Re: Sucht ((M)Essies)

Schlumpfine, Sonntag, 02.01.2005, 23:27 (vor 7063 Tagen) @ Kao

>>Ich denke nicht, das hinter jeder Sucht der Wunsch steckt, sich zu vernichten. Viel eher sehe ich bei mir oder anderen Süchtigen den Wunsch zu leben. Wo da die Zusammenhänge sind, bleibt mir verborgen, aber vielleicht hat ja irgendjemand eine Idee dazu?

Liebes Eselchen [image], liebe Kao [image],

ich bewundere Euren Mut, der - mehr oder weniger latenten, bzw, mehr oder weniger exzessiv ausgelebten - Sucht ins Auge zu blicken. Die treuesten Begleiter jedweder Sucht sind - habe ich es am eigenen Leib erfahren - Verleugnung, Verharmlosung, Selbstbetrug, Scham, Verheimlichung und Lügen. Dabei spielt es erstmal keine Rolle, ob ich eine stoffgebundene oder eine nichtstoffliche Sucht leugne und verharmlose.

Tückischerweise hat jede Sucht auch eine (um im Sprachgebrauch der Esssüchte zu bleiben) "anorektische" Seite. Die innere Besessenheit, die Zwanghaftigkeit, die Scham, die selbstschädigenden und andere schädigenden Verhaltensweisen sind absolut vergleichbar - nur das konkret süchtige Verhalten ist an einem jeweils entgegengesetzten Pol angesiedelt.

Die gierige Form der Arbeitssucht z. B. treibt zahlreiche angesehene erwerbstätige Menschen oder überaus fleißige Hausfrauen in eine innere Isolation, aus dem Kontakt zu allen wohltuenden Genüssen, die das Leben für uns bereithält und ganz besonders aus dem Kontakt zu den eigenen Bedürfnissen und darunter besonders aus dem Kontakt zum eigenen Bedürfnis nach emotionaler Offenheit und körperlicher Nähe zu anderen Menschen, dass diese Menschen alle Symptome ienr emotionalen Magersucht entwickeln, die sich in Fachkliniken für Psychosomatik vorstellen lassen. Abgesehen davon führt dieser Raubbau mit den eigenen Kräften, das ständige "über die eigenen Grenzen Gehen" zu manifesten körperlichen Beschwerden, Erschöpfungszuständen, Herz-Kreislauf-Problemen, Mangel- bzw. Verschleißerscheinungen als Folge von Fehlernährung und/oder zuviel/zuwenig/falscher Bewegung.

Der anorektische Gegenpol davon ist in unseren Messie-Kreisen weit verbreitet, aber die meisten von uns würden sich eher die Zunge abbeißen, als zuzugeben, dass ihre Faulheit (d. h. die mangelnde innere Bereitschaft, zielstrebig und wirksam zu arbeiten) eine Hauptursache ihrer Probleme ist. Sinnvoller und der Gesundheit sowie dem Wohlbefinden zuträglichere Alternativen werden von Arbeitssüchtigen in beiden Formen der Ausprägung als "unmögliche" zurückgewiesen.

"Ich schaffe es nicht, eine Aufgabe (z. B. die Haushaltsführung) nur für mich selbst so auszuführen, dass ich mich mit dem Ergebnis wohlfühle." bzw. "Ich kann nicht einfach herumsitzen und gar nichts tun!" sind typische Äußerungen von Menschen, die unter dieser weitverbreiteten Sucht leiden und deren gierige Vertreter uns im Berufsleben gerne als Vorbilder dargestellt werden.

Diese Menschen haben jeden Kontakt zu anderen Bedürfnissen verloren und "sättigen" jedes Bedürfnis mit mehr oder minder nutzloser bzw. nützlicher Beschäftigung. Dabei finde ich es sehr interessant, dass die "Faulen" ebensoviel Aufmerksamkeit und Gedanken auf die (nicht erledigte) Arbeit verwenden, wie die "Fleißigen". Diese übermäßige geistige, emotionale (und ggf. auch handelnde) Beschäftigung mit "Arbeit" verdrängt den Blick auf alle anderen Bedürfnisse - besonders auf die - im Falle der Nichterfüllung - extrem riskanten und schmerzhaften Bedürfnisse nach emotionaler Offenheit und körperlicher Nähe.

