Re: Mein Mann ist Messie (Angehörige)

Rennie, Sonntag, 19.01.2003, 23:48 (vor 7761 Tagen) @ Ulla

Wie hast Du es geschafft, genesende Messie zu werden? Mit HIlfe einer Therapie, mit Büchern oder alleine?

Hallo, Ulla!
Ja, vorausgegangen ist eine Gesprächstherapie, im Wesentlichen wegen Depressionen. Die Therapie hat mir geholfen, mein Selbstwertgefühl aufzumöbeln, und aus der Verstrickung des "Alles oder Nichts" und "Alles-hängt-mit-allem-zusammen" herauszukommen. Und vor allem, meine Be- und Abwertungen meiner selbst und anderer mal auf den Prüfstand zu stellen. .

Ansonsten habe ich auch hunderte Bücher gelesen, aus allen möglichen Richtungen. Oftmals sehr interessant und lehrreich, aber kein Ersatz zu einer Therapie! Das verhält sich in etwa so wie ein toller Bildband zu einer wirklichen Reise.

Nach der Entwirrung meiner Gefühlsverstrickungen war es mir dann möglich, nach und nach die notwendigen Schritte zu erkennen und zu unternehmen, um andere Problemzonen zu entschärfen. Besonders hilfreich bei der Lösung meines Chaos-Problems waren dann anfangs die konkreten Ratschläge in einem Buch von Sandra Felton und hier im Messie-Forum mitzulesen, -denken und -schreiben.

Ich erkenne diese Verhaltensweisen alle wieder, und es ist ja nicht so, dass Nicht-Messies das nicht kennen würden. ....
Zwei Fragen an Dich :
[quote]Können die Hauptprobleme wie Aufschieberitis und Perfektionismus richtig "geheilt" werden, oder geht es darum, zu lernen, besser damit zu leben?
[/quote]

Letzteres würde ich sagen. Du sagst ja selbst, daß diese Verhaltensweisen auch bei Nicht-Messies vorkommen, und die Grenzen fließend sind. Aber "Heilung" in dem Sinne ist m.E. auch gar nicht notwendig - es würde ja reichen, Verhaltensweisen zu erlernen, um mit seinen Mitmenschen konfliktarm zurechtzukommen.

Und welches Verhalten der Umgebung ist hilfreich für Dich: Rücksichtnahme auf das Problemverhalten oder Ignorieren und ganz "normale" Anforderungen stellen?(z.B. dass er akzeptiert, dass ich bei der Sperrmüllabfuhr was rausstelle- Horrorvorstellung für meinen Mann, habe ich deshalb seit Jahren nicht gemacht)

Also, bei zuviel Sonderbehandlung käme ich mir blöd vor...
Ich denke, daß Du das Recht hast, für Dich "normale" Anforderungen zu stellen, genauso aber finde ich Verständnis und Rücksichtnahme bei der Durchsetzung wichtig.

Deshalb, vielleicht eine Kombination aus beidem? Rücksichtnahme auf seine Ängste, aber Einfordern seiner Beteiligung am gemeinsamen "Projekt Lebensraum". Das heißt, er muß Dir Vertrauen können, daß Du nichts hinter seinem Rücken wegwirfst, aber er muß sich bemühen, sich von etwas zu trennen. Da müßtet Ihr vielleicht die Bedingungen aushandeln, die ihr beide als gerecht empfindet.
Praktische Anregungen dazu gibt es im Net zuhauf: z.B. 3 Stück von jeder Sache sind genug... mal sehen, ob ich das Link wiederfinde.


Ich glaube, es ist wichtig (für ihn), zu verstehen, welche Gefühle das Loslassen eines Gegenstandes in ihm auslöst. So klein und lapidar dieser Satz hier steht, so schwierig ist er umzusetzen.

Ich kämpfe immer wieder den Kampf mit irgendwelchen blöden Gegenständen, die ich nicht loslassen kann, und verstehe selbst nicht, warum nicht, weil da so eine undeutliche Gefühls-Gemengelage von rationalen Argumenten, Verwirrung, Nervosität, Panik, und Vermeidung herrscht. Es kostet unglaubliche Überwindung, selbst genau anzuschauen, was da vor sich geht. Da ist es leichter, man verschiebt das auf später... womit wir wieder bei der Verschieberitis sind.

Ulla, danke übrigens, daß Du mir durch Deine Frage die Gelegenheit gibst, mich in diese spezielle Sicht "reinzuarbeiten" - darüber schreiben hilft unheimlich beim Denken. ;-)

So, und jetzt muß ich aber aufs Ohr, gute Nacht!

Grüße
Rennie


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