Re: Wie Iris Berben... (Allgemein)

Schlumpfine, Donnerstag, 10.07.2008, 01:22 (vor 6028 Tagen) @ Mina

> ...kann sich vielleicht ne Haushaltshilfe leisten? [image]

Liebe Mira, das denke ich auch sehr oft:
Mein Fehler ist nicht, dass ich es nicht gerne schön hätte, da wo ich wohne.
Mein Fehler ist auch nicht, dass mir aufräumen und putzen keine Freude macht - mit dieser Abneigung befinde ich mich in allerbester Gesellschaft.
Mein Fehler ist, dass ich nicht genug Geld verdiene, um diese ungeliebten Tätigkeiten delegieren zu können.
Viele gutverdienende Familien und fast alle alleinstehenden Männer lassen sich bei den groben Hausarbeiten helfen. Einige lassen sogar jede Form der Hausarbeit von bezahltem Personal erledigen.

Komme soeben aus einem Kurzurlaub in einem kleinen Hotel zurück.
Mit Tischlein-Deck-Dich und Room Service.
Kaum setzte ich mich samt Familie frisch geduscht und ausgeschlafen an einen gedeckten Frühstückstisch, wurde schon der Kaffee bzw. Tee und Saft je nach Wunsch von hilfreichen Händen serviert. Brot, Müesli, Aufschnitt, Joghurt, Früchte etc. stand appetitlich angerichtet tagtäglich bereit. Satt und gut gelaunt kehrten wir in unser Zimmer zurück, um unsere Zähne in unserem frisch geputzten Bad noch einmal zu putzen und usnere Hausschuhe mit den Straßenschuhen zu vertauschen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Betten schon gemacht, der Boden war gesaugt, Bad und WC gründlich geputzt, Handtücher ggf. gewechselt. Jeden Morgen. Draußen regten sich fleißige Hände und fütterten Haustiere, fegten die Terrasse ab, jäteten Unkraut, gossen Blumen und mähten den Rasen. Die Sonnenstühle waren längst aufgeklappt und wurden abends wieder weggeräumt.
Mittag und abends funktionierte das Tischlein-Deck-Dich ebenso reibungslos. Auch die Post wurde zum Briefkasten gebracht und es gab täglich eine aktuelle Tageszeitschrift. Die alten Zeitschriften verschwanden ebenso regelmäßig.

Nichts davon habe ich getan. Dort nicht.

Mir blieb zu tun: Mich selbst und den Kleinen (2) waschen und anziehen. Meine getragene Kleidung auf den Balkon zum Lüften hängen oder in den Schmutzwäschesack stecken. Meine Zähne putzen und meine Haare kämmen. Dem Kleinen Brote schmieren und klein schneiden, ihm Wasser eingießen und seine Haare kämmen. Ihn wickeln und bei Bedarf Fieber messen bzw. ihm seine Medikamente geben. Spielzeug und Schuhe vom Fußboden wegräumen, bevor das Zimmermädchen kam. Wickelrucksack sowie ggf. Schwimmzeug o.ä., Proviant, Insekten- und Sonnenschutzlotion einpacken. Einen Reiseführer oder die Wanderkarte zu studieren sowie den Wetterbericht. Mehrere Freizeitaktivitäten anzubieten, die möglichst allen Familienmitgliedern Freude machten bzw. möglich waren.

Das war - trotz der schweren Erkältung des Kleinen - eine außerordentlich erholsame und lehrreiche Woche für mich: Was in diesem Hotel ein halbes Dutzend Menschen verrichtete, bleibt zuhause nahezu vollständig an mir hängen. Das was ich dort auch gemacht habe, sowieso.

Auch wenn ich selbst krank bin und Fieber habe.

Was ich nicht aufräume, bleibt liegen.
Was ich nicht saubermache, bleibt schmutzig.
Was ich nicht einkaufe, bleibt woanders.
Wenn ich nicht koche, tut's keiner.
Rasenmähen, Unkrautjäten, Heckenschneiden, Termine überwachen und daran erinnern, Briefe beantworten, Müll sortieren trennen und entsorgen ... alles meine Aufgaben.

Wenn meine Nachbarin nicht aufräumt, macht es ihre Zugehfrau.
Bevor sie putzt, wäscht und bügelt.
Die Einkäufe erledigt die Nachbarin gemeinsam mit ihrem Mann, der auch die schweren Kisten schleppt.
Sie kocht manchmal ... oder geht mit ihrer Familie aus essen.
Für die grobe Gartenarbeit bezahlt sie den Mann ihrer Putzhilfe und einen Nachbarjungen.
Der fährt auch das Auto durch die Waschstraße, saugt es aus und poliert die Scheiben.
Ihr Kind ist schon vier und ganztags im Kindergarten.
Sei treibt regelmäßig Sport und geht zum Friseur.

Ich schreibe das nicht, weil ich der Frau missgönne, was sie tut, um sich das Leben zu erleichtern.

Ich schreibe es nur auf, damit ich das Bild: "Fett, faul, gefräßig" aus dem Kopf bekomme, das mich oft quält, wenn ich sie in ihrer modischen Kleidung ihr fast neues, gepflegtes Auto besteigen und mit dem Jungen zur privaten KiTa fahren sehe - während ich in drei Jahre alten, löchrigen Jeans und mit einem ausgeleierten Sweatshirt, mit dem Kleinen an den Hacken oder auf dem Arm versuche, den Schmutz und die Unordnung, die im Zusammenleben von vier Menschen tagtäglich neu entstehen, wenigstens notdürftig einzudämmen, drei gesunde Mahlzeiten auf den Tisch zu stellen, und der üppig wuchernden Gartenpracht wenigstens soweit Einhalt zu gebieten, dass keine Verletzungsgefahr entsteht. Ohne Zugehfrau und Gärtner, ohne Restaurantbesuche und KiTa. Ich finde es dann weniger schlimm, dass unser Haushalt seinen Bewohnern nicht denselben Service wie ein gutgeführtes Hotel bietet. Und fühle mich weniger unzulänglich.

"Gute N8!" wünscht uns allen

[image] Schlumpfine


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