Viele übermäßig "Faule" haben ebenso wie viele übermäßig "Fleißigen" wenige, z. T. sehr distanzierte Sozialkontakte. Als Ehe- und/oder Geschäftspartner wählen sie gern Menschen, mit denen jahrzehntelange Beziehungen, die nahezu frei von emotionaler Offenheit in Kombination mit körperlicher Nähe bleiben möglich sind, und die nicht trotzdem sondern gerade deshalb stabil sind und lange halten. Wenn ich Freud' und Leid mit meinem ebenfalls arbeitssüchtigen Kollegen oder Kompagnon teile (den ich selbstverständlich niemals umarmen würde) und körperliche Nähe nur mit Sexualpartnern habe, denen ich mich emotional wenig verbunden fühle, kann ich die Arbeitssucht jahrelang überleben, ohne in unserer Gesellschaft unangenehm aufzufallen.

Erst allmählich spricht sich in Fachkreisen und weiteren Bevölkerungsschichten die gesundheitliche Bedeutung einer ausgewogenen Balance zwischen Arbeit und Privatleben herum. Bis diese Erkenntnisse allgemein anerkannt sind, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen.

Noch bis in die 50er und 60er Jahre des 20. Jhdts. waren Alkohol- und Zigarettenkonsum in einem Ausmaß gesellschaftlich nicht nur toleriert, sondern regelrecht anerkannt, die jedem Suchtberater, Mediziner und durchschnittlich gebildeten Menschen heutzutage die Haare zu Berge stehen lassen.

Die Sucht nach leichtverdaulichen Kohlenhydraten ist (da stimme ich Dir zu, liebe Helga-Maria) wahrscheinlich ähnlich weit verbreitet wie die Arbeitssucht - und wird ähnlich übereinstimmend von der Mehrheit der hiesigen Bevölkerung ignoriert bzw. geleugnet. Seitdem extrem gesundheitsgefährdendes Übergewicht in den Industriestaaten zur Massenepidemie wurde, werden vereinzelt Beiträge wie der von Marion Nestle außerhalb der engeren Fachkreise in Massenmedien wie dem SPIEGEL veröffentlicht. Über die sog. "Work-Life-Balance" stand schon vor 5 Jahren etwas in Zeitschriften wie COSMOPOLITAN oder FREUNDIN - Jahre nachdem Fachleuten klargeworden war, dass das "Burnout-Syndrom" keine eingebildete, sondern eine lebensgefährliche Erkrankung ist.

Ich bin zuversichtlich, dass der hemmungslose Verzehr von Substanzen wie Schokolade oder Weißbrot in Zukunft ebenso gesellschaftlich geächtet werden wird, wie das Untergraben der eigenen Gesundheit und die Zerstörung der privaten Bindungen (Scheidungsraten, Anzahl der Singelhaushalte) durch zuviel oder zuwenig Arbeit.

Und dabei werden voraussichtlich weder die hinhaltenden Widerstand leistenden Lebensmittelkonzerne Pleite gehen noch wird die arbeitsteilige, hochspezialisierte Industriegesellschaft zerstört werden.

Der BAYER-Konzern konnte auch weiter existieren, nachdem ihm der Verkauf von heroinhaltigen Hustenbonbons verboten wurde. Der illegale Konsum von Opiaten, die Wachstumsraten und märchenhaften Gewinnspannen in diesem Bereich der prganisierten Kriminalität zeigt aber auch, dass staatliche Verbote auf der Angebotsseite wenig bringen, solange jedweder Sucht nicht auf der Nachfrageseite der Boden entzogen wird.

Und an diesem Punkt meiner Überlegungen finde ich mich sehr nahe bei Krimhild, die sagt: "Zucker ist nicht nicht mehr mein Problem, nicht einmal Essucht ist ein schlimmes Problem, seitdem ich mich den Herausforderungen des Lebens anders als zuvor stelle." und bei Walther Lechler, mit seiner Theorie, Süchte würden nicht durch Substanzen (wie Alkohol), sondern durch innere Überzeugungen und entsprechende Äußerungen und Verhaltensweisen ausgelöst.

Diesen Blickwinkel finde ich sehr spannend und schaue jetzt bei mir nochmal genauer hin, welchen Notwendigkeiten ich ausweiche, welche innere und/oder äußere Not ich derzeit wieder mit Essen vor mir selbst und anderen Menschen zu verbergen versuche.

