Re: Wieder mal Innenarbeit...... (Allgemein)

Astarte, Dienstag, 06.05.2008, 08:59 (vor 5845 Tagen) @ Xandria

Hallo ihr Lieben,
seit einiger Zeit ist bei mir bzgl. Innenarbeit einiges ins Rollen gekommen. Manchmal fühle ich mich von den Ereignissen total erschlagen>Erst habe ich mit Hilfe meiner Therapeutin mit einem Streit (zwischen mir und einer damaligen Freundin) der 14 Jahre! zurückliegt und der mich sehr belastet hat weitestgehend abschließen können. Dann hat eben jene "Freundin" über Internet wieder den Kontakt gesucht - ich habe lange gezögert bis ich mich darauf eingelassen habe. Am Samstagabend haben wir uns nach 14 Jahre das erste mal wieder getroffen. Obwohl es nicht hauptsächlich um den Streit ging, konnten wir einige Dinge ins rechte Licht rücken. Kurz und gut: Es war ein schöner Abend mit dem Versprechen, dass wir ab jetzt wieder den Kontakt halten. Nur.....
Durch das Gespräch sind auch einige Sachen wieder ans Tageslicht befördert worden betrefffend der Umgang meiner Familie mit mir in meiner Kinder- und Jugendzeit.....>Ich versuchs kurz zu machen: Ich hatte nie einen richtigen Platz in der Familie. Nie ein Zimmer einen Rückzugsort für mich. Da meine Großmutter ihr ganzes Leben lang bei uns wohnte. Erst habe ich im Schlafzimmer meiner Eltern geschlafen bis ich 11 Jahre alt war (im Kinderbett, was mit der Zeit natürlich immer "bequemer" wurde), Dann im Zimmer meiner Großmutter, später im Wohnzimmer, danach wurde endlich mal das Esszimmer (dafür war Platz da) umgebaut, damit ich da schlafen konnte. "Mein Zimmer" war durch eine Wand und einen Vorhang von der Küche abgetrennt. Natürlich stand der Küchenschrank in meinem Zimmer. Anklopfen war auch nicht angesagt - wie auch bei einem Vorhang! Als meine Großmutter starb bekam ich ihr Zimmer mit fast 19 Jahren - mit 22 bin ich dann ausgezogen. Am schönsten war die Zeit, wo ich im Wohnzimmer schlafen musste vor den Augen meiner Eltern mitten in der Pubertät! Ach ja einen eigenen BH bekam ich auch nicht - konnte ja die von Mutti auftragen. Manchmal sah es aus als hätte ich vier Brüste (das nur so neben bei). Ich lebte bei meiner Familie praktisch wie auf dem Präsentierteller. Wie soll sich denn da ein Selbstwertgefühl entwickeln. Zumal ich von Kindesbeinen an von meiner Mutter mit Selbstmorddrohungen - Androhungen die Familie zu verlassen regelrecht erpresst wurde. Und wenn ich dann mal was gesagt habe gabs ein großes Drama - Mutter war fast im Zuckerschock und meine Oma war ja schon so alt, dass sie das sowieso fast ins Grab gebracht hat.....>Eine andere Freundin meinte, dass das fast sowas wie eine "emotionale Vergewaltigung" war - ich sollte meine Mutter mal damit konfrontrieren, mal die Dinge aussprechen wie sie waren und wie ich sie empfunden habe. Auch wenn meine Mutter schon alt und krank ist und man die Vergangenheit eh nicht ändern kann. Aber eine Aussprache sollte schon sein, da ich es sonst für den Rest meines Lebens mit mir rumtrage... Sie hätte ja dann auch die Möglichkeit sich auch dazu zu äußern. ICH hätte aber als TOCHTER auch ein Recht auf AUSEINANDERSETZUNG mit IHR. Ich will die Aussprache auch und werde mich auch genau darauf vorbereiten.
Was meint ihr dazu?
Xandria


Ja, rede mit Deiner Mutter. Aber erwarte nicht zu viel von ihr. Gerade solche Menschen neigen im Alter dazu ihre Macken noch zu intensivieren und noch weniger Einsicht zu zeigen. Was sehr schade ist: Man sollte die eigenen Kinder als Erfahrung des wechselseitigen Lernens auffassen. Leider beherzigen dies viele Eltern nicht und sehen sich als Erwachsene grundlegend im Recht, und werten die Kinder als "Kinder" im Sinne von nicht-vollwertiger Person ab. Sehr überspitzt formuliert.

Ich selbst bin auch ein Mensch, der immer das klärende Gespräch sucht und auch für den eigenen Seelenfriedenbrauch. Just im Moment mit meiner Krise mit dem Messigemahl erlebe ich wieder, wie sehr es mich belastet, wenn dies nicht möglich ist. Könnte mir auch gut vorstellen, dass es mich in 20 Jahren noch beschäftigt...*sfz*.

