Re: Weiss niemand Rat? (Angehörige)

Helga-Maria, Samstag, 21.07.2007, 13:02 (vor 6135 Tagen) @ Manuel

Hallo,

Das problem liegt weniger an der Ordnung/Unordnung an sich, als an dem völligem scheitern beim Versuch, irgendetwas durchzuführen was Struktur besitzt.

Strukturen im Alltag sind unerlässlich. Deine gibt die Arbeitszeit vor, das ist schon mal ein großer Vorteil, denn den meisten Menschen fällt es leichter, von außen gegebenen Strukturen durchzuziehen als selbst vorgegebene. Was meinst du, warum so viele Arbeitslose irgendwann in Depressionen sinken? Der äußere Druck ist weg, anfangs hat man noch viele Vorsätze...aber mit der Zeit brechen die letzten Strukturen in sich zusammen, wenn man nicht über ein Höchstmaß an Selbstdisziplin verfügt.

Zudem schafft es ein Baby/Kleinkind fast immer, sogar einen komplett durchorganisierten Menschen aus der Rolle zu bringen. Hättest du dein Kind gerne im Büro? Stell dir vor, du fängst gerade mit einem Arbeitsabschnitt an, den du gedenkst, auch abzuschließen. Selbst wenn diese Arbeit normalerweise nur eine halbe Stunde dauern würde, kann es dein Kind schaffen, diese auf 2 bis 3 Stunden zu verlängern, weil du ständig ein wachsames Auge haben musst, trösten, füttern, schmusen, Windeln wechseln etc. Ein Kind lässt sich nicht so leicht in eine feste Struktur pressen, zumindest nicht, ohne sein kindliches Wesen zu verletzen.

Was ich damit sagen will ist, dass schon die Zeit allein es besser machen kann, wenn erst einmal feste Strukturen von außen wie Kindergarten und Nebenjob hinzukommen und das Kind etwas älter ist.

Ihr derzeigiger Tagesablauf besteht momentan (zumindest die Zeiten, die ich beurteilen kann, während ich daheim bin) aus immer dem selben Beobachtungen/Rhytmus, den ich zu 80-90% eweig als wiederholend ansehe. Komme von der Arbeit nach Hause: PC an, und sie Spielt ein online spiel. Pc wird FRÜHESTENS täglich um 1:00 des nächsten morgens aus gemacht. Kann sich derweil auch bis 3 oder 4 uhr ziehen. ob wochentag oder wochenende ist dabei egal. logischerweise steht sie dann erst täglich ab ca 09:00 auf

Nun, das ist natürlich nicht optimal. Ob sich deine Lebensgefährtin so gut um das Kind kümern kann, wenn sie nur am PC hängt, sei dahingestellt. Es ist möglich, dass sie schon Depressionen hat, die sie zu kompensieren versucht.

Ist sie glücklich? Fühlt sie sich wohl in ihrer Mutterrolle? Empfindet sie das Kind als Hindernis, um z.B. einer Arbeit nachgehen zu können? Wie steht's mit eurer Beziehung? Hat sie Grund, sich wertvoll zu fühlen? Oder fühlt sie sich schlecht, weil du im Moment die Familie ernährst? Besteht vielleicht schon eine Abhängigkeit vom PC, weil irgendetwas anderes nicht stimmt? Habt ihr genug Zeit als Paar? usw.

Denke des öfteren über eine Trennung nach.

Wenn du sie liebst und sie ansonsten ein prima Mensch ist, werft nicht gleich das Handtuch. Redet viel miteinander, lasst die Vorwürfe weg. Vorwürfe bringen selten Verbesserung, diese muss von innen aus Einsicht und Selbsterkenntnis kommen. Wenn es euch gelingt, die Wurzel des Übels herauszufinden, erledigen sich viele Probleme von selbst.

Du kommst dir wahrscheinlich blöd vor, weil du machst und tust, arbeitest, dich deiner Verantwortung stellst. Im Vergleich zu dir muss sie sehr klein wirken. Das weiß sie aber selbst. Glaub mir, sie will ihren Beitrag leisten, schafft es aber aus irgendeinem Grund momentan nicht. Das nagt so sehr am Selbstwertgefühl. Der leiseste Vorwurf macht es dann nur noch schlimmer. Wesentlich weiter kommst du, indem du ihre noch so kleinen Leistungen anerkennst.

Nur dann denke ich mir wieder, och eine Chance geht noch. Und was mir erst recht nicht aus dem Kopf geht, ist: "Was würde aus unserer Tochter?" Wenn sie sie "erzieht" (wobei ich gar nicht weiss, wie das gleichzeitig mit pc gehen soll "aber wenn besuch da ist, bleibt sie ja auch davor sitzen, und meint wenn sie sich mit den Leuten dabei unterhält dann reicht das") hab ich die allergrössten bedenken, wie sich die kleine überhaupt entwickeln kann

Sicher ist die aktuelle Situation nicht die günstigste, aber wo ist sie das schon? Kinder entwickeln sich unter den widrigsten Umständen. Das Kind hat ja auch noch einen Vater, bei dem es sehen kann, dass er nicht auf dem Sofa hockt, sondern sich kümmert.

Wenn ihr es schafft, eure Situation peu à peu zu verbessern, kann sich euer Kind mit euch entwickeln. Ist es schlimm für ein Kind zu lernen, dass es ohne Strukturen nicht geht? Oder dass die Eltern nicht perfekt sind, aber bereit, zu lernen? Ein Kind, dass nur perfekte Strukturen mitbekommt, erkennt vielleicht nicht so leicht den Sinn dahinter. Ordnung kann man nur als schön empfinden, wenn sie nicht von außen aufgedrückt wird, sondern wenn man erkennt, dass Unordnung sich nicht gut anfühlt.

Natürlich darf die Situation nicht eskalieren. Das Kind darf nicht vernachlässigt werden. In dem Fall braucht ihr schnell professionelle Hilfe.

Ich drücke euch die Daumen, dass ihr das schafft.

Herzliche Grüße,

Helga-Maria


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