>
[quote]hallo eselchen,
rieke hat da mal was gutes dazu erzählt. und zwar:
wenn man überfordert ist, in problemen steckt, gleich welcher art, kommen die urbedürfnisse ganz stark hoch, nämlich essen und schlafen. und alles schnell schluckbare wie fastfood und süßigkeiten erfüllt rasch das urbedürfnis nach essen...
auch habe ich gelesen:
wenn der körper überlastet ist, gibt er das auch zu verstehen indem er auf verschiedene art "ruft". in unserer heutigen verrückten zeit, in der man mehr augenmerk auf die packungsbeilage eines nahrungsergänzungsmittels als auf die zeichen des eigenen körpers legt, hört man dann nur "ich brauche....". WAS GENAU der körper braucht, hört man nicht mehr, denn flugs hat man nach schnellschluckbaren essen gegriffen und das völlegefühl im magen macht alle hilfeschreie erst mal platt. das der körper vielleicht nur nach wasser ruft, oder schlaf, oder sauerstoff, oder gar gemüse und obst - das genau herauszuhören haben wir verlernt.
*
beide thesen finde ich sehr interessant und denke zur zeit oft darüber nach.
liebe grüße
kao
die grad die andre hälfte des wein trinkt.. :-(
[/quote]

Walther Lechler bezeichnet in seinem Büchlein "Nicht die Droge ist's" jede Sucht als Versuch, einem aus dem Gleichgewicht geratenen Organismus, der (warum auch immer) sich den Aufgaben und Herausforderungen, die das Leben selbst ihm stellt, nicht gewachsen fühlt, einen real nicht existierenden Gleichgewichtszustand vorzugaukeln.

Der Alkohol (die Medikamente, die Eifer-, Arbeits- oder Spielsucht etc.) sei nur "der Kanal" den die Sucht sich suche. Jeder Symptomträger sei Mitglied komplexer, suchtfördernder, psychosozialer Kontexte und Gesellschaften, die es "dem Süchtigen" ermöglichen, "das Notwendige" zu ignorieren bzw. unterlassen und trotzdem keine unmittelbare Not zu leiden

Typischerweise verschärfen alle Suchtformen die ungelösten Probleme - logisch, wenn der Süchtige, statt das Notwendige (das die Not abwenden könnte) zu erkennen und zu tun, dem unter Umständen schwierigen Ringen um Konfliktlösungen und unter Umständen langfristig mühsamen Aufgaben und Anstrengungen ausweicht und kurzfristige Entlastung in der Sucht findet. Logisch auch, dass im Laufe der Zeit immer mehr "Desselben" (Stoffs oder Verhaltensweise) benötigt wird, um die innere und/oder äußere Not auch nur annähernd erträglich zumachen bzw. zu beschönigen.

Die organische Veranlagung für solche "kleinen Fluchten" haben wir in uns. Körperliche Strapazen (wie z. B. eine Geburt oder die Flucht vor einem hungrigen Raubtier) wären bei unseren Vorfahren ohne körpereigene Endorphine vermutlich häufiger schief gegangen. Je besser der Körper diese natürlichen Drogen nutzen kann, desto größer ist seine Belastbarkeit in Grenzsituationen - und desto wahrscheinlicher wird sein Überleben.

Diese hilfreichen natürlichen Mechanismen haben Menschen schon sehr früh durch entsprechende Praktiken (Fasten, sich in Trance tanzen, hyperventilieren, schmerzhafte Initiationsriten) und Substanzen (Tabak, Alkohol, Harze, Pilze etc.) vorsätzlich herbeigeführt - z. B. in religiösen Zusammenhängen. Das Verlassen der Realität wurde als Kontaktmöglichkeit zu höheren Mächten (Göttern, Dämonen u. ä.) angesehen.

So gesehen kann auch der Rausch, die Realitätsflucht ebenso wie zielstrebige Arbeit im Allgemeinen und das Haltbarmachen und arbeitsteilige Zubereiten von Lebensmitteln im Besonderen - in gewissem Umfang als "nützliche Errungenschaft" gesehen werden. Grenzwertig wird es dort, wo diese Errungenschaften dem Einzelnen oder einer Gesellschaft im Ganzen mehr Schaden als Nutzen bringt.

Der Zusammenhang frühkindlicher Traumata (Gewalterfahrungen, psychosoziale Überforderung und/oder Verwahrlosung und/oder medizinisch notwendige, schmerzhafte Eingriffe und Prozeduren und/oder Verlusterfahrungen etc.), die die Belastbarkeit eines Babys oder Kleinkindes "eigentlich" bei weitem überstiegen hätten und einer späteren Tendenz zu süchtigen (und/oder depressiven und/oder selbstschädigenden und/oder für Außenstehende unverständlichen) Verhaltensweisen, Gefühlen und Überzeugungen ist in der Psychologie unbestritten.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass der Unterschied zwischen "schwer" und "leicht oder gar nicht" geschädigten Erwachsenen weniger mit der Stärke und Dauer des Traumas zusammenhängt, als mit der Art und Weise, wie die Umwelt des Kindes darauf reagiert. Mitgefühl, Unterstützung, bestätigende Äußerungen, die die eigene Wahrnehmung und Bewertung des Kindes in schwierigen Lebenslagen im Sinne von "Hier stimmt etwas nicht! Hier passiert gerade etwas Schlimmes!! Ich kann nichts dafür!!!" unterstützen, bekräftigen und bestätigen, sind das hervorstechendste Unterscheidungsmerkmal zwischen hochgradig und leicht bis wenig gestörten Erwachsenen, mit vergleichbar schlimmen Kindheitserlebnissen.

