Re: Messie -Vater mit extremer ´DVD-Bespiel und -Sammelwut´ (Angehörige)

Hendrik, Dienstag, 22.05.2012, 15:02 (vor 4369 Tagen) @ My

Hallo My,

was du schilderst, ist ja schon ein Extremfall, und ohne dir den Mut nehmen zu wollen, das wird bestimmt noch schlimmer mit steigendem Alter!
Eine Verwandte von mir hat ebenfalls versucht, das Leben ihres Vaters in geordneten Bahnen zu halten. Bis zur Selbstaufopferung mit körperlichen und seelischen Zusammenbrüchen! Anerkennung oder Dank gibts keinen, stattdessen Zerwürfnisse ohne Ende, weil sich der Vater bevormundet fühlt. Mit irgendetwas im bisherigen oder aktuellem Leben unzufrieden, fallen Schimpfwörter wie Erbschleicher etc.
Ich glaube, ohne professionelle Hilfe(Altenpflege oder spezielle soziale Dienste)machst du dich kaputt. Dein Leben, deine Beziehungen, alles was dir wichtig ist, deinem Vater unterzuordnen ist falsch. Bei aller Schuldigkeit, so gehts nicht!
In irgendeinem Buch zur Kindererziehung hab ich mal gelesen:"Nur glückliche Eltern können glückliche Kinder erziehen." Sinngemäß wohl so gemeint, wer nicht an sich, sondern immer nur an andere denkt, hat zum Schluss nichts erreicht.

