WHO empfiehlt max. 10% der Nahrungsenergie in Form von Zucker zuzuführen ((M)Essies)

Schlumpfine, Mittwoch, 29.12.2004, 11:29 (vor 7068 Tagen)

Diese Empfehlung haben die internationalen Lebenmittelkonzerne damit beantwortet, dass sie die US-Regierung dazu bringen wollte, der WHO (World Health Organisation = Weltgesundheitsorganisatin, eine Einrichtung der UNO wie Unicef u. a.)die Mittel zu streichen. Diese und andere "Nettigkeiten" beschreibt Marion Nestle, 68, eine Ernährungswissenschaftlerin an der New York University in Manhattan in ihrem Buch <a href=http://www.buch.de/buch/04407/263_food_politics.html>Food Politics[/link].

Es tut gut, nun auch von seriösen Wissenschaftlern zu lesen, was mir zuvor nur in polemischer Filmform bekannt war - und was ich am eigenen Leibe als zutreffend spüre.

"Iss weniger, beweg Dich mehr und verzehre viel Obst und Gemüse!" fasst Frau Nestle ihren Ratschlag für Menschen, die schlank werden bzw. bleiben wollen, knapp zusammen. Aber sie leugnet auch nicht den Einfluss der Gene auf das individuelle Körpergewicht:

"Dass ich immer noch so wenig wie in der High School wiege, liegt zum Teil an meinen Genen und zum Teil daran, dass ich mitten in New York lebe. Ich habe kein Auto und gehe überallhin zu Fuß. Aber eines ist ganz entscheidend: Wenn ich nicht hungrig bin, dann esse ich einfach nicht. Ich probiere alles und esse nur das, was mir schmeckt - aber eben nicht zu viel. Und ich kontrolliere mein Gewicht ziemlich genau mit der Waage." ist ihr Schlusswort in dem Kurzinterview aus dem SPIEGEL vom 27.12.2004: <a href=http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,334298,00.html>"Angriff der Zuckerlobby"[/link].

Interessant auch die Reaktion der <a href=http://www.ernaehrgesund.de/news/lobbyweizen.html>Weizenlobby[/link] auf die geänderte Nahrungspyramide: Ein sog. "Bildungsprogramm" für Ärzte und Ernährungsberater mit dem Inhalt, dass nicht der Verzehr von Kellogs Produkten zur Fettleibigkeit führe, sondern Überessen und Bewegungsmangel.

Diese "Belehrungen" - mit denen Du, liebe Krimhild uns hier ja auch schon beglückt hast - entbehren nicht einer gewissen Logik, lassen jedoch die suchterzeugenden Eigenschaften leichtverdaulicher Kohlenhydrate und die suchttypische vollkommene Unfähigkeit, das als richtig erkannte (wer würde Frau Nestles Tipp, weniger zu essen, sich mehr zu bewegen und mehr Obst und Gemüse zu essen, ernsthaft widersprechen wollen) auch tatsächlich zu tun, völlig außer Acht.

Gesunde Menschen, die keine manifeste Sucht kennen, tolerieren sicherlich geringe Mengen Alkohol, Zucker o. ä.

Für Alkoholkranke und/oder Zuckersüchtige (Tablettenabhängige, Heroinsüchtige etc.) gibt es keine Toleranzgrenzen. Das Suchtgedächtnis arbeitet so präzise, wie das Immunsystem: Wer als Kleinkind Masern hatte, dessen Körper wird auf jeden weiteren Kontakt mit den Erregern eine Reaktion zeigen, die anders ist, als die eines Menschen ohne frühere Erfahrungen (Erkrankung oder Impfung). Was im Umgang mit Krankheitserregern hilfreich ist, ist im Umgang mit potenziell suchtauslösenden Stoffen unter Umständen gefährlich. Doppelt gefährlich, wenn die Gefahren von speziell "gebildeten" Fachleuten geleugnet und/oder verharmlost werden. Und geradezu kriminell, wenn die Urheber solcher "Schulungen" wider besseres Wissen - und nicht arglos im guten Glauben, wie man es den "Belehrten" unterstellen darf - handeln.

Ich gönne jedem Gesunden sein Dessert und/oder den Zucker im Kaffee. Über Geschmack kann man nicht streiten. Aber ich ärgere mich, wenn geleugnet wird, dass "Zucker im Kaffee" oder "Eis zum Nachtisch" durchaus vergleichbar ist mit dem gewohnheitsmäßigen "Cognac im Kaffee" bzw. der unverzichtbaren "Zigarette zum Kaffee" oder dem/der regelmäßigen "Schnaps bzw. Zigarette nach dem Essen". Dass harmlose Speisen und Getränke durch das Hinzufügen von Alkohol ihre Harmlosigkeit einbüßen und - ebenso wie das passive oder aktive Zigarettenrauchen - für Kinder ungeeignet sind, hat sich bis in weite Bevölkerungskreise herumgesprochen.

