Re: Frau damals und heute (Allgemein)

Schlumpfine, Freitag, 09.12.2011, 19:35 (vor 4683 Tagen) @ Odille

>Was ich in jedem Fall sagen wollte: Hausfrau und Mutter ist ein ernstzunehmender Beruf.

Das sehe ich vollkommen anders.

Mutter ist - ebenso wie Vater - eine lebenswichtige biologische Funktion.
Jeder von uns braucht eine Mutter und einen Vater, um sein Leben zu erhalten.

Hausfrau eine Erfindung des Patriarchats.

Fakt ist: Kinder brauchen Zuwendung und Betreuung.
Vor der Geburt ist dafür die Mutter verantwortlich.
Gemeinsam mit erwachsenen Menschen im sozialen Umfeld der Mutter.

Damit diese jede Schwangerschaft sorglos erleben und sich auf die Geburten vorbereiten kann.
Auch im Wochenbett benötigen Mütter und ihre Säuglinge die Unterstützung einer tragfähigen Gemeinschaft.

Unsere Gesellschaft sieht Kinder als Privatvergnügen der beiden biologischen Elternteile an.
Oder der Mutter allein, wenn sogar der Vater sich seiner Verantwortung entzieht.

Und als Belastung.
Als Einschränkung, vergleichbar einer körperlichen Krankheit oder Verstümmelung.

Nicht als Gewinn für alle.
Und schon gar nicht als zwingende Voraussetzung für das künftige Fortbestehen der Gesellschaft.

>Wo die Schieflage anfängt, ist wohl, wenn die Wertschätzung und der Respekt fehlt. beiderseits.

Vater oder Mutter zu werden ist keine Leistung, sondern eine Chance des Schicksals.
Ein lebendgeborenes Kind ist ein Geschenk des Lebens an sich selbst.
Und an alle Erwachsenen, in deren Obhut das Kind hineingeboren wird.

>Heute wollen viele Eben alles auf einmal: Kinder, mehrmals in Urlaub fahren, zwei Autos, das grosse Haus und und und.

So mag das in deinem Bekanntenkreis sein, Odille.

Die meisten Eltern, die ich kenne, sind froh, wenn sie für alle Familienmitglieder Nahrung, Obdach, passende Kleidung und Schuhe, die Anforderungen der Schule und ein wenig Freizeit bezahlen können. Eine Woche in der Jugendherberge alle zwei Jahre ist ab dem zweiten Kind für viele Familien schon unerschwinglich. Von "mehrmals im Jahr" redet da niemand.

>Das Kinder Zeit und Fürsorge brauchen, wird oft vergessen, nicht gelebt, ganz zu schweigen von den Vorbildern.
[quote]Ich denke, es ist legitim, Fragen zu stellen, auch hier in diesem Forum. Wir habe alle ein Schicksal neben und um den Mess herum, keiner ist besser oder schlechter wegen bestimmter Lebensumstände. Wo ich anfange, wegzulesen, wenn ich das Gefühl bekomme, da wird die eigene Verantwortlichkeit nicht gesehen. Und ja, ich gebe zu: manchmal kann ich eine Vollzeithausfrau nicht nachvollziehen...haben doch viele sich auch dafür entschieden.
[/quote]

Ich persönlich kenne kaum eine Frau, die sich aus persönlicher Neigung der unmenschlichen Wahl: "Eigenes Geld oder eigene Kinder." gestellt hat.

Eine Wahl, vor die Männer sich normalerweise gar nicht stellen lassen. Weil das gesellschaftliche Umfeld voll und ganz auf das (mehr oder minder freiwillige) Vorhandensein von Hausfrauen ausgerichtet ist.

Säuglings, Kranken- und Altenpflege, die Betreuung älterer Kinder und die Hauswirtschaft, soziale Belange und Ehrenämter - ohne die Dressur schon ganz kleiner Mädchen darauf, in diesen Bereichen das NOT-wendige nicht nur zu sehen, sondern auch - mit geringer oder ganz ohne Entlohnung - zu tun, würde tatsächlich große Not herrschen.

Schon ganz kleine Jungen lernen hier, wegzusehen oder gar nicht anwesend zu sein, wenn Hilfe benötigt wird.
Weil ihre Väter, Großväter, Brüder und Nachbarn, Lehrer, Mitschüler, Kollegen und Vorgesetzten, ebenso wie die Darstellung in Medien ganz klar zeigen, dass diese Dinge auch ohne sie rund laufen.
Ohne männliches Engagement.
Und ihre weiblichen Pendants hier ebenso zwanghaft an ihren Gewohnheiten kleben.

Ein Mann, der sich die Erwerbsarbeit ebenso wie die Betreuung gemeinsamer Kinder mit seiner Ehefrau teilt, muss schon mehr als nur ein bischen Rückgrat haben, um das im Kollegenkreis und gegenüber Vorgesetzten durchzusetzen.
Weil ja alle darauf setzen, dass zu jedem berufstätigen Familienvater ganz zwangsläufig eine "Hausfrau und Mutter" steht, deren Aufgabe es ist, dem "Ernährer" beruflich den Rücken frei zu halten.

