@Enko... re: Ich bin Messie - und nun? (Allgemein)

Sabine, Sonntag, 15.06.2008, 14:46 (vor 5817 Tagen)

Hallo Enko,

herzlich Willkommen im Messieforum [image]. Du bist genau richtig hier. [image]

Dein Posting ist weiter nach unten gerutscht, deshalb fange ich mit meiner Antwort hier neu an.

Wie wohl die meisten unserer Bevölkerung verstand ich bis dahin unter Messie lediglich das Chaos in der Wohnung / nicht aufgeräumt / etc., das Bild das in den Medien vorherrscht.

Genau dieses Bild macht es für de Betroffenen so schwer, sich selbst als Messie zu erkennen und erst recht, sich vor anderen Leuten als Messie zu outen. Es gibt eben verschiedene Typen Messies und der Übergang vom Chaosmessie zum Müllmessie ist fließend.

Hatte das dann alles durchgelesen auf der Zugfahrt 2 Tage später, also vergangenen Montag (2.Juni);
diese 2,5 lange Zugfahrt zu meiner Freundin war eigentlich schon am Samstag vorgesehen,
doch wegen eigener Messie-bedingter Blockade/Lähmung, kam ich am Samstag einfach nicht los. ("och, noch bisschen die Sonne auf'm Balkon genießen - pack ich erst oder dusch ich erst? Rasiern könnt ich mich auch noch. Was essen? Aufräumen, Abwaschen, Müll runter bringen, sonst stinkts wenn ich wiederkomme und gibt tausend Fliegen, ........ ")

Oh ja, das ist auch typisch Messie. Diese Entscheidung, was mache ich zuerst. Und dann fängt man gar nicht erst an, weil man immer noch hin und her überlegt oder man fängt mehrere Sachen gleichzeitig an. Mit dem Ergebnis, dass hinterher fast nichts getan ist, oder man hat die Dinge viel später erledigt als man eigentlich gekonnt hätte.
Immerhin hast Du, bevor Du gefahren bist, noch den Müll runtergebracht. Du hast nicht nur erkannt, warum es wichtig ist, dies vor der Abreise zu tun, sondern hast auch den inneren Schweinehund überwunden und es sofort erledigt. [image] Viele andere Messies schaffen das nicht und schieben es vor sich her.

Wie wäre es, wenn Du Dir abends vor dem Zubettgehen oder morgens nach dem Aufstehen eine Liste machst, was Du erledigen möchtest und in welcher Reihenfolge. Dann brauchst Du nur noch die Liste abzuarbeiten. Und wenn Du feststellst, dass die Reihenfolge doch nicht so gut war, machst Du es beim nächsten Mal anders. Die Liste hat nicht nur den Vorteil, dass Du für den jeweiligen Tag einen Plan schwarz auf weiß hast, sondern Du kannst anhand der Listen auch feststellen, was Du an dem Tag in welcher Reihenfolge gemacht hast und so die Planung für den nächsten Tag optimieren.

Wie wäre es, wenn Du vor einer Reise schon am Abend zuvor die Tasche packst? Ich neige auch dazu, Dinge immer auf dem letzten Drücker zu erledigen. Wenn ich erst am Morgen vor der Reise die Tasche gepackt habe, war ich immer furchtbar in Eile, um den Zug noch zu kriegen, hatte dann womöglich keine Zeit mehr zu Duschen, bin mit Tasche umnd Rucksack zum Bahnhof gerannt und war dann total kaputt als ich endlich im Zug saß. Und am Reiseziel mußte ich gelegentlich feststellen, dass ich irgendetwas vergessen hatte mitzunehmen, was ich dann schlimmstenfalls vor Ort nachkaufen mußte.
Deshalb packe ich die Tasche in Ruhen am Abend vorher. Die Kulturtasche stelle ich daneben, weil ich einige Sachen, die da noch reinmüssen, erst morgens noch mal brauche. Aber da die Kulturtasche neben der Reisetasche steht, habe ich eine prima Gedächtnisstütze. Und es sind nur noch ein paar Teile, die da noch rein müssen.
Einmal hatte ich vor einer Reise den Wecker falsch gestellt. Da ich meine Tasche schon gepackt hatte, mußte ich mich zwar sehr beeilen und das Frühstück ausfallen lassen, aber ich habe den Zug ohne mich abzuhetzen noch gekriegt.

