Re: danke für Deine ehrlichen Worte, liebe Fatima ((M)Essies)

Schlumpfine, Sonntag, 30.11.2003, 22:01 (vor 7473 Tagen) @ Fatima

>Ooooh, Schlumpfine,
[quote]Du hast zwar schon mal ein paar Andeutungen gemacht, soweit ich mich recht erinnere, dass sich in eurer Beziehung was zum weniger guten verändert hat - aber dass es so schlimm ist!?
[/quote]

Liebe Fatima, ich finde es schlimmer als ich mir jemals ausgemalt hätte.

>Aber andererseits . . . bist du sicher, dass die Menschen in den 'gewissen Kreisen' wirklich so negativ über dich denken? Es ist doch oft die eigene Unsicherheit, die eigenen Komplexe, die einen so was glauben machen.

Das sehe ich ganz genau so. Und deshalb kann ich jetzt auch keine Rücksicht mehr darauf nehmen, "was die Leute sagen". Ich weiss, dass ich nichts dafür kann, dass mein Mann mit einer anderen Frau ein Kind gezeugt hat, während ich in der ReHa meine geschundene Seele aufmöbeln ließ. Und weil ich weiß, dass ich mich nicht für das verantwortungs- und rücksichtslose Verhalten dieser Menschen schämen muss, darf ich offen die Unterstützung, das Mitgefühl und ide Liebe der Menschen in meiner Umgebung annehmen. Wenn dabei der bisher makellose Ruf meines GöGa leidet ... nun, das kann ich nicht ändern und auch dafür bin ich nicht verantwortlich.

Möglicherweise sind mein Aussehen und meine seelische Befindlichkeit, die sich je nach Tagesform in mehr oder weniger Chaos, Essen oder Depression äußert, glaubhafte Vorwände für das Verlangen nach einem jungen, willigen Körper. Möglicherweise ist das Zusammenleben mit einer depressiven, essgestörten Messie so trostlos, dass Mann sich ein paar verschwiegene, vergnügte Stunden gönnen möchte. Aber ich sehe keinerlei Mitverantwortung bei mir und meinem Verhalten gegenüber meinem Mann und der Frau, die ich für meine Freundin hielt, für die Entscheidung, im Jahr 2003 - während AIDS-Plakate an jeder zweiten Bushaltestelle, die eindringlichen Werbespots rund um die Uhr im TV und sogar die Spots im Vorprogramm zu Kinderfilmen im Kino vor Geschlechtsverkehr ohne Kondom warnen, genau das zu tun und dabei auch noch ein Kind in die Welt zu setzen.

>Glaubst du nicht, dass der Schuss nach hinten los gehen, und schlafende Hunde wecken könnte?

Welche Alternative siehst Du in unserer Situation? Alles unter den Teppich kehren? So tun, als gäbe es kein Kind? Keine Ex-Geliebte? Als hätte ich den Rückfall in Mess, Esssucht und Depri nur gebaut, weil die Klinik nichts taugt?

>Ich kenne die Sprüche von Nachbarinnen wie auch meiner eigenen Mutter, dass dieser nette Mann doch was besseres als mich verdient hätte, und dergleichen.

[quote]Und dann ist da noch meine Freundin, die der Meinung ist, ich sollte meinen Mann mehr in Ruhe lassen - weil der arme Mann doch schließlich soviel arbeiten muss. Schließlich bin ich nicht schön, schlank, ordentlich, gestylt etc. genug.[/quote]

Ja, liebe Fatima, alle diese verletzenden Bemerkungen sind mir vollkommen geläufig. Sie waren jahrelang mein Mantra. Diesen Unsinn und noch viel mehr haben ich mir jahrelang selbst eingeredet und damit den spitzen Bemerkungen Tür und Tor geöffnet. Davon haben sie mich in Bad Herrenalb gründlich geheilt.

>Aber viel rede ich mir auch wohl nur selbst ein.

Dann - und nur dann treffen mich solche Spitzen. Wenn ich nicht selbst daran glaube, prallen sie wirkungslos an meinem intakten Selbstbild ab.

>Wenn mein Mann sich für die Verletzungen mir gegenüber, vor anderen rechtfertigen müsste würde (vermute ich mal) jeder sagen: Ist doch kein Wunder, dass er sowas macht - bei DER Frau.

Ja, schon möglich, dass es Menschen gibt, die das so sehen. Na und? Ich weiß, dass es nicht so ist. Mir reicht das.

Und ich würde es auch nicht von ihm verlangen wollen.

Warum nicht?

Mein Mann hat sich für mich entschieden - und ich glaube, er hat es zum ersten Mal RICHTIG (echt?, wahrhaftig?) getan - und das reicht mir.

Wenn Du Dich wohl dabei fühlst, ist es wohl tatsächlich das Beste für Euch.

Sollen sie reden, vermuten, giften was sie wollen - ich werde ihnen kein Wasser auf ihre Mühlen geben oder verlangen, dass mein Mann es tut. Dann lieber Nase hoch und sie weiter im Dunklen tappen lassen - und in der Zwischenzeit an meiner Beziehung arbeiten.

Diesen Kurs haben wir auch im letzten halben Jahr gesegelt. Eingeigelt, Gespräche ohne Ende und erstmal die eigene Position klären. Nachdem wir als Paar für uns Klarheit gewonnen hatten, haben wir unsere Entscheidung füreinander amtlich gemacht.

Ich denke es reicht, wenn sich zwei Menschen für ein Leben mit- oder ohne einander entscheiden. Schwiegereltern, Nachbarn, Onkeln, Tanten und Anverwandte geht das alles gar nichts an.