Nicht so sehr das Erlebnis an sich - so schlimm es im Einzelfall auch sein mag, wie z. B. momentan die Folgen der Flutwelle in Asien - beschädigt Kinderseelen, sondern der Grad der Einsamkeit mit seinen Wahrnehmungen und gesunden Einstellungen, die das Kind in solchen Situationen erlebt - oder eben nicht. Je näher der/die parteiische/n, mitfühlende/n, achtsame/n Mensch/en dem Kind steht bzw. stehen, je größer das Vertrauen des Kindes zu dieser/diesen Persone/n und je stärker die Bindung zwischen dem Kind und dieser/diesen Person/en ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind ohne bleibende Schäden schlimme Erfahrungen verkraften kann. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Erwachsene.

Wenn ein Kind in solchen Situationen allein bleibt - köperlich und/oder emotional - dann klammert es sich an Ersatzobjekte (Schnuller, Teddybär, Fläschchen, Schmusedecke etc.) und/oder Ersatzhandlungen, die ihm wenigstens die Illusion von Verlässlichkeit geben. Aus solchen Erfahrungen ist der Weg in die Sucht nicht weit.

Der Unterschied kann hauchfein sein. Hier ein Beispiel:

Eine Mutter hat zwei Kinder. Eins braucht sie SOFORT. Das andere muss warten und ist frustriert. Eine Alltagserfahrung.

Die eine Mutter signalisiert (mit Worten und/oder durch ihre Stimmfärbung, ihre Mimik und Gestik) dem Kind, das noch warten muss: "Ich sehe, dass Du unglücklich bist. Ich kann es nicht ändern. Mir ist nicht egal, wie es Dir jetzt geht, auch wenn ich mich jetzt zuerst um deine/n Schwester/Bruder kümmere. Ich sehe Dich und ich liebe Dich."

Die andere Mutter signalisiert (mit Worten und/oder durch ihre Stimmfärbung, ihre Mimik und Gestik) dem Kind, das noch warten muss: "Hör auf mit der Heulerei. Du hast keinen Grund dich aufzuregen. Lass mich in Ruhe! Mir wird das jetzt alles zuviel!! Dein/e Bruder/Schwester verlangt schon mehr von mir, als ich geben kann und will. Ich will gar nicht wissen, wie es Dir jetzt geht, ich will einfach, dass Du SOFORT aufhörst, Lärm zu machen."

Welches Kind behält wohl den Glauben daran, dass seine Bedürfnisse berechtigt sind und dem Leben dienen? Welches Kind wagt auch in Zukunft offen zu zeigen, was es gerade braucht, was es ablehnt, fürchtet oder vermisst?

Welches Kind wird (bei von außen betrachtet, nahezu identischer Behandlung durch die Mutter) lernen, dass sein Schnuller, sein Teddy, seine Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse weder selbst wahrzunehmen, noch sie zu äußern ihm mehr "bringt" als die Wahrnehmung JETZT und HIER dieses oder jenes zu brauchen, zu verabscheuen, zu fürchten oder zu vermissen?

Und welches Kind wird dann als Erwachsener wohl eher in der Lage sein, selbst die Ver-Antwortung für sein eigenes Wohlbefinden zu übernehmen? Zu spüren, was er oder sie als erwachsene/r Frau bzw. Mann JETZT und HIER braucht; zu erkennen und zu tun, was not-wendig ist, um innere und äußere Not abzuwenden? Wer von beiden wird die innere Sicherheit und den Mut haben, um Unterstützung zu bitten und sich ggf. fachkundige Hilfe zu organisieren, wenn seine eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Ressourcen nicht ausreichen, ver-Antwort-ungsvoll und angemessen auf die Herausforderungen und Konflikte zu reagieren, die das Leben für jeden Erwachsenen bereithält?