Erfreut hat es meiner Freundin nicht, im Gegenteil - stinkesauer ("Ich kann es nicht mehr hören... und dann kommst Du immer mit der Ausrede, dass es an Deinen psychischen Problemen líegen würde..."). Sonntag passte es ihr nicht und als ich Montag dann da war, war alles in Ordnung, .... mit ihr.

Das ist für Deine Freundin schwer nachzuvollziehen, weil sie kein Messie ist und weil sie nicht dieselben Erfahrungen hat mit psychischen Problemen. Außerdem ist Deine Freundin viele Jahre jünger, da wird es ihr noch an Lebenserfahrung fehlen.

Ein paar Mal das Lied durchgehört und dann gings mir auch wieder besser.

Immerhin hast Du ein Hausmittel für Dich gefunden, womit Du Dich aus einem akuten Tief wieder raushelfen kannst. Das ist auch ein guter Tipp für andere Messies. Es ist tatsächlich durch Studien festgestellt, dass man mit Musik Einfluss nehmen kann auf seine Gefühle.

Heute um 18 Uhr im Waschkeller wieder, bzw. paar Minuten zuvor. War ein wenig zu früh da & war dann noch kurz spazieren. Musste Tränen unterdrücken, wollt nich so in der Öffentlichkeit. Hatte übrigens sofort nach dem Rausnehmen aus dem Trockner dort im Keller die Shirts & Hemden glatt gefaltet & so in die Taschen gelegt - hab ich seit Jahren nicht mehr gemacht. Sonst immer reingeknüllt in die Taschen, nach oben und dann 2 Tage später aus den Taschen raus und dann lagen sie irgendwo.

Du hast die Wäsche sofort zusammengefaltet. Das ist ein riesiger Schritt voraus. [image][image][image]. Und es ist ein mehrfacher Erfolg:
1. Du hast es sofort getan und kannst das zufriedene Gefühl und den Erfolg genießen.
2. Du hast Zeit gewonnen, die Du sonst mit Aufschieben und Verschienerli-Frust vertan hättest.
3. Du nimmst die Wäsche nur sooft wie nötig in die Hand. (keine unnötige Arbeit)
4. Du sparst Dir das Bügeln, denn gefaltete Wäsche knautscht nicht.
5. Du kannst die Wäsche sofort in den Schrank räumen

Mit solchen Schritten fängt es an. Und Schritt für Schritt schafft Du auch Fortschritte auf anderen Gebieten. Und irgendwann geht es dann fast wie von selbst. Die Freude über den Erfolg wird Dir stets mehr Auftrieb geben.

Ein Tipp an Messies ist auch (habe ich glaub ich bei Sandra Felton gelesen), jeden Morgen nach dem Aufstehen sofort das Bett zu machen. Dann hast Du (egal wie der Rest der Wohnung aussieht) schon mal 2 Qudratmeter in der Wohnung die schön sind. Damit habe ich auch angefangen, und es hat gewirkt.

Die bestimmte Seite auf der ich letzten Sonntag drauf war, war wiki-Magersucht. Ich hatte letztes Wochenende 5 km abgenommen (:schock:) und rutschte damit auf ein BMI von 18,6. Unter 18 ist Magersucht nach WHO, außerdem 15% unter dem zu erwartenden Gewicht (Ich: 15,6%) oder weniger als 85 % des zu erwartenden Gewichts (Ich: 85,6%). Nun gut, bei der Freundin hatte ich gut gegessen, waren auch extra bei McDonalds, hab dort zugeschlagen (was ich sonst total ablehne) und hatte die 5 kg wieder schnell drauf - damit immernoch einige kg unter dem wo ich wieder hin will, aber das geht mir seit ein paar Monaten so. Und jetzt? Kühlschrank ist voll, hab gestern schön eingekauft, auf dem REWE-Bon steht die Uhrzeit 22:00 Uhr (!). Gegessen hab ich seitdem nichts oder ein Müller-Milchreis und paar Kekse, toll. Ansonsten Kaffee, Zigaretten und nun Bier.

