Die Diätenfalle ((M)Essies)

Schlumpfine, Donnerstag, 11.03.2004, 15:16 (vor 7361 Tagen) @ Schlumpfine

Ein Kernbeitrag dieser Sendung war <a href=http://www.filmwerk.de/Filmprogramm/detail.php4?id=745>der Film [image] von Karin Haug[/link].

<a href=http://www.filmwerk.de/index2.htm>Das katholische Filmwerk[/link] bietet sowohl den Film von Karin Haug als auch <a href=http://www.filmwerk.de/Materialien/Arbeitshilfen/diaetenfalle_ah.pdf>Begleitmaterial als PDF-Datei[/link] dazu an.

Hier die Kurzdarstellung des Films auf der kfw-Seite:

"Deutschland 2001, , 44 Minuten
Ein Film von Karin Haug
Produktion: Sabine Börner, SWR
Redaktion: Felicitas Wehnert
empfohlen ab 12 Jahren, FSK o.A.

Magersucht, Übergewicht, Schönheitsideal, Diäten, BMI: Schlagwörter zur Ernährung. Die Dokumentation setzt sich kritisch mit Ernährungsmythen, vor allem dem Diätenwahn, auseinander. In sechs Kapiteln - Fett macht nicht fett; Diäten machen dick, Diäten machen süchtig; Diäten machen krank; Diäten: ein Milliardenmarkt und Wege aus der Diätenfalle - wird aufgezeigt, dass für ein gesundes Wohlbefinden nicht Diäten, sondern Bewegung, frische Luft und mediterrane Ernährung (Gemüse, Fisch etc.) ausschlaggebend sind.
Der Beitrag lässt Betroffene und Experten, z.B. den Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm, den Lebensmittelchemicher Udo Pollmer sowie die Buchautorin Maja Langsdorff, zu Wort kommen."

Im Begleitmaterial des kfw werden die Kernthesen für Auswege aus der Diätfalle (wie ich finde, zutreffend) so zusammen gefasst:

"1. Das Schönheitsideal ändern und Kindern ein gesundes Selbstwertgefühl mit auf den Weg geben. Auf Letzteres geht Frau Langdorff intensiver ein.

2. Änderung des gesamten Lebensstils. Übergewichtkommt bei Kindern mit hohem Fernsehkonsum häu-figer vor. Das Entscheidende für Worm ist es in diesem
Zusammenhang, Gewicht zu halten und körperlichaktiver zu werden. Keine Sportprogramme sind dazu nötig, sondern körperliche Betätigungen, bei
denen man leicht ins Schwitzen kommt, z. B. Fahrrad
fahren.

3. Mehr Aufenthalt im Freien. Der Einfluss von Lichtauf die Bildung von Hormonen und die Regulierung des Appetits wird erläutert und von Pollmer nochmals
betont. Er fordert mehr Beachtung dieser physikalischen
Einflüsse.

4. Eine Esskultur, die diesen Namen verdient. Kindermüssen wieder lernen, wie die Grundnahrungsmittel schmecken. Worm fordert für die Esskultur das Kultivieren
von Mahlzeiten, ohne Ablenkmanöver und mit viel Zeit, damit wieder der Bezug zu den eigenen Körpersignalen hergestellt werden kann, nämlich zu essen, wenn wir Hunger haben, und aufzuhören, wenn wir satt sind.

„Bewegung, Licht, Esskultur, mehr Selbst-bewusstsein und ein anderes Schönheitsideal, anstatt Diäten“, so lautet die Quintessenz des
Films. „Wir wären dann zwar nicht unbedingtschlanker, doch sicherlich glücklicher. Aber daran wäre ja kaum etwas zu verdienen …“, so
der Schlusssatz des Filmes."

Persönlich hat mich am meisten schockiert, dass 25 Langzeitstudien zu dem übereinstimmenden Ergebnis kamen, dass mit dem Gewichtsverlust bei ehemals Dicken, erfolgreich schlank Gewordenen die Lebenserwartung sinkt. Wer erfolgreich abnahm, starb früher als diejenogen, die dick geblieben waren. Wenn man statistisch feststellt, dass schlanke Männer ein wenig länger leben als dicke Männer, so heißt dies noch lange nicht, dass abgemagerte dicke Männer und Frauen denselben Stoffwechsel haben wie natürlich Schlanke, die nie übergewichtig waren.

