Re: Ist meine Mutter ein Messie? (Angehörige)

Jasmin-HH, Donnerstag, 28.10.2004, 14:10 (vor 7126 Tagen) @ Franziska

Liebe Franziska,

ob Deine Mutter jetzt ein Messie ist oder nicht, ist glaube ich nicht unbedingt
von Bedeutung. Ich kenne einige Menschen, die sich als Messie bezeichnen und
trotzdem ist deren Wohnung tadellos, aber nicht für sie. Dann kenne ich einige,
die sich nicht als Messie bezeichnen und Außenstehende würden sagen, sie sind
es. Es ist auch nicht wichtig, ob Deine Mutter ein Messie ist oder nicht,
sondern ob sie sich - so wie sie lebt - wohlfühlt oder nicht.

Warum sie jedoch so viele Sachen besitzt und sich nicht trennen kann bzw. die
Gegenstände als Wertanlagen betrachtet, dass liegt an ihren bisherigen
Erfahrungen. Alles was wir machen oder denken wird aus den bisher gemachten
Erfahrungen in unserem Gehirn verankert. Dadurch werden die Gegenstände im
eigenen Bewußtsein zu „Wertanlagen“ für den einen und für den anderen, der ja
ganz andere Erfahrungen in seinen Leben gemacht hat, ist derselbe Gegenstand nur
„Gerümpel“.

In irgendeinem Kontext im Leben eines Menschen, haben sich bestimmte
Verhaltenweisen – wie z.b. alles aufzubewahren – als gut erwiesen. Manchmal
passiert es, dass sich dann der Lebensstil ändert und die bisherige
Verhaltensweise, die ja bis dahin gut und nützlich war, sich den Umständen
entsprechend nicht mitverändert. Inzwischen ist daraus Gewohnheit oder Routine
geworden und schneller als man denkt, führt das zu unliebsamen Verhalten das
einen dann selbst stört. Um das dann zu ändern, müssen neue Wege beschritten
werden.

Bei deiner Mutter haben sich auch bestimmte Verhaltensweisen, die sich
irgendwann für sie als gut erwiesen für sie haben, stärker ausgeprägt als
andere. D.h. aus irgendeinem Grund, ist das Verhalten so ausgeprägt, dass die
Ordung einen anderen Stellenwert in ihrem Leben hat. Die Auslöser dafür oder die
Blockaden sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Solange sie sich dabei
wohlfühlt ist es auch ok und es besteht kein Handlungsbedarf. Eine Veränderung
kann erst in dem Moment erfolgen, wo sie für sich feststellt, dass ihr
Wohlbefinden stark eingeschränkt ist oder sie unter ihrer jetzigen Lebensweise
leidet.

Eine Veränderung kann aber auch nicht von heute auf morgen erfolgen. Hier ist es
wie mit dem Lernen einer neuen Sprache: Satz für Satz und Schritt für Schritt
lernt unser Gehirn jede neue Verhaltensweise. Und das dauert eben seine Zeit.
Kein Mensch kann nach wenigen Tagen eine neue Sprache perfekt. Wichtig ist es,
dass der Wille nach einer Veränderung von ihr selbst kommt und wenn die Zeit
dafür gekommen ist, wird sie sicherlich anfangen, ihr Leben in einer für sie
angenehmen Art und Weise verändern zu wollen.

Auch wenn es für dich hart ist, als Außenstehende kannst du es mit Apellen und
Versuchen sie zur Ordnung zu bewegen nur noch schlimmer machen. Zeig ihr
einfach, dass du sie (trotz der für dich nicht nachvollziehbaren
Unordnung/Aufbewahrung der Dinge) als wertvollen und liebenswerten Menschen
siehst und das ist sie auch. Wir Menschen haben viele Seiten und Facetten und
sind zum Glück nicht nur auf die negativen Verhaltensweisen reduziert. Wir
können mit unseren Fähigkeiten und Ressourcen dafür sorgen, dass wir
individuelle Lösungswege ermitteln, die dazu führen das zukünftige Verhalten
mehr und mehr in die gewünschte positive Richtung zu lenken.

Nur wie schon gesagt, der Wunsch nach der Veränderung kann nur von ihr selbst
kommen und nicht von anderen.

Womit du sie auf jeden Fall unterstützen kannst: Sei für sie da, wenn sie dich
braucht - ohne Vorwürfe und Kommentare - und unterstütze sie auf dem Weg zu
ihrem neuen Ziel, wenn die Zeit dafür gekommen ist.


Liebe Grüße


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