Wie fühlte ICH mich, als ich schlank bzw. dick war? (war:Dicker fühlen ((M)Essies)

airam, Donnerstag, 24.06.2004, 16:56 (vor 7252 Tagen) @ Tinka

Liebe Tinka,

habe gerade deinen Beitrag gelesen und möchte gerne spontan antworten,
auch wenn ich nicht weiß, ob es mir gelingen wird, eine für dich richtige Antwort daraus zu modeln.

Einen Teil deiner Gedanken konnte ich aufgreifen,
da ich schon ähnliche Erlebnisse hatte -
in jener Zeit als ich stark übergewichtig war.

Obwohl ich J E T Z T weitaus mehr wiege,
aber weniger psychische Probleme mit dem 'noch vorhandenen Gewicht' habe.
(eher körperliche...*zwinker*)
Zumindest sehe ich meine 'Körperlichkeit' mittlerweile mit Sanftmut und Verständnis...[image]

Nachdem ich hier den letzten Beitrag getippt hatte, habe ich auch noch lange darüber nachgedacht, warum ich das überhaupt geschrieben habe, und warum hierZu dem Verständnis deiner Frage habe ich mir die gleiche Frage gestellt,
rückblickend, und verschiedene 'Gefühlsstationen' betrachtet.
Offenbar ist da ein Zusammenhang.
Wie verändert sich die eigene Einstellung zum Körper. bzw. seinem 'Gewicht'
Bei dem Zeitraffer meines Gewichtsprotokolls ab 1993, also über die letzten 10 Jahre, fiel mir im Anschluss, also NACH dem Schreiben, etwas auf: Nämlich meine EIGENE Einstellung zu m i r ,der IMMER GLEICHEN PERSON, nur mit wechselnder Hülle.

Und dabei habe ich festgestellt,
dass ich wirklich verschiedene 'Wesen' meiner Persönlichkeit 'gelebt' (und geachtet?) hatte/habe.

Im Extremfall die super-erschlankte Weight-Watchers-Gruppenleiterin, die mit anderen G-Leiterinnen 2 mal im Jahr zu Weekend-Ausflügen verreiste. Dabei wurde gelacht, geflirtet, getanzt... [image]

Als ich das erste Mal dabei war, also nachdem ich meine Abnahme von insgesamt 35 kg sowie meine GL-Ausbildung hinter mir hatte (habe nach dem Abstillen meiner jüngsten Tochter angefangen, abzunehmen, 1985- 1986) war ich total 'begeistert' von der 'Reaktion', die ich wegen meines 'Aussehens' bekam: Von männlicher Seite beim Tanzen und von weiblicher Seite d.h. meinen Frauen in der Gruppe *smile*.

Heute kann ich darüber nur müde lächeln.

Und dennoch: I c h war es.

Doch eine andere Ich, als die heutige Person, die sehr viel (und schmerzvoll) gelernt hat über die Schattenseiten der sog.'Schönheit-Begehrlichkeit-Attraktivität'.

Jene Wunschträume einer 'schick' und 'sexy' wirkenden jungen Frau konnte ich damals zum ersten Mal in meinem Leben genießen. Denn ich hatte ein 'Alibi' = eine 'Erlaubnis', schlank zu sein!

Durch die Weight-Watchers-ARBEIT brauchte ich einen 'Vorzeige-Körper.
Den hatte ich dank Essdisziplin.
Den Spaß am Diskutieren und Rezepte-Ausprobieren mit den Gruppenmitgliedern-- den hatte ich auch.
Weiter berührte mich nichts.

Zuhause hatte ich meine Familie und geregeltes Leben und emotionale Sicherheit.

Als 'Hobby'-Beruf (Geist fürs Vorbereiten und Körper zum Vorzeigen)
hatte ich meine 'Gruppen' -- für die es gut war,
dass ich einen SCHLANKEN Körper hatte; schließlich 'warb' ich ja für die 'Firma'. (Und das wurde auf den Ausbildungsseminars ordentlich in unsere Gerhirngänge getrommelt!!)

Um zu dem Ausgang der Frage zurück zu kommen:

Wie fühlte ich mich mit weniger Gewicht?

Gut- Super - Solange ich dadurch eine 'Aufwertung' erhielt, eine 'Anerkennung', die ich in meinem früheren Leben oft sehr vermisst hatte.

Denn als ewig molliges Kind und hungrig-diätenter heißhungriger Teenager mit Nonnenschule-Denken war meine Unsicherheit riesengroß. Von Selbstbewusstsein konnte keine Rede sein. Körperbewusstsein? Ich kannte noch nicht mal das Wort..*g*

Die ersten Freiheiten (auch körperlich) erlaubte ich mir, als ich MIRAPRONT-appetitgezügelt mal wieder auf Größe 38 und von 'zuhause' mit 19 ausgerissen war, zum Glück 'schon' unabhängig durch einen Gelderwerb als Bankangestellte, wo ich mit 17 nach Mittlerer Reife anfangen 'musste'
Während der Zeit von Abendschule, Studium, Beruf, Partnerwahl war ich verstärkt eein 'geist-orientiertes Wesen', das auch aus DIESEM Bereich sein Selbstbewusstsein bezog.