Ich glaube nicht, dass eine einmalige, barsche Reaktion (s. o.) von ausnahmsweise überforderten und sonst überwiegend einfühlsamen und engagierten Eltern ein Kind sofort und ohne Aussicht auf Genesung in den finsteren Abgrund von Depression, Sucht und ver-Antwortungslosen Denkgewohnheiten, Gefühlen und Verhaltensweisen treibt. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Fähigkeit und innere Bereitschaft, auf die Fragen und Herausforderungen des Lebens als Erwachsene/r öfter mal passende Antworten zu finden (so verstehe ich die Wortfamilie ver-antwort-lich, Ver-antwort-ung, vgl auch engl. und franz. responsability bzw. responsabilite) von der grundlegenden Stimmung in der Umgebung abhängt, in der ein Kind aufwächst.

Wo seine Wahrnehmungen und Bedürfnisse (und seien diese im Augenblick noch so unschön und/oder unerfüllbar) auch von anderen Menschen erkannt und bestätigt werden, wo die grundlegende Berechtigung seiner Bedürfnisse und Gefühle, sowie die subjektive Richtigkeit seiner Wahrnehmungen nicht in Zweifel gezogen wird, hat ein Kind eine Chance seelisch unbeschadet auch größere Entbehrungen (Krieg, Hungersnot, Verbrechen, Unfälle, Trennungen, medizinische Eingriffe etc.) zu überstehen.

Wo seine Gefühle und Bedürfnisse gewohnheitsmäßig übersehen, verleugnet oder als unberechtigt bewertet werden, wo seine Wahrnehmungen als unwichtig oder, schlimmer noch, unrichtig abgewertet werden, können schon kleinere Alltagskränkungen ein Kind in seiner seelischen Gesundheit nachhaltig schädigen und ihm das Heranwachsen zu einer verAntwortungsbewussten, starken, erwachsenen Persönlichkeit erschweren.

Das sind meine derzeitigen Vorstellungen über die Ursachen und für und zugleich über mögliche Auswege aus süchtige/n Verhaltensweisen.

Die Theorie in die Praxis umzusetzen ist wesentlich mühsamer, als sie so herunterzutippen.

Liebe Kao, liebes Eselchen, ich danke Euch für den Anstoß, mir darüber erneut klarzuwerden.

Ich selbst bin für mein Wohlergehen und meine Gesundheit verAntwort-lich und ich kann jederzeit wählen, ob ich weiterhin wie auf Schienen dem (für mich selbst) gewohnten, ausgelatschten Weg der Sucht folgen will oder ob ich abseits der gewohnten Gleise neue Wege suche, innere und äußere Notlagen wirksam und dauerhaft abzuwenden, den Mut aufbringe, das Notwendige zu erkennen und die Ver-Antwort-ung für mein Wohlbefinden wieder anzunehmen.

Genauso habe ich Dein kämpferisches DU KANNST, WENN DU WILLST!!! aufgefasst, liebe Krimhild.

Dass ich selbst für mein Verhalten, meine Äußerungen, meine Gefühle und die Befriedigung meiner Bedürfnisse ver-Antwort-lich bin, heißt nicht, dass ich alles allein schaffen muss - im Gegenteil. Unter anderem deshalb schreibe ich hier und im Messie-Forum.

Die Fähigkeit, Menschen und Organisationen/Gruppen zu erkennen, die reichlich haben und gerne geben, was ich derzeit brauche (Zeit, Wissen, Erfahrung, Fachkenntnisse, technische Ausrüstung u.v.m.) und/oder die nötig brauchen und gerne annehmen, was ich reichlich habe und gerne gebe (Zeit, Wissen, Erfahrung, Fachkenntnisse, technische Ausrüstung u.v.m.), ist ein wesentlicher Bestandteil ver-Antwort-ungsvollen Handelns - ob beim Essen oder auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Partnerwahl.

Auch hier halte ich es übrigens nicht für eine zufällige Übereinstimmung, dass in unserer Sprache handeln bzw. Handlung sich sowohl auf den konkreten Austausch von Produkten, Dienstleistungen, Informationen und Geld bezieht (wie z. B. im Wort Buchhandlung oder Groß- und Einzelhandel) als auch ganz unspezifisch auf das Tun und Lassen in beliebigen, nichtkommerziellen Zusammenhängen.

Jede Handlung, die ich tue oder lasse(! die Unterlassungen auch!!!) hat mittelbare und/oder unmittelbare Auswirkungen auf meine Umgebung und mein eigenes Wohlbefinden jetzt und in Zukunft. Das klingt trivial und ist doch der Punkt, den ich als Süchtige unter Suchtdruck so gerne ignoriere.

Immer noch den schmerzhaften Entzug hinauszögernd grüßt Euch mit mehr innerer Klarheit

[image] Schlumpfine


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