört. Der Zuckeralkohol verbirgt sich oft in kalorienreduzierten Bonbons und Kaugummis sowie Diät- und Diabetikerprodukten (s. Kasten unten). Auch als Trägerstoff in Arzneimitteln oder versteckt als Zusatzstoff, beispielsweise hinter der E-Nummer 420, findet er Anwendung. Natürlicherweise kommt Sorbit vor in verschiedenen Bier- und Weinsorten, Obst wie Birnen und Pflaumen sowie bestimmten Fruchtsäften, zum Beispiel Birnensaft.Vorsicht ist auch bei Hülsenfrüchten, Kohl, Lauch und Zwiebeln geboten. Sie enthalten unverdauliche Oligosaccharide wie Stachyose, die die Beschwerden verstärken können.
Wer oft leicht reizbar oder gar depressiv ist, unter Kopfschmerzen oder anderen der genannten Symptome leidet und keinen ersichtlichen Grund dafür kennt, sollte sich einmal gezielt auf eine Unverträglichkeit gegen Fruchtzucker untersuchen lassen. Werden bei einer positiven Diagnose fructose- und sorbithaltige Lebensmittel gemieden bzw. stark reduziert, gehören die Beschwerden bald der Vergangenheit an.
Quelle: Barth, A; Gaeta, N.: UGB-Forum 3/02, S. 151-153