Wie dem auch sei, ich muss leider gerade sehr akut lernen, dass eine Aussprache nicht möglich ist, wenn der Gegenüber nicht möchte. Dann denke ich mir jedoch: Hauptsache ich habe es versucht. Die Möglichkeit dazu gegeben. Somit kann ich wenigstens mir selbst in die Augen blicken, selbst wenn es gar nichts bringt, so bringt es doch dem eigenem Inneren eine kleine Erleichterung, und man kann sich notfalls denken: "Ich hab's versucht. Ich hab alles getan. Wer nicht will, der hat schon!" Schließlich will man selbst ja keiner von jenen werden, die uns so wehtun, in dem sie klärende Gespräche so unfair abblocken.

Was mich sehr irritierte oder vielleicht sogar auf seltsame Art und Weise faszinierte: Deine Kindheitsgeschickte deckt sich sehr (!) mit der meines Gemahls. Dort gab es drei Kinder, die sehr lange Zimmer teilen mußten. Das älteste Mädchen bekam mit Einsetzen der Pubertät das Esszimmer mit einem Vorhang abgetrennt. Das Jungszimmer teilte nur ein großer Schrank. Und auch sonst: Die Kinder werden nicht als Personen vollgenommen. Auch heute nicht, wo sie scharf auf die 40 zugehen. Allerdings wurden/werden sie geliebt, ganz ohne Frage. Mein Gemahl wurde in der Pubertät gerne mal scherzhaft aufgezogen. Er kam damit gar nicht klar. "Ach, was ist denn schon dabei?!" Aber mein Sensiblchen nahm das sehr ernst. So erinnere ich mich noch, dass die Mutter am Anfang meiner Beziehung ihn beim Sonntagsessen vor versammelter Mannschaft auf den Arm nahm, weil sie unser Bett hatte quitschen hören. Ergebnis: Trotz Frisch-Verliebtsein gab es 6 Wochen keinen Sex mehr.Zumindest nicht in dieser Wohnung.

Aber der wichtigste Faktor ist ein anderer: Erst hat man keinen Freiraum, dann wird man nicht als vollwertige Seele ernstgenommen, aber wehe man spricht irgendein Problem an. Bei deiner Mom waren es Selbstmorddrohungen. Meine Schwiegermutter ging zwar nie so weit, aber beim kleinsten Problem bekommt sie körperliche Leiden, hat es im Herz, im Magen usw. und regt sich vor lauter Sorge so extrem aus, dass man ihr alles verheimlichen möchte! Gerade weil ihr Sohn sie ja sehr liebt. So wundert es mich kaum, dass er schon als Kleines Kind begann Probleme wegzuignorieren, herabzuspielen und zu verdrängen. Bis alles zusammenbrach. Dann war die Mutter fix und alle, und das war so unerträglich, dass der Vater die Probleme allesamt im Eiltempo löste, ohne RÜcksicht auf irgendwas. Sprich: Liebevolle, überelterliche Entmündigung. So hat er niemals gelernt über Probleme zu reden, ein Selbstwert zu entwickeln und schon gar nicht sich selbst mit Konflikten auseinander zu setzten. Im Laufe der Jahre nahm das Verdrängen schon schizophrene Züge an, vor allen in Stress-Zeiten.

Aber dies war eigentlich "nur" die Einleitung zu dem, was ich Dir zu Deinem Fall sagen wollte:

Obwohl ich meine Schwiegermutter mehr mochte als meine eigenen Eltern, habe ICH sie jetzt damit konfrontiert. In diesem doch eher unschönen und auch verärgerten Schreiben schrieb ich das Wort "Konfrontation mit Problemen" bzw. die Unfähigkeit dazu auch wortwörtlich. Mein (nun leider Noch-)Gemahl wird es ihr aus lauter Rücksicht niemals sagen. Aber ich bin sauer, weil sie die Tour im Laufe der Jahre auch ein paar Mal bei mir versuchte, weil es sich in der akuten Krise wieder zeigt und so deutlich wird, wieso mein Messi-Gemahl das ist, was er ist. Ich brach den Kontakt mit ihr ab. Für immer. Mir reicht es!

Ich kenne einige zwischen 30 und 40, die noch heute psychisch sehr darunter leiden, dass die Mütter (Nachkriegsgeneration?!) nicht mit ihren Gefühlen und Problemen klar kommt, und man es selbst nie lernte. Und ich erlebe immer wieder, dass die Kinder Rücksicht nehmen, die Eltern in Schutz nehmen, die es ja nicht böse meinen eben nur nicht besser wissen... und sich auch später nie wirklich dagegen wehren.

Fazit: Konfrontiere sie damit! Erwarte aber nicht so viel. Hauptsache Du hast es versucht. Wer nicht will, der hat schon. Aber nimm keine falsche Rücksicht, Du hast Dir das Recht auf psychische Gesundheit genauso verdient. Und wenn entsprechende Eltern nicht einsichtig sind, kann man leider nichts machen. Außer dem Sicherheitsabstand.

LG,
Astarte


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