Lass die Zigaretten weg. Es kann sein, dass die bei Dir als Appetitzügler wirken. Und es wäre doch schade, wenn all die leckeren Sachen in Deinem Kühlschrank vergammeln nur wegen so oller Sargnägel.

Hab letzte Nacht, komplette Nacht, also von Mitternacht bis 6 Uhr morgens aufgeräumt. Hat unheimlich viel Spaß gemacht, hab sehr viel geschafft, auch wenn mans nicht sieht [image] Nicht nur das "weniger Chaos/Haufen" ist nicht ersichtlich, auch der nun im Flur stehende Papiermüllhaufen ist nicht gerade riesig. Aber naja nun das ist der Nachteil von so Papier-DIN A 4 Briefen (Kontoauszüge, Handy-Rechnungen etc) - sie nehmen nicht wirklich viel Platz weg, aber Zeit, es wegzuheften.

Da hast Du doch echt eine Menge geschafft. [image] Und das unter erschwerten Bedinungen, wo Du doch mit psychischen Problemen kämpfst. [image] An diesen Erfolg kannst Du anknüpfen. Und wundere Dich nicht, dass Papiermess so lange dauert, bis er aufgeräumt ist. Denn in einem Stapel Papiere befinden sich verschiedene Sorten Papiere. Und oft mußt Du echt jedes einzelne Blatt Papier in die Hand nehmen und gucken: in welchen Ornder gehört es, ist es Kontoauszug, oder Steuer, oder Behördenbriefe ( Formulare), oder Studium/ Fortbildung (und wenn ja, welches Fach und welcher Kurs), oder ist es nur Reklame... Bei mir ist Papiermess das größte Problem. Und je nach dem, was für Papier es ist, kann es echt sein, dass ich eine Stunde am sortieren und abheften bin und dann ist der Stapel nur zwei Zentimeter kleiner geworden.

Das Papiertaschentuch in der Wäsche
Was witziges, aber eigentlich auch traurig [image]
Nahm die Wäsche aus den Waschmaschinen raus und hatte auf einmal ein Papiertaschentuch in der Hand.
Komplett erhalten - *huch* *?* - wie geht das denn? *freude*
Was mach ich? wegwerfen? *um Himmels willen*
Das ist Beweisstück! Ich könnts ja Montag mitnehmen zum Besten Freund,
"schau mal, das Taschentuch hab ich aus Waschmaschine gezogen am Samstag, komplett erhalten. Toll, nich? Komplett erhalten! Sonst bröseln die doch total und die ganze Wäsche is versaut mit kleinen weißen Bröseln. Da hab ich Glück gehabt."

Es ist doch schön, dass Du Dich noch an den kleinen Dingen des Alltags erfreuen kannst. [image] Das ist der Schlüssel zum Glücklichsein. [image]

Beim Doc mach ich nur Tablettentherapie und für eine Verhaltenstherapie (VT) sollte ich mir einen anderen Psychologen suchen.

Ist das Dein Hausarzt oder ein Psychologe? Bei einem Hausarzt ist es ok wenn der Dich zu einem Spezialisten schickt, aber wenn das schon ein Psychologe ist, der Dich zu einem anderen Psychologen schickt, dann kannst Du den vergessen. Denn die Tabletten kannst Du auch von dem Psychologen bekommen, wo Du auch die Therapie hast. Das ist wahrscheinlich auch besser, dann kann der die Tabletten besser auf die Therapie abstimmen.

