Re: Ein Bericht - lang (Angehörige)
Hallo Uli,
ich habe lange überlegt, was ich antworten soll, denn die Situation kenne ich gut. Ich bin in Bettinas Alter und habe damals den Berufsaustieg wegen der Kinder wohl ähnlich erlebt wie deine Frau. Mir ist die Decke auf den Kopf gefallen und ich habe das Chaos in allen Räumen wachsen lassen. Abgesehen von einigen Gewaltaktionen, die kurzfristig Besserung brachten, stand ich dem Chaos hoffnungslos gegenüber, bis ich es wohl letztendlich gar nicht mehr wahrnahm. Mein Verdrängungsmechanismus funktionierte perfekt.
Viele Sachen hob ich auf, um sie irgendwann zu gebrauchen, alles blieb da liegen, wo es aus der Hand fiel usw. Ich denke, den Zustand kennst du. Je schlimmer das Chaos, desto schwerer wurde es, überhaupt was zu tun.
Mein Mann, der selbst Messietendenzen hat, allerdings auch auf anderen Gebieten als ich, hat das "tapfer" ertragen, aber selbst auch zu wenig Kraft hier was zu tun oder mir zu helfen, wir wußten damals auch keinen Weg.
Dann wurden die Kinder größer und mir wurde irgendwann klar, dass ich z.B. im Kizi zuviel Zeug hatte, was wahrscheinlich nie in Benutzung kommt. Ich begann zu entrümpeln, erstmal Geschenkte Kindersachen, die voraussichtlich sowieso nie passen, angeschlagens Spielzeug, Krimskrams aller Art. Mit meinem Mann warf ich vieles davon auf den Müll, ich wollte mich nicht mehr vom Gerümpel erdrücken lassen. Es wurde luftiger, aber noch lange nicht ordentlich, wenn auch weniger chaotisch.
Als ich feststellte, wie befreiend das Wegwerfen ist, konnte ich nach und nach auch meine persönlichen Altlasten angehen. Das war schwierig, weil ich beim wegwerfen mit bestimmten Lebensabschnitten abschließen musste...gleichzeitig zwang mich die Aufnahme einer Tätigkeit mich selbst wieder einigermaßen zu organisieren.
Eine ganz deutliche Verbesserung brachte für mich die gemeinsame Aktion " saubere Küche am Abend", über die ich mich mit meinem Mann seit letztem Weihnachten verständigt habe. Wir üben beide verstärkt "Beweise beseitigen", also nach der Küchenbenutzung alles gleich wegstellen und sorgen dafür, dass spätestens am Abend der Tisch abgeräumt, die Spüle frei und der Boden besenrein ist. Diese gemeinsame Anstrengung tut uns gut und es ist toll, sich früh an einen aufgeräumten Tisch zu setzen. Mir hat es sehr gut getan, dass mein Mann einfach zugreift (ohne Vorwurf), den Widerstand, das es "meine Arbeit" ist, hatte ich auch. Das gemeinsam formulierte Ziel hat mir hier den Druck genommen.
Du schreibst, du hast einen anstrengenden Job bis 18 Uhr. Ich kann gut verstehn, dass du dann gern in ein sauberes zu Hause kommen möchtest. Aber ich denke, Bettina will nicht einfach nicht, ich vermute sie kann nicht.
Ich k o n n t e damals jedenfalls einfach nicht und das machte es noch schlimmer. Vielleicht wäre theapeutische Hilfe gut gewesen? Rückblickend kann ich nur mutmaßen, dass es vielleicht geholfen hätte, nur kam ich nicht auf die Idee.
Lieber Uli, ich finde es schwer Ratschläge zu geben, vielleicht kannst du meinem Bericht einige Dinge entnehmen. Ich wünsche eurer Familie viel Kraft.
(Wenn du möchtest, können wir auch mailen: Frieda.Z@gmx.de)
LG Frieda
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- S.O.S. -
uli,
07.12.2002, 15:43
- Re: S.O.S. ... lange Antwort ... -
Micha,
08.12.2002, 11:43
- Re: S.O.S. ... lange Antwort ... - uli, 08.12.2002, 12:40
- Re: Ein Bericht - lang - Frieda, 09.12.2002, 11:06
- Re: S.O.S. - Anneliese, 09.12.2002, 14:22
- Re: S.O.S. - demia, 27.04.2003, 11:44
- Re: S.O.S. ... lange Antwort ... -
Micha,
08.12.2002, 11:43