Gruß Hendrik

Hallo,
ich bin am Verzweifeln!
Mein Vater, der um die 60 ist und in einer kleinen Einzimmerwohnung wohnt, ist seit etwa 1 Jahr den größten Teil seiner wachen Zeit damit beschäftigt, mit System Filme in Fernsehzeitschriften zu markieren, auf DVD zu brennen, für diese Hüllen anzufertigen und die DVD´s dann in seinen, inzwischen die eine komplette Wand seines Zimmers einnehmende Regalen bis zur Decke, einzuordnen. Außerdem katalogisiert er die Filme (vor allem schrottige Polizei- und Krimiserien) penibel in Aktenordnern mit Beschreibung der Serie und sammelt in Fotoalben Ausschnitte der Filme und Serien. Er weiß selber, von welch schlechter Qualität diese Serien sind, bespielt und hortet diese DVD's aber zwanghaft, weil er nach eigener Aussage sonst "nicht weiß was er tun soll".
Der ganze Raum ist quasi nun als "Arbeitsraum", mit Arbeitsplätzen entlang der Wand unter den Regalen, fast wie eine Fabrik eingerichtet und überschwemmt mit Stiften, Scheren, Papier für die DVD-Hüllen, Papierschneide-Werkzeugen, Drucker, PC's und unzählig viele Utensilien. Außerdem laufen überall Unmengen von Kabeln entlang, die er für die unzählig vielen Lampen und Elektrogeräte braucht, die überall im Raum verteilt sind. Zwei uralte Monitore, die er irgendwo gefunden hat, stehen als "Ersatz" herum, falls einer der Monitore, an denen er "arbeitet" kaputtgeht.
Da er sonst niemanden hat, bringe ich öfters Essen mit und versuche, in seiner Wohnung regelmäßig zu putzen. Allerdings ist die Messie-Situation erst ab etwa einem Jahr ganz extrem, weil...
Ich muß etwas mit den Hintergründen ausholen:
Ich bin ganz oberflächlich betrachtet normal und gutbürgerlich in eigenen Haus mit Garten aufgewachsen. Mein Vater arbeitete in einem guten therapeutischen(!!!)Beruf aber hatte sich so gut wie komplett aus dem Familienleben zurückgezogen und lebte fast vollständig in seinem Beruf, der ihm aber auch schon lange keinen Spaß mehr machte. Als Kind hatten wir noch sehr guten Kontakt, waren mit dem Rad unterwegs, spielten Gesellschaftsspiele, aber so bald ich in die Pubertät kam und mehr mit Freunden unterwegs war, änderte sich das.Ich zog sofort aus, als ich volljährig wurde. Die Situation zuhause zwischen den Eltern und überhaupt war seit Jahren geprägt von Gleichgültigkeit, Kälte und eigentlich keinem Zusammenhalt mehr.
Nun der Knaller: Mein Vater machte sich, obwohl noch meine jüngere Schwester zuhause wohnte, einfach ins Ausland aus dem Staub und ließ über 15 Jahre nichts mehr von sich hören, wurde offiziell sogar für tot erklärt! Erst vor einigen Jahren erfuhr ich, daß er zwangsweise wieder in Deutschland wohnte, da er in seinen letzten Jahren im Ausland, da ihm das Geld ausgegangen war, mit abgelaufener Aufenthaltsgenehmigung gelebt hatte und abgeschoben worden war. Er hatte dort tatsächlich IM ERNST geglaubt, daß er den Rest seines Lebens ein einer selbstgezimmerten Bretterbude (es war außerhalb Europas, in den Tropen), ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung und ohne Geld, da es ihm ausgegangen war, verbringen könnte! Er hatte sich dort wohl gefühlt, weil er dort KEINE VERPFLICHTUNGEN hatte, etwas was ab seinem Abhauen sein Leben bis heute steuert.
Ich nahm wieder Kontakt auf, da er für mich immer noch mein Vater war (der Rest der Familie inklusive meiner Schwester, sie ist immer noch sehr enttäuscht und wütend auf ihn, hat keinen Kontakt mehr zu ihm)und war entsetzt darüber wie er hauste, völlig apatisch in einer düsteren Einzimmerwohnung, die gefüllt war mit den sehr schäbigen alten Möbeln und Gegenständen des verstorbenen Vormieters. Ihm Vorwürfe zu machen wegen seinem "Abhauen" würde überhaupt nichts bringen, da er überhaupt nicht findet, irgendetwas falsch gemacht zu haben und immer wieder vom Aufenthalt im Ausland schwärmt.
Über die Jahre half ich ihm, die Wohnung von dem miefigen alten Kram zu entrümpeln und hoffte, daß er sich nun schön und nach eigenem Geschmack einrichten , Leute in seine Wohnung einladen und wieder etwas mehr Lebensfreude haben würde. Ich ließ alles bringen, was er haben wollte (vor allem Regale!)
So, und jetzt lebt er völlig verkrochen in seiner verkramten DVD-Messie-Höhle, fertigt Leute aus seinem Haus, die sich mit ihm anfreunden wollen, mit hartnäckigem Schweigen an der Wohnungstür ab und es ist schlimmer als vorher, als er wie ein Feriengast zwischen den Sachen des Vormieters lebte.
Hin und wieder putze und räume ich auf, aber die "Arbeitsgeräte" und die Kartons in denen sie drin waren und anderes Gerümpel, was er "unbedingt braucht" verstopfen schon alles und werden immer mehr.
In seinem Bad und im Flur liegen seit Monaten Säcke mit über 100 KG Blumenerde, die er "morgen" für das Umtopfen von etwa 10 kleinen Pflanzen braucht! Ich darf sie definitiv nicht in seinen Kellerraum, etwa 10 Meter entfernt auf derselben Etage, bringen. Alles was gerade günstig ist, muß er zwangweise kaufen, auch haufenweise billigste Nudelfertiggerichte, die er sogar im Wohnzimmer in Schränken hortet,zwischen alten Büchern vom Vormieter und schmuddeligen Schnapsgläsern vom Vormieter (es ist immer noch nicht alles entsorgt!)
Aus seiner Küche habe ich letztens Kiloweise vor Jahren(!)abgelaufene Konserven und Nudelgerichte entsorgt.
Ich habe oft das Gefühl, daß aus ihm ein unreifes Kleinkind handelt und spricht, wenn er linkisch und trotzig erklärt, daß er diesen und jenen Kram unbedingt noch braucht (alte Marmeladengläser um darin Krimskrams zu horten) oder sich für die und die Person, die sich ihm aufdrängt, nicht interessiert und was er alles tut, um in Ruhe gelassen zu werden. Er scheint sich wirklich für keinen Menschen in der Welt zu interessieren und niemanden zu brauchen.
So war er wohl schon immer, mit Kindern, z.B. meiner Schwester und mir konnte er immer viel mehr anfangen, so lange wir Kinder waren, war unser Verhältnis ja sehr gut, da er auch kindisch und verspielt war.
Inzwischen wachsen meine Wut und meine Ungeduld immer mehr und ich frage mich, warum ich mir das alles überhaupt noch antue. Und wie sich jemand, der eine psychologische Ausbildung hat und nicht dumm sein kann, sich so sein Leben versaut hat und es sich immer noch versaut mit solcher Selbstgerechtigkeit und kindlich-trotzigem Einigeln. Ich verstehe es nicht! Er hat Zeit, noch Dinge in seinem Leben zu lernen und zu erledigen, kann nette Leute kennenlernen mit denen er reden kann, kann viel lesen. Und auch, als ob alle anderen Menschen um ihn herum Idioten und Langweiler wären! Aber er möchte halt keine VERPFLICHTUNGEN gegenüber anderen mehr haben, dies zieht sich ab seinem "Abhauen" nun wie ein roter Faden durch sein Leben und scheint für ihn das wichtigste überhaupt zu sein. Daß der Staat ihn nun ernährt, weil er dazu verpflichtet ist, nimmt er aber daher als selbstverständlich hin! Ich habe mir bisher auch schon viele Stunden immer wieder dieselben Stories was er alles in seinem Exil erlebt hatte, mit Engelsgeduld angehört, auch wenn ich lieber eine Erklärung und eine Entschuldigung für sein damaliges "Ich-haue-einfach-ab, hinterlasse ein Chaos und nach mir die Sintflut, können mich alle mal am Arsch lecken" hören würde.

Mußte das jetzt mal loswerden, weil außer meinem Mann niemand weiß und ich es niemandem erzähle (weil es wohl auch kaum einer verstehen könnte), wie die Situation ist und wie ich darunter leide.


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