Man wird es wohl kaum für möglich halten..
aber ich fühlt mich damals (Gr.38) MEISTENS viel zu dick [image].
Es mussten 40 Jahre vergehen[image],
bis ich verstehen konnte: Ich bin nicht mein Gewicht!

Die glücklichsten Zeiten mit meinem 'normalen' (was ist normal?) Körper waren jene Momente, als ich diesen Körper NICHT als Maßstab meines Selbstbewusstseins machte und NORMAL aß, d.h. nicht hungerte:

Sowohl während der Schwangerschaft und in den ersten Jahre nach der Geburt meiner ersten Tochter. Ich hatte zwar (noch) nicht mein heutiges Gewicht, aber ich war damals zum ersten Mal so wirklich 'dick', also 96 kg bei 166cm. Doch ich fühlte mich eigentlich rundum wohl und geliebt...

Und das Mutter-Sein, das brachte mir solches Glück, dass ich 'meinen Körper' geschützt fühlte, solange ich einen Kinderwagen vor mir herschieben konnte. Ich hatte wirklich das Gefühl, man sieht MICH=mein Dicksein nicht so richtig..[image]

Das 'Produkt' *grins* meines Körpers war mir wichtiger als er selber mit einer ausgeleierte Jogginghose und irgendeinem Flatterhemd darüber. Nun ja, ich war 23 Jahre jünger als heute, d.h. die KÖRPERLICHEN Nebenwirkungen eines langjährigen Übergwichtes waren noch nicht zu spüren.[image]

Als meine älteste Tochter mich in letzter Zeit mal umarmte, sagte sie fast zufrieden: "Schön ist das, jetzt fühlst du dich wieder an wie früher, als ich mit meinen Ärmchen nicht um dich rumfassen konnte!"[image]

Du schreibst, dass du unbeabsichtigt abgenommen hast. Und weiter:

Und statt mich zu freuen kann ich mich nun überhaupt nicht mehr ersehen. Vorher wußte ich, OK, ich bin dick, aber <font size=4>meine Kinder haben von einer dicken, fröhlichen Mama mehr als von einer, die grummelnd Diäten macht. Spiegel habe ich gemieden, ansonsten konnte ich ganz gut damit umgehen.</font>

Das ist ein wesentlicher Satz, finde ich!

<font color=blue>Wenn jemand fragt, ob ich abgenommen habe, könnte ich vor Wut schreien, statt mich zu freuen usw. Was denken sie von mir... meinem Körper... Wie abtoßend muß ich ausgesehen haben die ganze Zeit? Und immer noch aussehen... denn wirklich schlank werde ich wohl nie sein...???

So als ob ein gnädiges einhüllendes Tuch von meiner Körperwahrnehmung weggezogen wurde.</font>


Ich lese, dass du früher gut mit dir als Mama mit mehr Pfunden umgehen konntest, aber die Spiegel lieber gemieden hast.
Verstehen könnte man das vielleicht so, dass du dich nach deinem Gefühl gerichtet hast und spüren konntest, dass du so für deine Kinder eine zufriedene Mama sein konntest. Was ja sicherlich eine außerordentlich wichtige Angelegenheit ist.

Deine derzeitige 'Zwangs-Abnahme' wird zu einem Problem, weil plötzlich die'Spiegel aufgedeckt' sind, d.h. die Menschen um dich herum 'spiegeln' dir in ihren Äußerungen, dass sich da was mit deinem Körper verändert hat. Bzw. generell, dass dein Körper 'nicht so war, wie er jetzt ist', d.h. wenn er jetzt 'abgenommen' = gut aussehen soll, dann war es also vorher nicht so?

Aber offenbar bist du (noch?) (zu?) sensibel, d.h. kannst deinen Standpunkt nicht finden oder verteidigen (?) gegenüber der offensichtlichen 'Meinungsmache' in deiner Umgebung.

Wäre es denn ein guter Rat, wenn ich dir wünschen würde, dich an jene früheren Empfindungen zu erinnern? Du warst (sogar mit mehr Gewicht) eine zufriedene Mama! [image]

Und damit hast du sicherlich auch lächeln können und mit deinem Leben zufrieden sein
Wenn du das JETZT auch wieder könntest, dann wäre dir sicherlich viel geholfen..nicht wahr?

Essen wird zum Problem... Einmal duch die massiven Einschränkungen, andererseits auch durch die Gewichts-Sache. Trotzdem muß ich essen...dem Kleinen zuliebe...

Falls diese Einschränkungen dich, mehr als du es dir eingestehst, belasten, dann würde ich an deiner Stelle mal mit deinem Arzt reden - oder Ernährungstherapeuten. Denn spezielle Ernährungsformen sind nicht immer einfach.
Das wird vielleicht auch leicht von der Familie unterschätzt.
Ich meine - Hilfe wäre immer angenehm. Oder Verständnis.

Liebe Tinka,
ich wünsche dir alles Gute
Und nochmal als Gedanken zu meiner obigen Erklärung:

<font size=4><center><font color=magenta>Man ist nie mit seinem Gewicht 'zufrieden',
wenn man es nicht schon vorher ist...
</font></font>
von airam *blinzel*</center> gwg


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