Und ich empfinde den Kampf "da draussen" sprich für meinen Lebensunterhalt zu sorgen, manchmal als extrem anstrengend und blicke da manchmal schon mit Unverständnis hin, wenn jemand den ganzen Tag Zeit hat für Haushalt und Co und das mit der Mutterbelastung rechtfertigt, dass er Dinge nicht hinbekommt, sie sozusagen damit entschuldigt.


Ich weiß nicht, wo du diese schräge Idee immer her nimmst, Odille.
Dass es ihre Kinder seien, die Menschen ohne Beruf daran hindern, den Haushalt zu wuppen.

Nicht nur ich, auch andere Frauen haben hier wiederholt geäußert, dass sie ohne ihre Kinder und ohne Job wahrscheinlich haushaltstechnisch noch weniger auf die Reihe bekämen.

Arbeit gegen Entgelt erlebe ich - im Vergleich zum Einerlei des Haushalts - als befreiend und wohltuend.

>Es war eine ernstgemeinte Frage, keine Wertung: früher ging es offenbar auch. Wie haben unsere Mütter das gemacht?

Weil sie mussten. Meine Mutter und ihre Schwestern haben so lange Schläge bekommen, bis sie ihre Lektion gelernt hatten. Auch die Gesetzeslage war so. Frauen waren - als Ehefrauen oder Töchter - gesetzlich dazu verpflichtet, den Haushalt zu machen.

>Was man auch nicht vergessen darf: die kamen aus einer Kriegsgeneration, hatten ihre Kindsheit imKrieg verbracht, also auch das eine oder andere Taumata zu bewerkstelligen bzw. Zu verarbeiten. und haben trotzdem funktioniert, und zwar oft auch richttig gut.

Funktionieren ist das richtige Wort. Wie Roboter.
Der Ursprung liegt im slawischen Wort robota, welches mit Arbeit, Fronarbeit oder Zwangsarbeit übersetzt werden kann.
>Ich weiss nicht, manchmal denke ich, viele wissen einfach nicht, wie gut es ihnen eigentlich geht. Da wird viel Unzufriedenheit auf die Aussenwelt projiziert.

Oder in die Innenwelt.

"Mit mir stimmt etwas nicht." zu denken, wenn in Wirklichkeit die geselschaftlichen Verhältnisse bedrückend, furchteinflößend oder krank machend sind, ist eine typische Reaktion von MEnschen in ausweglosen Situationen.

>Und last but Not least: wieso nehmen wir so vieles so verdammt persönlich?

Warum nicht?

>Ich finde diese Fragen durchaus berechtigt. Und ich denke, es muss auch in einem messieforum mal erlaubt sein, nachzufragen. besser als Libelle es schon schrieb, kann ich es auch nicht ausdrücken: manchmal seh ich das Problem nicht.

Was vielleicht mit deinem eher "männlichen" Lebensentwurf zusammenhängt, Odille.

In dem du familiäre Verpflichtungen - gegenüber älteren, jüngeren oder schwächeren Verwandten - als wenig belastend oder einschränkend wahrnimmst. Oder einfach ignorierst. Und dich damit der zwingenden NOT-wendigkeit entziehst, die andere Menschen (vor allem Frauen) gegenüber ihren Eltern und Kindern, Geschwistern und anderen bedürftigen Verwandten ganz unausweichlich empfinden.

Wenn mein Sohn Fieber hat oder meine Mutter ohne saubere Kleidung im Krankenhaus liegt, wenn mein Vater zum Arzt gebracht und abgeholt werden muss oder meine allein lebende Nachbarin nach einem Sturz das Haus nicht mehr ohne Hilfe verlassen kann - dann kann ich nicht wegsehen. Gottseidank kann mein mittlerweile geschiedener Ehemann das ebenso wenig. Und meine Vorgesetzten und Kollegen können es auch nicht. Viele meiner anderenNachbarn ebenfalls nicht. Was die Last - auf mehrere Schultern verteilt - erträglich und tragbar macht. Weil sie fühlende, verantwortungsbewusste Menschen sind, denen die Arbeit zwar wichtig, aber nicht das Allerwichtigste ist ist. Was daran liegen könnte, dass keiner dieser Männer jemals eine "Hausfrau" exklusiv zur Verfügung hatte, an die er das delegieren konnte, was ein früherer Kanzler als "Gedöns" bezeichnet hat.

Ohne Männer und Frauen, die sich verantwortungsvoll um das NOT-wendige, abgewertete und unbezahlte "Gedöns" kümmern, wäre die NOT der Bedürftigen nicht abgewendet und allgegenwärtig.

> Was aber nicht heisst, dass ich den Leidensdruck nicht anerkenne oder mich über den anderen stelle.
[quote]Liebe Grüße,
Odille
[/quote]

Von Empathie und Respekt spüre ich deinen Beiträgen zuletzt wenig, Odille.
Eher Gleichgültigkeit und Überheblichkeit gegenüber Menschen, die mit anderen Grenzen und Werten leben, als du es tust.

Das triggert nicht nur mich.

Gute Nacht! Schlumpfine


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