Diese innere Haltung habe ich im Einvernehmen mit meinem Mann auch eine ganze Weile gepflegt - aus Scham über das, was er und seine Ex-Geliebte mir und drei unschuldigen Kindern angetan haben. Ich habe mich dafür geschämt, was andere getan haben. Nee, die Zeiten sind vorbei. Da wird in Kürze ein Kind geboren, das seine Existenz der verantwortungslosen Rücksichtslosigkeit seiner beiden untreuen, verlogenen Eltern, der hirnlosen Vergnügungssucht seines Vaters und der zielstrebigen Niedertracht seiner Mutter verdankt, da gibt es eine Halbschwester und einen Stiefvater, eine Stiefschwester und eine Stiefmutter (mich), die alle mit der Existenz dieses kleinen Wesens weiterleben müssen. Und da soll ich helfen, das Kind totzuschweigen? Mit mir läuft das nicht. Das Kind hat Großeltern (meine Schwiegereltern), Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen und ein Recht auf die Zuwendung seines Vaters. Alles andere ist mit meinen Werten unvereinbar.

Mein Herr Gemahl hat einen Fehler gemacht, als er mit dieser Frau ins Bett ging, die mit allen Mitteln darauf hingearbeitet hat, meine Familie, meine seelische und geistige Gesundheit und mein Ansehen zu zerstören. Er hat den zweiten Fehler gemacht, als er sich dazu erpressen ließ, ungeschützten Verkehr zu haben.

Für diese Fehler und deren Folgen muss er nun gerade stehen, wenn er nicht den letzten Rest meiner Achtung verlieren will. Das Kind kann nichts dafür!!! Es gehört nun zu unserer Familie, ebenso wie die Halbgeschwister väterlicherseits meiner Tochter. Wenn mein Mann diese Verantwortung gegenüber seinem eigenen Fleisch und Blut nicht tragen will, ist er kein Stück besser als der leibliche Vater meiner Tochter, der die Existenz seines Kindes seit 10 Jahren ignoriert und meine Tochter und mich damit sehr kränkt.

>Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich es abschicken soll . . . aber ich hab es geschrieben, weil es meine Gedanken dazu sind . . . ich hab aber auch fast ein Jahr gebraucht, um so weit zu kommen.

Liebe Fatima, ich spüre Deinen tiefen Schmerz, Deine Hoffnung auf Heilung der Wunden und den Wunsch, Euch vor bösartigem Klatsch zu schützen. Deinen Schmerz und Deine Hoffnung teile ich, die Angst vor Klatsch habe ich abgelegt.

Böse Zungen können mich nur dann verletzen, wenn deren Aussagen sich mit meinen eigenen Ansichten decken und wenn ich Einstellungen pflege, die im Widerspruch zu den gesunden Grundüberzeugungen stehen:

Ich bin liebenswert. Einfach weil ich existiere.
Ich bin Frau genug. das ist keine Frage des Alters oder des Körpergewichts.
Ich bin gut genug - ich tue, was ich kann. Mehr kann keiner tun.
Ich bin berechtigt - meine Bedürfnisse sind berechtigt.
Ich bin nur für mich selbst und mein Verhalten verantwortlich.
Ich habe keine Macht über das Verhalten anderer Menschen und bin auch nicht dafür verantwortlich.

Wenn Du beim Lesen dieser Zeilen Widerstand spürst, können Angst, Scham und verzerrte Wahrnehmungen der Realität Dich daran hindern, wahrzunehmen, was Du wirklich brauchst. Ich habe wochenlang die Orientierung verloren und mich in einem Nebel aus Scham, Angst und Realitätsverlust verirrt. Dank Almuts Erinnerung an <a href=index.php?id=80582>das Buch von Hirigoyen[/link] und Klamottas schonungsloser Offenheit habe ich meinen klaren Blick für das, was ich wirklich brauche, um in dieser alptraumhaften Situation gut für mich zu sorgen, wieder gewonnen.

Ich schäme mich nicht länger für das, was mein Mann und die Frau, die bis zuletzt vorgab, meine Freundin zu sein, getan haben. Ich war nie gesünder, als an dem Tag, als ich das Flittchen aus unserem Haus geworfen habe. Mein einziger Fehler war, das nicht schon früher getan zu haben. Darin hat mir z. B. gestern mein Schwager zugestimmt. Das hat sooo gut getan.

Ich suche Unterstützung bei meinen Freunden und Verwandten und verschweige nicht länger, was mir das Herz so schwer macht. Die ersten Rückmeldungen, die wir bisher (von unseren jeweiligen Eltern und meiner Schwester) bekommen haben, waren wesentlich liebevoller und unterstützender, als wir es uns in unserer angst- und schamverzerrten Phantasie ausgemalt hatten. Besonders meinen Schwager könnte ich für seine aufrichtigen und lebensklugen Worte in Gold fassen. Und auf diesen ganzen Reichtum von Liebe, Unterstützung, Mitgefühl und Intelligenz haben wir monatelang aus Angst und Scham verzichtet.

>Liebe Schlumpfine, tu was gut für dich ist und was du brauchst, damit es dir besser geht.

Ja, das tue ich. Und damit geht es mir sehr viel besser. Und ich freue mich auf die Klinik, wo sie mich noch einmal so richtig "auf's richtige Gleis stellen" werden, damit ich mit Volldampf in Richtung mehr Gesundheit, mehr Wohlbefinden und mehr Aufrichtigkeit starten kann.

>LG und Kopf hoch [image]
[quote]Fatima
[/quote]

Dasselbe wünsche ich Dir, liebe Fatima und Deine Umarmung [image] erwidere ich gerne.

Liebe Grüße
[image] Schlumpfine (heute mit BMI 43)


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