Hilflos mit einer Messie (Angehörige)

Tom, Mittwoch, 30.11.2011, 12:01 (vor 4543 Tagen)

Vor ca. 25 Jahren zog meine Freundin zu mir in meine damalige Wohnung. Zuerst ging scheinbar alles gut. In dieser Zeit starben meine Eltern und ich schaute auch noch zu meinem jüngeren Bruder. Als dieser auszog, fing ich an zu realisieren, was in unserer Wohnung lief. Meine Freundin schleppte zusehends Einkauftaschen, Kartons usw. an und stapelte diese überall in der Wohnung. All meine Interventionen nützten nichts. Keine ihrer „Schätze“ durfte ich benützen und wenn ich etwas entsorgen wollte setzte sie mich unter psychischen Druck.
Nach gut 10 Jahren kauften wir ein Haus und ich gab mich dem Trugschluss hin, alles würde besser und ich könnte mehr Einfluss nehmen.
Na ja, falsch gedacht.
Ca. 6 Monate nach unserem Umzug erhielt ich plötzlich einen Räumungsbefehl für ein Estrichabteil von etwa 50m2. Ich fiel aus allen Wolken und veranlasste sofort, dass dieses geräumt wurde. Natürlich war dies mit großem Krach zu Hause verbunden und mit dem Kompromiss, dass etwa die Hälfte vom Kram in unser Haus gezügelt wurde.
2000 heirateten wir. Danach hatte meine Frau einen Autounfall und brach sich den Oberschenkel. Nach dem Abschleppen musste ich ihr Auto ausräumen, das einen Totalschaden erlitt. Wie habe ich mich da beim Garagisten geschämt. 2 Fuhren mit meinem Auto brauchte dies. Da meine Frau im Spital war, konnte ich das meiste entsorgen und mich auf ihren ZS, bei ihrer Rückkehr freuen.
Im Haus wurde es zusehend ungemütlich zu leben. Inzwischen stapelten in allen Zimmern Kisten und Säcke und man konnte nirgends mehr absitzen. Alle Tische und Stühle waren belegt.
2003 kam unsere Tochter zur Welt und wir schafften es tatsächlich, ein Zimmer freizuschaufeln und ich versuchte noch, bevor die Tochter nach Hause kam, teilweise zu entrümpeln. Der anschließende Krach hielt sich in Grenzen.
Jetzt war aber ein Mensch mehr im Haushalt und es gab viel mehr Kleider, Teddys und andere Spielsachen, Babynahrung, Windeln usw., was wiederum in Stapeln, die bis zur Decke reichten, zwischengelagert wurde (nur ein Teil davon wurde tatsächlich mal gebraucht).
Längst war es mir peinlich, Freunde nach Hause einzuladen und wenn Kolleginnen meiner Frau da waren, versuchte ich mich zu verdrücken, da ich mich geschämt habe. Dies wiederum gefiel meiner Frau nicht.
Im Haus konnten wir inzwischen nur noch auf schmalen Wegen, im Gänsemarsch zirkulieren.
Jedes aneinander Vorbeigehen wurde zum Balance- Akt. Mehrere Zimmer sind nicht mehr begehbar.
Die Abwaschmaschine und andere Geräte stiegen aus. Handwerker konnten aber begreiflicherweise nicht bestellt werden und was ich nicht selber beheben konnte, bleibt liegen.
Jede Intervention von mir war ein Eingriff in ihre Gefühlswelt. Falls ich mal etwas entsorgte, was ich jede Woche mehrmals mache, gibt es von ihrer Seite Sanktionen. Der psychische Druck, den sie dabei einsetzt, ist kaum auszuhalten, nervenaufreibend und mühsam. Zudem werden mir, in solchen Situationen, über mehrere Stunden Vorwürfe gemacht, was ich in meinem Leben so alles falsch gemacht hätte. Es wird nichts ausgelassen und wenn’s ganz schlimm wird, wird sogar meine inzwischen verstorbene Familie einbezogen. Meine Frau ist sehr wortgewandt und mir diesbezüglich haushoch überlegen. Sie ist nicht bereit über ihr Problem zu reden.
Also habe ich nochmals alles verdrängt und wir bauten ein Gartenhaus, das mit 45m2, doch recht groß ist und über Heizung, Wasser und Strom verfügt.
Da wollte ich mich stark machen, die Ellbogen rausfahren, um wenigstens hier normal zu leben.
Doch auch hier gab ich mich einem Trugschluss hin und es dauerte nicht lange und es war auch hier fast alles belegt.
Zum Glück haben wir eine unkomplizierte Tochter, die ein ausgezeichnetes soziales Verhalten und für ihr Alter ein sehr gutes Einfühlungsvermögen hat. Dies spricht sehr für meine Frau, da sie dies gut vermitteln kann und auch sonst eine gute Mutter ist.
Ich war inzwischen so weit, dass ich nicht mehr gerne nach hause kam. Es konnte ja jemand an der Haustür klingeln. Diese kann man übrigens auch nur Hälfte öffnen, da hinter der Türe auch schon alles blockiert ist.
Auf der Arbeit hatte ich zwischenzeitlich auch Probleme, da ich massiv überlastet war und mir eine Stellvertretung oder Entlastung fehlte.
Eine Vorladung zum Friedensrichter (eine Nachbarin hatte reklamiert) brachte auch nicht viel. Meine Frau spielt die Beleidigte und ändert aber nichts.
Zunehmend versuchte ich mich abzulenken (auch im Alkohol), was dazu führte, das ich einen Nervenzusammenbruch erlitt.
Dem Psychiater sagte ich nur die halbe Wahrheit. Trotzdem verschrieb er mir Ruhe und Medikamente. Ich suchte eine Woche Ruhe und war anschließend eine Zeitlang durch die Medikamente gedämmt und habe viel geschlafen.
Ich meldete mich für einen Kampfsport an, was ich immer noch ausübe und was mir sehr gut tut.
Inzwischen kann ich manchmal sogar meiner Frau über ihre Probleme reden.
Dies klappt immer noch nicht gut, da sie versucht abzulenken, aber nachdem ich wiederholt Informationen und Adressen aus dem Internet ausgedruckt habe, zeigte sie sich, zu meinem Erstaunen bereit, eine Therapie anzufangen. Der erste Termin ist in Kürze.
Ich habe ganz einfach Angst.
Bisher waren all meine Kämpfe erfolglos. Ich habe mich gewehrt und immer wieder geglaubt, dass alles besser wird, dass wir alles wieder hinkriegen.
Manchmal träume ich, morgens aufzuwachen, die Wohnung ist sauber, man kann sich in Küche und Wohnzimmer an den Tisch setzen und so gemütlich auf den neuen Tag vorbereiten. Am Abend komme ich heim, werde freudig erwartet, kann mich an den Tisch oder aufs Sofa setzen und friedlich die Zeitung lesen. Unsere Tochter macht daneben ihre Hausaufgaben und singt dazu. Meine Frau bereitet in der Küche das Nachtessen zu und trällert eine Melodie vor sich hin. Die Abstellflächen sind sauber. Es herrscht Zufriedenheit und man spürt das Glück im Raum. Dann wache ich auf ….


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