15 Telefonanrufe: einmal auf Warteliste gesetzt worden (Ende Juni vllt. Rückruf), 2 Mal Absagen, ansonsten Band, nicht raufgesprochen. Von zuhause alleine aus hab ich nicht ein einziges Mal telefoniert. Von meiner Mutter aus und Freundin.

Da hast Du eine Menge geschafft. Gerade mit psychischen Problemen kostet es oft viel Überwindung, um diese Anrufe zu erledigen. Du hast einfach zum Telefonhörer gegriffen und es geschafft. Da kannst Du stolz auf Dich sein. Du nimmst Dein Leben und Deine Zukunft aktiv in die Hand. [image][image][image]

Mit dem Wissen dass ich Messie bin und spätestens mit den Tränen-Vorfällen der letzten Tage denke ich aber eher, eine VT reicht nicht, eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie (TP) wäre schon besser und notwendig. Aus dieser Unsicherheit her (VT oder TP) hab ich in letzten Tagen keine weiteren Anrufe getätigt. Ich hab mich auch noch nicht bei http://www.werte-hannover.de/ gemeldet. Mein Arzt gab mir ein Flyer von denen, ich könne mich bei ihnen melden bzgl. Unterstützung beim Aufräumen.

Vielleicht gibt es ja einen Psychologen, der eine Kombination von beiden Therapiearten macht. Scheint mir sinnvoll, denn Deine Seele ist auch ein Ganzes und daher hat bei einer Therapie Schubladendenken nichts zu suchen.

Meine Schutzhülle, die Zwänge und vor allem das Messie-Dasein bricht langsam ein und es zeigen sich die offenen nicht verarbeiteten Wunden der Seele.
Aber ich denke schon, dass der Weg meiner Gesundung nur über das Verarbeiten dieser Wunden geht.

Du hast die ersten Schritte genommen und bist schon auf dem besten Weg.

Mit wieviel Monaten/Jahren hab ich zu rechnen?

Egal wie lange es dauert, es wird ja zunehmend besser so dass es Dir immer leichter fallen wird, mit den noch verbliebenen aber sichtbar schrumpfenden pychischen Problemen zu leben.

Ich wünsche Dir viel Erfolg bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten und alles Gute und viel Erfolg für die Therapie.

Was ist mit Euch? Seid Ihr auch in Behandlung? Nehmt Ihr Tabletten? Habt Ihr auch das Buch - oder andere Bücher?

Ich bin weder in Behandlung noch nehme ich Tabletten. Für mich ist dieses Forum eine virtuelle Selbsthilfegruppe. Hier bekomme ich wichtige Denkanstöße und es tut gut zu lesen, dass es andern ähnlich geht.
Bei mir ist das schlimmste Problem der Papiermess. Gute Erfahrung habe ich gemacht mit dem Buch von Karen Kingston: Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags. Einige Kapitel sind recht esotherisch angehaucht, da habe ich drüber weggelesen. Aber wichtig ist, dass die Augen geöffnet werden: Mess, egal wo man ihn in der Wohnung aufbewahrt, lähmt Energie.
Wobei ich immer noch selbst entscheide was Mess ist. Ich habe über 500 Bücher, die würde ich niemals wegwerfen, denn da hänge ich dran. Wenn ich aber löchrige Socken aufbewahre, die ich schon seit drei Jahren nicht gestopft habe, dann kann ich die besser wegwerfen.
Wichtig beim Aufräumen oder Wegwerfen ist es, sich nicht nur auf die Ratgeber zu verlassen sondern auch auf das eigene Gefühl: macht mir der Gegenstand Freude? Brauche ich es? Wie kann ich den Gegenstand besser aufbewahren, d.h. was ist der geeignete Ort? Oder was passiert und wie fühle ich mich, wenn ich einen Gegenstand wegwerfe?

Ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deinen weiteren Aufräumaktionen. [image]

Grüße [image],
Sabine


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