Wer jedoch versucht, Kindern (oder Erwachsenen) die nachgewiesenen Gefahren von Süßwaren nahezubringen, steht als Spinner und ideologischer Kinderquäler am Pranger, der den lieben Kleinen harmlose, selbstverständliche und unverzichtbare Wohltaten (vergleichbar so natürlichen Erfahrungen wie schmutzig werden, mit Tieren oder im Wasser spielen, mit anderen Kindern laut lachen und schreien, Ballspielen, Schaukeln Rutschen, auf Bäume klettern o. ä.) vorenthalten will.

Der Schokoladenpudding als Menschenrecht sozusagen.
Die Weihnachtsbäckerei und Geburtstagskaffeetafeln als sinnstiftende Familienereignisse.
Weißbrot, Cornflakes und Schokoladen-Nougat-Creme als unverzichtbare und frei verfügbare Grundnahrungsmittel - vergleichbar Obst und Trinkwasser.
Gummibärchen als Belohnung für besondere Tapferkeit - nicht nur beim Kinderarzt, sogar beim Zahnarzt.
Schon im Kindergarten stark gezuckerte Milchmixgetränke (nicht nur Kakao) zum Pausenfrühstück, mittags Pasta, Pizza und Fritiertes, denn das ist leicht zu bevorraten und fast alle Kinder sind an den Geschmack gewöhnt. Knackiges Gemüse und saftiges Obst stellt die Verantwortlichen für das Angebot und die Lagerhaltung vor Probleme, mit denen weder Kindertagestätten noch Schulen (und auch immer weniger Erwachsene in Privathaushalten) sich befassen möchten.

Die Antworten der Lebensmittelindustrie (nicht nur der Fast Food Konzerne) dienen nur in zweiter Linie der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Kunden - in erster Linie geht es um unkomplizierte, kaum fehleranfällige Handhabung und Profitmaximierung. Das ist keine Schande - so funktioniert industrielle Fertigung, ganz gleich ob bei Schuhen oder Waschmaschinen. Gefährlich wird es erst, wenn wir anfangen zu glauben, was die Werbung uns suggerieren will.

Wenige Menschen sind so naiv zu glauben, dass dieses Waschpulver oder jenes Haarshampoo sie gesund und glücklich machen wird. Bei Cornflakes, Joghurts, Schokoriegeln oder Fertigsaucen sieht das schon anders aus
Niemand ausser uns selbst hat ein Interesse daran, dass wir gesund werden und/oder bleiben. Wenige, die behaupten, sie hätten ein Interesse daran (Krankenkassen, Hausärzte oder Apotheker), sind frei von wirtschaftlichen Eigeninteressen, die dem entgegenstehen. Günstigstenfalls sind sie sich dieses Konflikts bewusst. Die Industrie (ganz gleich, ob sie Autos, Medikamente oder Lebensmittel herstellt) ist in dieser Hinsicht bestenfalls gleichgültig (d. h. es stört sie nicht, wenn wir gesund werden und bleiben), solange wir nur in ausreichendem Umfang ihre Produkte kaufen. Einige Konzerne (wie die Fastfood- und Tabakindustrie sowie die Hersteller dieser unsäglichen Alkopops) nehmen sogar bewusst in Kauf, dass der Konsum ihrer Produkte Menschen krank macht und tötet.

Ich weiß, wovon ich rede und schreibe. Ich stecke wieder mitten in der Sucht. Die Weihnachtsplätzchen meiner Mutter waren der Anfang. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Die Geburtstags und Festsaison fängt in meiner Familie am 22. 12. an und endet am 10. 01..

Dem lieb gemeinten Gastgeschenk meiner Eltern an Heiligabend (das eigentlich nur für meinen Mann und unser Kind gedacht war) konnte ich nicht widerstehen. Meine Sucht nutzte meine frühkindliche Prägung auf "Weihnachtsbäckerei als sinnstiftendes Familienereignis", meine Wachsamkeit war von der erfreulich harmonischen, friedlichen Festtagsstimmung eingelullt - und so fiel ich in Mutters Keksdose, die so verführerisch nach mütterlicher Liebe und familiärem Frieden duftete. Seitdem ringe ich um die Erkenntnis, wann ich satt bin und regelmäßige, angemessene Mahlzeiten. Es ist ein mühsames Ringen - und völlig frei [image] von der Leichtigkeit des Gesundessens, die ich zuvor genießen durfte. Auf die Waage traue ich mich derzeit nicht.

Verkaterte Grüße von

[image] Schlumpfine


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