Besonders für Frauen sei Übergewicht als Risikofaktor kaum messbar - im Gegensatz zu dem deutlichen Anstieg von Gallenbeschwerden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach einer "erfolgreichen" Hungerkur, wurde sowohl im Film von Karin Haug als auch in der Planet-Wissen-Sendung betont. Nur für Typ-II-Diabetiker (sog. Altersdiabetes) ist eine Gewichtsabnahme von 5-10% des Höchstgewichts in Verbindung mit einer kontrollierten Aufnahme leichtverdaulicher Kohlenhydrate (Zucker, Weißmehl) und regelmäßiger Bewegung ein Beitrag zur Lebensverlängerung, betonte Studiogast Dr. Bertil Kluthe, Chefarzt der <a href=http://www.klinik-bad-rippoldsau.de/spezialprojekte/modellklinik/>Modellklinik für Ernährungsmedizin in Bad Rippoldsau[/link].

Für mich als diätgeschädigte Esssüchtigte waren die letzten Stunden vorm TV und im WWW sehr informativ und hilfreich. Besonders die Erkenntnis, dass der Wissenschaft seit 1945 durch die eindeutigen Ergebnisse des <a href=http://www-x.nzz.ch/folio/curr/articles/experiment.html>Minnesota-Experiments[/link] wusste, dass Hungerkuren dauerhaft krank - nicht schlank - machen, fand ich ziemlich gruselig.

In diesem Experiment wurden 1945 von Ancel Keys in Kooperation mit dem Pentagon in Minnesota an freiwilligen, körperlich und seelisch gesunden, erwachsenen Männern nicht nur körperliche Vorgänge wie Gewichtsverlust, Haarausfall, Empfindlichkeit auf Kälte, Veränderung der Körperchemie und der inneren Organe untersucht, sondern auch die Wirkung der Mangelernährung auf Intelligenz, Auffassungsgabe und Persönlichkeit.

Zu den interessantesten Resultaten von Keys Experiment zählen die psychologischen Veränderungen durch den Hunger. Viele Probanden wurden apathisch und depressiv. Der Hunger überdeckte alles andere. Sie vernachlässigten Körperpflege und Tischmanieren, zogen sich sozial zurück und interessierten sich nur noch für Dinge, die mit dem Essen zu tun hatten. Nicht alle standen das Experiment durch. Einer verlor im Lebensmittelladen die Kontrolle und ass einige Kekse, eine Tüte Popcorn und zwei überreife Bananen, die er kurz danach wieder erbrach. Ein anderer stahl Kohlrüben und Süssigkeiten. Ein Teilnehmer der Studie entfernte einmal die Mine aus einem Bleistift und kaute das Holz. «Es schmeckte nicht schlecht», schrieb er in sein Tagebuch und dann: «Ich versuche den Gedanken an Kannibalismus aus meinem Kopf zu verbannen, aber es gelingt mir einfach nicht.»

Die Versuchung, im Geheimen zu essen, wurde so gross, dass Keys nach zwei Monaten das «Buddy System» einführte: Keine Versuchsperson durfte das Labor verlassen, wenn sie nicht mindestens von einer zweiten begleitet wurde. Das Experiment führte zu keinen bleibenden Schäden, doch es dauerte Monate, bis sich die Körperfunktionen wieder normalisiert hatten. Viele Männer gaben nach dem Experiment an, dass sie oft hungrig seien, obwohl sie nicht imstande wären, noch mehr zu essen. Viele assen auch bis zum Erbrechen, um danach gleich wieder zu essen.

Wegen der Ähnlichkeit dieses Verhaltens mit den Symptomen von Ess- und Brechsucht spielt Ancel Keys Arbeit heute bei der Erforschung von Essstörungen eine grosse Rolle. Die zwanghafte Beschäftigung der hungrigen Versuchspersonen mit Nahrung, die Apathie, der soziale Rückzug gleicht dem Benehmen Magersüchtiger. Diese Verhaltensweisen werden heute oft als Ursachen der Essstörung gesehen, doch sie könnten - wie bei den hungrigen Kriegsdienstverweigerern - auch nur die Folgen des Hungers sein.

Wie gesagt, die Probanden des Minnesota- Experiments vor fast 60 Jahren waren gesunde Erwachsene. Als ich selbst im Jahr 1974 - angeregt durch den Gruppendruck ("Zickenterror") gleichaltriger Mädchen und das gängige Schlankheitsideal (das sich seit den 70er Jahren deutlich verschärft hat) - meine erste Hungerkur machte, war ich elf Jahre jung, mitten im Wachstum und kurz vor der Pubertät. Meine Chancen, dieses Diät- und Mobbingsystem gesund an Leib und Seele zu überleben waren seinerzeit minimal [image].

Heute weiß ich, dass mäßige[image] und regelmäßige [image] Bewegung [image], regelmäßige Mahlzeiten, genug Wasser und Sonnenschein wichtiger für meine Gesundheit sind, als eine radikale Gewichtsabnahme. Der Film und die Surftour heute haben mich sehr darin bestärkt. jetzt muss ich diese theoretischen Erkenntnisse [image] "nur noch" [image] in die Praxis umsetzen.

Die besten Wünsche von

[image] Schlumpfine [image]


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